1000 Jahre Röglitz und der Wein

von Hubertus Sommerfeld | Ausgabe 2-2017 | Geschichte

„Geometrischer Grund Riß Röglitz. Die Weinberge“. O kennzeichnet in der Kartenmitte die Dorflage mit Gärten, flankiert rechts und links von den Weinbergen L. Der Weinberg links im Bild wird der „Lange Weinberg“ genannt, rechts im Bild „Der Mönchs- oder der Kelterberg“. LHASA, Signatur: Slg.1, A Xa Nr. 1 b Bd. 3, Bl. 52
Bildmarke Förderverein Röglitz e.V.; Förderverein Röglitz e. V.
Weinbauorte im Saalekreis in Sachsen-Anhalt; H. Sommerfeld 2012

Das kleine, knapp 300 Seelen zählende Dorf Röglitz, heute ein Ortsteil der Gemeinde Schkopau im Saalekreis, feiert in diesem Jahr das 1000jährige Jubiläum seiner urkundlichen Ersterwähnung. Die seit Anfang 1990 entwickelten vielfältigen Aktivitäten der Röglitzer Dorfgemeinschaft zum Erhalt und zur Pflege des kulturellen Erbes, insbesondere in Vorbereitung des 1000jährigen Jubiläums, will dieser Beitrag würdigen. Dabei spielt die schon legendäre, bis in die jüngere Vergangenheit des 19. Jahrhunderts reichende Verbindung des Dorfes mit dem Weinbau, eine wichtige Rolle. Diese alte Weinbautradition will das Dorf neu beleben.

 Urkundliche Ersterwähnung des Ortes Röglitz

In einer Beschreibung der preußischen Provinz Sachsen aus dem Jahre 1883 heißt es:

„Röglitz Pfarrkirchdorf, 10,3 km nöstl. von Merseburg an der Weißen Elster. Nach Thietmar VII, 48 schenkte Kaiser Heinrich II. am 3. November 1017 dem Merseburger Domkapitel das Gut Rogalici, welches er von dem Ritter Hathold durch Tausch erworben hatte. Der Merseburger Bischof hatte hier die Vogtgerechtigkeit, belehnte damit aber die Markgrafen, und diese wieder andere. Im Jahre 1269 überließ er diese Gerechtigkeit dem Kloster S. Petri in Merseburg. In Röglitz war später ein Weinberg und Kelterhaus für die fürstliche Kellerei in Merseburg. Röglitz ist wohl wendischen Ursprungs.“ [1]

Funde belegen, dass die Gegend in und um Röglitz schon zur Steinzeit besiedelt war.[2] Darüber hinaus ist es der Überlieferung der Chronik des berühmten Merseburger Bischofs Thietmar zu danken, dass wir heute Kunde von der frühen Erwähnung des bedeutenden Ortes Röglitz haben. Thietmar, geboren am 25. Juli 975, war von 1009 bis zu seinem Tode am 1. Dezember 1018 Bischof des Bistums Merseburg. Er ist im Merseburger Dom, für dessen Bau er 1015 den Grundstein legte, beigesetzt. Die Chronik schrieb Thietmar zwischen 1012 und 1018 in acht Büchern. Sie umfasst die Geschichte von 908 bis 1018.[3]

Gegenwärtig wird im Merseburger Dom die Sonderausstellung „Thietmars Welt. Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte“ für die Zeit vom 15. 7. – 4. 11. 2018 vorbereitet. Dass 30 Orte Thietmar ihre Ersterwähnung verdanken, darunter Leipzig und Tangermünde, wird dort auch Thema sein.[4]

Das Dorf Röglitz: Wo Traditionen wohnen

Das Jahrhunderte währende Alleinstellungsmerkmal des Dorfes für Weinbau im Bistum und später im Amt Schkeuditz der Sekundogenitur Sachsen-Merseburg sowie die Übertragung der Pflege der Weinberge an die Bauern des Dorfes durch die Grundherrschaft rückte diese in eine bevorzugte Stellung. Die Bauern waren von allen übrigen Frondiensten befreit. Wein war in damaliger Zeit ein hochgeschätztes Wirtschaftsgut. Diese besonderen Verhältnisse haben die Bewohner geprägt, und das wirkt bis heute nach.

