200 Jahre Ortsschilder in Sachsen-Anhalt

Martin Beitz | Ausgabe 3-2020 | Kulturlandschaft

Wegweiserstein bei Gatterstädt. Foto: Martin Beitz
Wegweiserstein bei Görschen. Foto: Martin Beitz
Wegweiserstein in Drosa. Foto: Martin Beitz
Stadtwappenstein Halle (Saale) bei Dölau. Foto: Martin Beitz
Ortsschild Halle (Saale) an der Röpziger Brücke. Foto: Martin Beitz
Ortsschild Reuden (Anhalt). Foto: Martin Beitz

Das Reisen in früheren Zeiten war nicht nur deshalb beschwerlich, weil sich die Wege und Straßen in teils katastrophalem Zustand befanden, sondern auch, weil die Orte dem Reisenden nicht anzeigten, wie sie heißen, was die Orientierung erschwerte. Als eines der späten Resultate des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) kamen große Teile des heutigen Sachsen-Anhalt vor 340 Jahren an das Kurfürstentum Brandenburg und spätestens mit dessen Umwandlung zum Königreich Preußen begann man die Errichtung von Wegweisern anzuordnen, denn im selben Jahr, 1701, wurden die Beschädigungen an solchen Entfernungsanzeigern erstmals durch ein königliches Patent gerügt.

Die Wegweiser standen vorrangig an Weggabelungen und waren zum Großteil aus Holz. Sie bestanden aus einem Stamm, an dem nachgebildete menschliche Arme angebracht waren, auf denen der Name des Zielortes stand. Die Hand zeigte mit dem Zeigefinger den Weg an. In Leimbach bei Mansfeld (Landkreis Mansfeld-Südharz) wurde ein solcher vor einigen Jahren nachgebaut. Die Armwegweiser waren häufiges Opfer von Beschädigungen, da die Anwohner das Holz stahlen. Auch die Verwendung von Stein schützte die Wegweiser nur bedingt, denn in diesem Fall nutzten die Bauern die Steine, um ihre Feldgeräte daran zu schärfen, wie es 1701 bereits für die Meilensteine beklagt wurde.[1]

In den zu Sachsen gehörenden Gebieten entstanden ab dem Jahr 1721 mit den Postmeilensäulen in den Städten Entfernungsanzeiger, die auch den Namen der jeweiligen Stadt trugen. Auf ihnen konnte man erfahren, wo sich nächsten Poststationen befinden (Zahl vor dem Namen) oder wo Straßen abzweigen (waagerechter Strich). Solche Distanzsäulen, auch Stadtsäulen genannt, haben sich als Teilrekonstruktion etwa in Zörbig (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) oder Landsberg (Saalekreis) erhalten. Auch die Postmeilensäulen entlang der Straßen enthielten Angaben zu den nächsten Orten. Eine Ganzmeilensäule mit solchen Inschriften befindet sich in Mühlanger (Landkreis Wittenberg). Die Entfernung wurde in Wegstunden angegeben, wobei zwei Stunden einer sächsischen Meile (9,062 Kilometer) entsprachen.[2]

Ab dem Jahr 1788 entstand die erste preußische Fernchaussee. Sie führte von Magdeburg über Bernburg und Halle nach Leipzig. Auch ihre Meilensteine wiesen auf Orte in der Nähe hin.[3] Nach und nach entstanden zwar weitere Chausseen, doch es sollten noch mehrere Jahrzehnte vergehen, bis es zu Verbesserungen bei den Ortsangaben kam. Zunächst wurde im Jahr 1816 die Errichtung der Wegweiser, „auf welchen auf weißem Grunde der Name des nächsten Orts und die Entfernung nach Stunden angegeben, nach welcher der abgehende Weg führt, mit schwarzer Oelfarbe deutlich bezeichnet ist“, auch für die nun von Sachsen erlangten Gebiete betont.[4]

Im April 1817 lobte man einerseits die Umsetzung dieser Anordnung auch in holzärmeren Gegenden, kritisierte aber andererseits, dass es selbst in einigen holzreichen Gegenden noch immer nicht zur Umsetzung der Anordnung gekommen sei. Fristlos sollten diese nun durch die Landräte aufgestellt werden. Allerdings räumte man erneut eine letzte Möglichkeit für die Orte ein, die es bisher nicht umgesetzt hatten.[5]

Noch nicht vollends erforscht ist die Frage, in welchen Regionen Steinwegweiser aufgestellt wurden, auf denen Hände den Weg weisen. Ein besonders schönes Exemplar ist der „Puppe“ genannte Wegweiser zwischen Görschen und Stößen (Burgenlandkreis). In Sachsen-Anhalt sind solche Handwegweiser bisher nur in jenen Gegenden bekannt, die bis 1815 zu Sachsen gehörten. Der rekonstruierten Inschrift nach stammt die „Puppe“ aber aus dem Jahr 1818, so dass zu vermuten ist, dass sie ein lokales Phänomen sind, denn üblicherweise sind es Pfeile, die auf den Steinen abgebildet werden, was auch für die heute in Sachsen erhaltenen Wegweisersteine gilt.

Im März 1820 wandte sich die Regierung in Merseburg erneut an die Landräte, um die Einhaltung der Aufstellung der Wegweiser zu beobachten, da „nicht allenthalben mehr“ Wegweiser zu finden seien. Abermals empfahl man die Verwendung von Stein. „Auch würde es sehr zweckmäßig sein, wenn an jedem Dorfeingange am ersten Hause der Name des Orts auf einer hölzernen Tafel zur Kenntniß der Reisenden gebracht würde“, heißt es dort weiter. Diese Neuerung wurde aber zunächst optional gehalten.[6]

Somit begann vor 200 Jahren im größeren Stil die Bezeichnung der Orte in Sachsen-Anhalt mit Ortsschildern, denn im September 1820 wurde daraus eine königliche Anordnung. In dieser heißt es, dass „alle Flecken und Dörfer, da wo die Straße durch oder vorüber führt, mit dem Orts-Namen, und zwar dieser in großer Schrift, mit dem Namen des Kreises, in welchem sie liegen, und mit der Nummer des Landwehr-Regiments, zu dem der Ort gehört, bezeichnet werden sollen.“ Es wurde eine Frist von vier Wochen festgelegt und bei Nichteinhaltung eine Strafe von zwei Talern angedroht.

Hintergrund dieses Sinneswandels war eine Reise des Königs Friedrich Wilhelm III. durch Pommern, bei der ihm diese Einrichtung im August 1820 positiv aufgefallen war.[7] Den Orten wurden zwei Optionen gelassen. Sie konnten entweder „beim Haupt-Aus- und Eingange des Orts an Gebäuden, da wo die Straße durch oder vorbeiführt“ je eine Tafel anbringen oder aber in der Mitte des Ortes einen Pfahl mit einem entsprechenden Schild aufstellen.[8]

Innenminister Schuckmann veröffentlichte am 13. Mai 1823 ein Zirkular-Reskript, in dem – mit Verweis auf die Verärgerung des Königs bei Reisen – noch einmal die Allgemeingültigkeit der Regelung betont wurde. Zudem schuf man ein Probeexemplar, damit es künftig eindeutig sei, wie die Tafel auszusehen habe, und schrieb exakte Maße vor. Sieben Jahre später wurde durch denselben erneut auf die Anordnung verwiesen, da noch immer nicht alle Orte solche relativ einfach herzustellenden Tafeln aufwiesen.[9]

Diese Vorgaben wurden später weiter präzisiert. So wurde 1836 klargestellt, dass Orte mit kreuzenden Staats- oder Bezirksstraßen an den jeweiligen Ortseingängen solche Tafeln aufstellen müssen, es gab Anweisungen zur Instandhaltung, Vorgaben zu den Abmessungen und es wurden Abkürzungen wie „St.“ für Stadt oder „Kr.“ für Kreis eingeführt. Die Anordnungen von 1820 bzw. 1823 blieben aber mehr oder weniger über 100 Jahre lang gültig.[10]

Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club begann im Jahr 1912 mit der Aufstellung von Emailleschildern, auf denen der Ortsname, der Hinweis „Fahrt vorsichtig!“ sowie der ADAC genannt wurden. Er ergänzte später zudem Werbung für einen Reifenhersteller und änderte das Aussehen von blauer Schrift auf weißem Grund zu schwarzer Schrift auf gelbem Grund. Mehrere zehntausend solcher Schilder entstanden durch diese Initiative.[11] Eine deutschlandweit einheitliche Regelung in der der Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung von 1934 beendete die Funktion als Werbeträger schließlich endgültig. Die neuen Blechschilder nannten nun einzig Ort, Kreis und Regierungsbezirk. Sie übernahmen teilweise die Wegweiserfunktion mit, indem an jeder Ortstafel auf der Ortsseite auch die Entfernung zum nächstgelegenen Ort bezeichnet wurde. Zudem markierten sie fortan Beginn und Ende des Geltungsbereiches der Verkehrsregeln für geschlossene Ortschaften.

Die Beschriftung wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an die jeweiligen Verwaltungseinheiten angepasst, bis auch die Nennung des Bezirkes verschwand. Die Ortsausgangstafel wurde nur dahingehend modifiziert, dass seit 1976 bzw. 1978 nicht mehr nur der nächste Ort genannt wird, sondern auch der Ort, den man verlässt. Die auch weiterhin offiziell Ortstafel genannten Schilder befinden sich heute in der Regel an jeder in die Ortslage hineinführenden Straße. Ihre Schlichtheit haben sie allerdings wieder eingebüßt, da mittlerweile die Bezeichnung der Gemeinde hinzugekommen ist. Dies führt zu teils eigenartig anmutenden Ortsschildern. So gibt es am Südrand des Flämings ein Ortsschild, auf dem gleich dreimal das Wort „Anhalt“ steht, denn wir lesen hier „Reuden/Anhalt – Stadt Zerbst/Anhalt – Landkreis Anhalt-Bitterfeld“.