Röglitz entging durch die Wende 1989/1990 der Vernichtung durch den Braunkohlentagebau Merseburg-Ost. Sofort wurde mit bürgerschaftlichem Engagement die Rettung der vom Verfall bedrohten Kirche St. Marien, das Wahrzeichen des Dorfes, begonnen, und nach großem Aufwand 2006 zum Abschluss gebracht. Der Dorfcharakter blieb erhalten, und der Zuzug junger Menschen ließ die Bevölkerungszahl wieder von 230 im Jahre 1990 auf heute knapp 300 anwachsen. Das gesellschaftliche Leben im Dorf wird sehr von den Landfrauen geprägt, die das Gemeinschaftshaus unterhalten und mit einer Vielzahl von Veranstaltungen das ländliche Kulturgut pflegen. Große Beachtung finden die Wettbewerbe um die schönsten Erntekronen der Röglitzer Landfrauen, die in der Marienkirche präsentiert werden – 2017 am 13. Mai.

Am 26. Februar 2013 gründete sich der Förderverein Röglitz e. V. mit der Zielsetzung, bis zum 1000jährigen Jubiläum den Weinbau in Röglitz wiederzubeleben. Dafür steht auch die 2016 geschaffene und patentrechtlich geschützte Bildmarke des Vereins mit dem Motto „Wo Traditionen wohnen“, mit der Kirche St. Marien in der Bildmitte.

In den vergangenen Jahren sind zur Wiederbelebung der Weinbautradition und zur Verschönerung des Dorfbildes über 50 Weinstöcke sichtbar an Hauswänden gepflanzt worden, desgleichen in jedem Jahr der jeweilige Baum des Jahres. Das war 2016 die Winterlinde.

Um auch offiziell die Weinbautradition des Ortes wiederbeleben zu können, ließ sich der Verein 2016 von der EU für die Anpflanzung von Reben das Pflanzrecht für 300 m² in Steillage genehmigen. Das Setzen der neuen Reben ist für 2018 vorgesehen, wofür gegenwärtig am und auf dem Renzberg die Vorbereitungen laufen. Am 17. September 2016 feierten die Röglitzer und zahlreiche Gäste das 1. Röglitzer Weinfest; das 2. Weinfest wird am 9. September 2017 stattfinden.

Vom Beginn und Ende des alten Weinbaus in Röglitz

Der älteste urkundliche Beleg für den Merseburger Weinbau ist die von König Heinrich II. am 17. Oktober 1012 in Merseburg für das Bistum Merseburg ausgestellte Schenkungsurkunde, die unter den aufgeführten Gütern einen Weinberg für die Peterskirche in der Altenburg nennt. Man kann davon ausgehen, dass dieser Weinberg einen großen Teil des heutigen Altenburger Friedhofs in Merseburg einnahm. Der Straßenname „Weinberg“ erinnert hier noch heute daran. Die Kirche St. Petri wurde 1091 in ein Benediktinerkloster umgewandelt, das neben dem Merseburger Bischof seit 1263 Besitz in Röglitz hatte.[5] Wann genau mit dem Weinbau in Röglitz begonnen wurde, ist nicht überliefert; vermutlich begann das Benediktinerkloster St. Petri noch im 13. Jahrhundert damit.[6] Die Hanglage der Röglitzer Flur, halbmondförmig nach Süden in die Aue der Weißen Elster ausgerichtet, ist geradezu ideal für den Weinbau geschaffen. Die Ersterwähnung des Weinbaus für Röglitz findet sich erst 1461, als der Graf von Mansfeld beim Merseburger Bischof Johannes II. um die Lehen nachsuchte.

Im Jahre 1509 werden zwei Röglitzer Winzer durch den Merseburger Bischof Thilo in Dienst genommen. Die Bauern des Ortes waren für die Arbeiten im Weinberg von allen sonstigen Frondiensten befreit und sogar mit dem Erbgericht belehnt. 1551 wird erstmals das Röglitzer Kelterhaus genannt, die Erträge der bischöflichen Weinberge auf jährlich 350 Eimer geschätzt.[7] [1 Eimer entsprechen 67,36 Liter Most, Anm. des Autors]

Während des Bestehens der Sekundogenitur Sachsen-Merseburg (1656–1738) erlebte der Weinanbau einen ungemeinen Aufschwung. Herzog Christian förderte nach Kräften den nach dem 30jährigen Krieg darniederliegenden Weinbau, und führte neue Rebsorten ein. Die Hofhaltung erforderte große Mengen Wein. Die herzogliche Familie und die Beamtenschaft waren regelmäßig bei der Weinlese dabei.[8]