Durchaus häufiger zu beobachten sind zudem solche Ortsschilder, auf denen sich zahlreiche Wörter tummeln. So ist etwa am Ortseingang einer Bahnsiedlung „Station Weißandt-Gölzau – Stadt Südliches Anhalt – Landkreis Anhalt-Bitterfeld“ zu lesen. In einigen seltenen Fällen finden sich sogar gleich zehn Wörter, etwa bei den Dörfern am einstigen Salzigen See, wo es dann z. B. „Röblingen am See – Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land – Landkreis Mansfeld-Südharz“ heißt. Hier muss teils mit Fettdruck und unterschiedlichen Schriftgrößen gearbeitet werden, damit die Lesbarkeit nicht verloren geht. Es sind dies Erscheinungen der Einheitsgemeinden, die im Jahr 2010 eingeführt wurden und die lokale Identität vor Schwierigkeiten stellen. So ist Röblingen am See selbst schon ein Zusammenschluss mehrerer separat liegender Dörfer, von denen Unterröblingen und Oberröblingen jeweils eine eigene romanische Dorfkirche besitzen und auf eine lange Geschichte zurückblicken können.

Seit dem Jahr 1970 gibt es zudem sogenannte Ortshinweis­tafeln für Orte, bei denen die Durchfahrtsstraße die eigentliche geschlossene Siedlung nicht quert. Hier erfolgt nur die Angabe des Ortsnamens in gelber Schrift auf grünem Grund. Bei Städten werden Stadtteile mit schwarzer Schrift auf weißem Grund bezeichnet, wie dies bereits 1816 für Wegweiser angeordnet wurde, allerdings ist diese Vorgabe nicht mehr bindend. Ergänzt werden die Ortsausgänge zudem durch die Ortsdurchfahrt-Steine. Auch hier ist in den letzten Jahren ein Wandel zu beobachten, da die hellen OD-Steine mit ihrem vertieften Richtungspfeil durch gelbe Säulen mit kleinen weißen Tafeln ersetzt werden. Zudem errichteten einige Städte weitere Stadtnamen-Anzeiger. So erhielten Halle und Halle-Neustadt weiße Beton-Stelen, die den Ortsnamen und das Wappen schon vor dem Beginn der geschlossenen Bebauung angeben. Diese Stadtwappensteine dienen heute auch der Nennung der Partnerstädte.

 

[1] Vgl. Herbert Liman: Auswertung älterer Literatur über Preußische Meilensteine, in: Das Meilenstein-Journal 25 (2005) 50, S. 37 – 39; Christine Brogatzky und Wolfgang Fredrich: Gab es bereits vor dem Jahre 1700 Meilensteine zwischen Magdeburg und Brandenburg?, in: Das Meilenstein-Journal 37 (2017) 73, S. 52 – 53.

[2] Vgl. Postsäulen und Meilensteine. hrsg. v. d. Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen e. V. Dresden/Grillenburg. 3. Auflage, Dresden 2007, S. 37 – 45.

[3] Vgl. Eduard Rendler: Die Chausseemeilensteine der ersten preußischen Fernchaussee Magdeburg-Halle-Großkugel (B 71/B 6) („Magdeburger Typ“), in: Arbeitsmaterial 11 (1991) 22, S. 10 – 13.

[4] Vgl. Amts-Blatt der Königlich Preußischen Regierung zu Merseburg 1816, Nr. 38, S. 380.

[5] Vgl. Amts-Blatt der Königlich Preußischen Regierung zu Merseburg 1817, Nr. 17, S. 226.

[6] Vgl. Amts-Blatt der Königlich Preußischen Regierung zu Merseburg 1820, Nr. 9, S. 55.

[7] Vgl. Annalen der Preußischen inneren Staats-Verwaltung 4 (1820) 3, S. 567, Nr. 65.

[8] Vgl. Amts-Blatt der Königlich Preußischen Regierung zu Merseburg 1820, Nr. 41, S. 274.

[9] Vgl. Annalen der Preußischen inneren Staats-Verwaltung 15 (1831) 1, S. 150 – 153.

[10] Vgl. Das Polizei-Wesen, Bd. 4, 2. Abt., hrsg. v. Ludwig v. Rönne, Breslau 1852, S. 476; Hue de Grais: Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche, 25. Auflage, Berlin 1930, S. 832.

[11] Vgl. Eine Ortstafel, die über 70 Jahre alt ist, in: Münchner Merkur (Onlineausgabe) vom 4. April 2009.