Aus der zahlreichen Literatur über den Röglitzer Weinbau ist die jüngste Veröffentlichung des Arbeitskreises Döllnitz, Band 3/1, „AU(G)ENBLICKE, Streifzüge durch die Elster-Luppe-und Saale-Elster-Aue“, hervorzuheben (Halle, 2016). Dieser Band ist speziell den beiden Jubiläen „1000 Jahre Röglitz“ und „1000 Jahre Raßnitz“ gewidmet. Für Röglitz stehen die Beiträge „Rund um die Röglitzer Weinberge“ von Otto Abitzsch (Seite 21–36, Wiederabdruck aus dem Schkeuditzer Tageblatt Nr. 232 vom 3. Oktober 1931); „Der Röglitzer Weinbau und Otto Abitzsch“ von Markus Cottin (Seite 37–38) und „Weinbau im Mittelalter und das Röglitzer Weinberg­haus“ von Markus Cottin und Thorsten Fielon (Seite 41–45). Diese Beiträge geben einen detaillierten Einblick in die Verhältnisse der Weinbergsbewirtschaftung unter dem Patronat der Merseburger Bischöfe und der Herzöge Sachsen-Merseburg.

Nach den Bestimmungen des Wiener Kongresses 1815 fielen große Teile Sachsens, darunter die Ämter Merseburg und Schkeuditz, zu dem Röglitz gehörte, an Preußen. Die Königliche Preußische Regierung bot per Bekanntmachung vom 22. Juni 1818 in der Leipziger Zeitung die „Veräußerung oder Erbverpachtung der königlichen Weinberge“ an. In der Bekanntmachung heißt es unter anderem:

„… sollen die beyden Kön. zum Amte Schkeuditz gehörigen und unterhalb des Dorfes Röglitz gelegenen Weinberge, der Mönchs- oder Kelterberg, und der Langeberg genannt, von zusammen 24 Acker [Anm. des Autors: entspricht ca. 13,3 ha] Flächengehalte, … mit den darauf stehenden Gebäuden, einem Keltergebäude, 331/2 Elle lang, mit der darin befindlichen Weinpresse und Zubehör; zwey als Flügel angebaute Wohngebäude a. 29 Ellen lang, mit 12 Stuben, 6 Kammern, 2 Küchen … und 3 Kellern, … zwey massiven Wachhäusern in den Bergen, einem Brunnen …. Zum Liquidationstermin ist der 29. Aug. d. J. anberaumt.“[9]

Das Königliche Rentenamt gab per Anzeige „Weintraubenverkauf in Röglitz“ vom 28. September 1818 die „öffentliche Versteigerung auf den 2ten Oct. d. J. in Röglitz“ bekannt, und forderte Interessenten auf, sich diesbezüglich beim Königlichen Oberwinzer Ratzsch in Röglitz zu melden.[10] So gingen die Königlichen Weinberge, wie sie nun hießen, im Jahre 1818 in Privatbesitz über, und wurden wohl im alten Umfang bis etwa 1870 weiter zur Weinerzeugung bewirtschaftet. 1870 wurde die Kelter abgerissen und somit war keine Weinbereitung mehr möglich. Die Größe der Röglitzer Kelter muss beachtlich gewesen sein. Bei Reparaturarbeiten an der Röglitzer Kirche wurden im Turmknopf Aufzeichnungen gefunden, nach denen beim Abbruch der Kelter 1000 Kubikfuß Eichenholz (das entspricht 28,32 m³), ohne die Unterlage, für den Verkauf gewonnen wurden. Es lässt sich vermuten, dass hier einmal die zweitgrößte Kelter Deutschlands stand.[11]

Interessant ist auch eine Bekanntmachung im „Hallisches patriotisches Wochenblatt“ vom 23. Dezember 1841:[12]

1742 Bekanntmachungen

Zum bevorstehenden Feste empfehle ich:

sehr gut schmeckenden Röglitzer Rothwein                                 9 und 10 Sgr.
besten Röglitzer Weißwein                                                               10 Sgr.
1834 Röglitzer dito                                                                               7 ½ Sgr.
Naumburger Weißwein                                                                      5 Sgr.

in Partien billiger; ferner feinsten Punsch=Extrakt, Arrac und Rum.

Louis Eichler
Firma Carl Fr. Freudel

Die Abkürzung Sgr. steht für Silbergroschen und bezeichnet die kleinste preußische Münze. Bemerkenswert ist, dass der Röglitzer Wein offensichtlich gegenüber dem Naumburger Wein höher bewertet wird. An anderer Stelle wird dem Röglitzer Wein eine vermeintlich besondere medizinische Wirkung nachgesagt:

„Im Stift Merseburg werden die Röglitzer Weine zur Gesundheit mehr, als wegen des Geschmackes gelobet.“[13]
„Der Berg Röglitz bey Merseburg, dessen Anlage in das 16te Jahrhundert fällt, ist wegen seiner medicinischen Wirkung bekannt.“[14]

Folgt man den Ausführungen des Chronisten Otto Abitzsch, so wurde der Röglitzer Weinbau um 1885 eingestellt. Wie andernorts in der Region auch, ging der Weinbau zu Ende, weil er sich aus den verschiedensten Gründen nicht mehr lohnte. Der Obstanbau versprach sicherere Einnahmen.

Über den Neubeginn des Röglitzer Weinbaus

Dem Förderverein Röglitz e. V. wurde per Bescheid Nr. 16-00769 vom 4. Juli 2016 durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn die beantragten Pflanzrechte für Weinreben für die Flur 1, Flurstück 470, genehmigt. Hierzu ist anzumerken, dass derartige Genehmigungen lt. EU-Weinbaurecht innerhalb von 3 Jahren erfolgen müssen, andernfalls drohen Sanktionen. Da Röglitz außerhalb des abgegrenzten geschützten Qualitätsweinbaugebietes Saale-Unstrut liegt, darf der hier künftig gewonnene Wein nicht als Saale-Unstrut-Wein gekennzeichnet werden. Aber die Herkunftsangabe „Deutscher Wein“ darf das Etikett zieren.

Bei dem genehmigten Flurstück handelt es sich um den Renzberg, dessen Hang in 31 Grad Steillage in diesem Jahr auf 74 m Länge mit einer 3 bis 4,50 m hohen Gabionenwand gesichert wird. Im Frühjahr 2018 wird die Aufrebung des Renzberges auf die genehmigten 300 m² mit der Rebsorte Hölder, mit Blick auf das darunter liegende alte historische Winzerhaus, erfolgen.[15]

Hölder ist eine 1955 an der Staatlichen Lehr-und Versuchsanstalt für Wein-und Obstbau in Weinsberg von A. Herold aus den Sorten Riesling und Ruländer gekreuzte Weißweinsorte. Sie ist dem Dichter F. Hölderlin gewidmet. Die Weine sind fruchtig, mit ausgeprägtem Riesling-Charakter.[16] Damit wurde eine gute Wahl getroffen, denn erfahrungsgemäß kann nach 2 bis 3 Jahren die erste Weinlese eingefahren werden. Wir können uns also schon einmal auf den ersten Röglitzer Wein, Jahrgang 2020, freuen. Die Gemeinde Röglitz wird im Jahre 2018 die Riege der Weinbauorte im Saalekreis von 9 auf 10 erhöhen, und der Weinkultur im west­lichen Saalekreis neue interessante Impulse verleihen.

Danksagung:

Herrn Andreas Gasch, Ortsbürgermeister Röglitz, danke ich für die erteilten Auskünfte.

Literatur:

[1] Otte, Heinrich; Burkhardt, Johannes; Küstermann, Otto: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, S. 215, Halle 1883.
[2] Kantor Wodtke: Ein steinzeitliches Grab auf dem Friedhofe in Röglitz, maschinenschriftlicher Bericht 1931, Archiv Gemeinde Röglitz.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Thietmar_von_Merseburg, 23. 3. 2017.
[4] Skrzycak, Dirk: Die Vermessung der Welt. Mitteldeutsche Zeitung, Ausgabe Halle/Saalekreis, 27.Februar 2017, S. 11.
[5] Kehr, Paul Fridolin: Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg, Teil 1, Nr.82.
[6] Kulturhistorisches Museum Schloss Merseburg: Sonderausstellung „1000 Jahre Weinbau im Merseburger Land“, vom 7. Juli bis 2. September 2012, Texttafel: König Heinrich II. bestätigt 1012 die Existenz eines Merseburger Weinbergs.
[7] Ebenda, Texttafel: Röglitz – Der bedeutendste Merseburger Weinbauort.
[8] Ebenda, Texttafel: Merseburger Weinkultur und Weinbau im 17. und 18. Jahrhundert.
[9] Leipziger Zeitung – Google Books, Bekanntmachung, S. 1559, aufgerufen 15. 2. 2017.
[10] Ebenda, Weintraubenverkauf in Röglitz, S. 2193, Beylage zu No. 190 der Leipziger Zeitung vom 28. September 1818, aufgerufen 15. 2. 2017.
[11] Eisenacher Tagespost vom 14. Oktober 1926, Beilage Nr. 40, S. 156.
[12] Hallisches patriotisches Wochenblatt, 42. Jg., 2. Bd., 23. December 1841.
[13] Neue europäische Staats- und Reisegeographie, 6. Bd., S. 114, Dresden und Leipzig, 1755.
[14] Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie-Polizey- und Cameralwissenschaften, Bd. 2.1, S. 156, Leipzig, 1782.
[15] Landkreis Saalekreis, Amtsblatt, 10. Jg., Nr. 16 (30. Juni 2016), S. 3.
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6lder_(Rebsorte), 18. 1. 2017.