Auf leisen Pfoten

Die Rückkehr der Wildkatze nach Sachsen-Anhalt

von Therese Thümmler | Ausgabe 1-2019 | Natur und Umwelt

Nahaufnahme einer Wildkatze. Foto: Thomas Stephan.

Die großen, wilden Katzen Afrikas und Asiens sind auffällig, beeindruckend und daher oft in Kinderbüchern zu finden. Ein jeder kennt sie. Ähnliches gilt für die Hauskatze, die als Kulturfolger vor rund 9.000 Jahren nach Europa kam. Ohne die Hilfe des Menschen könnte sie in unseren Breiten jedoch nicht überleben. Sie hat sich eng an unsere Lebensgewohnheiten angepasst und ist mit schätzungsweise 8,4 Millionen Vertretern in Deutschland nicht gefährdet. Anders die Wildkatze.

Wildkatzennachwuchs im Heidewald. Foto: Thomas Stephan/BUND.

Vor 300.000 Jahren, also lange bevor Menschen den europäischen Kontinent zu besiedeln begannen, durchstreiften diese robusten Tiere bereits die Wälder unseres Kontinents. Wild- und Hauskatzen blicken also jeweils auf unterschiedliche Abstammungs- und Entwicklungsgeschichten zurück und so verwundert es nicht, dass es deutliche Unterschiede zwischen den beiden Unterarten gibt, sowohl im Aussehen als auch in der Lebensweise. Die Wildkatze ist in der Regel etwas größer und gedrungener als die Hauskatze, wodurch sie – genau wie auch durch ihr dichtes Fell – an die klimatischen Gegebenheiten, also auch an kalte und lange Winter, besser angepasst ist. Die sonst wenig gemusterte, eher verwaschene Fellfärbung der Wildkatze mündet am stumpfen Schwanz in zwei bis drei dunkle, deutlich abgesetzte Ringe.

Verinselung der Lebensräume
Die Wildkatze meidet Menschen und so ist sie für uns weitestgehend unsichtbar. Durch die Veränderungen, die der Mensch durch die Nutzung seiner Umgebung in der Landschaft vornimmt, wird ihr Lebensraum zusehends kleiner. Anders als die Hauskatze kann sich ihre wilde Verwandte nur bedingt an diese Veränderungen anpassen. So sind es vorrangig anthropogene Faktoren, die die Bestände weiter dezimieren; natürliche Feinde hat die Wildkatze nur wenige. Vor 100 Jahren noch kurz vor der Ausrottung, ist sie wieder in Teilen West- und Mitteldeutschlands zu finden; mit schätzungsweise 7-10.000 Tieren ist die Wildkatze jedoch immer noch in ihrem Bestand bedroht. Durch Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Verkehr sind die einst existierenden Habitate in kleine Restlebensräume zerschnitten. Somit wird ein genetischer Austausch verschiedener Populationen dieser einst europaweit vorkommenden Art erschwert, die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht.

Wildkatze klettert. Foto: Thomas Stephan.

Daher gehört die Wildkatze zu den „besonders geschützten“ Arten und wird auf der Roten Liste der Wirbeltiere als „gefährdet“ eingestuft. Zudem unterliegt sie europäischen Schutzbestimmungen, indem sie in der FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitatrichtlinie) im Anhang IV als streng zu schützende Tierart von gemeinschaftlichem Interesse gelistet wird. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden knüpft der BUND gemeinsam mit Politik, Behörden und BürgerInnen bereits seit 15 Jahren an einem Rettungsnetz für die Wildkatze.

Der Verinselung der Wildkatzenhabitate wird entgegengewirkt durch grüne Korridore. Foto: Thomas Stephan/BUND.

Grüne Korridore aus Büschen und Bäumen
Lebensräume, in denen die Wildkatze etabliert ist, werden mit potentiellen Waldgebieten über Pflanzungen oder Verbesserungsmaßnahmen innerhalb der Habitate vernetzt. Ein Waldverbund mit naturnahen und gut vernetzten Wäldern soll entstehen. Bei der Umsetzung orientiert sich der BUND an den Ansprüchen der Europäischen Wildkatze. Denn dort wo sich die Wildkatze wohl fühlt, geht es auch vielen anderen Arten gut. Zum 15-jährigen Jubiläum der Aktion „Rettungsnetz Wildkatze“ in diesem Jahr möchte der BUND in Sachsen-Anhalt weitere Pflanzmaßnamen umsetzen.

Bundesweite Wildkatzen-Gendatenbank
In mehreren Wäldern, die sich als Lebensraum eignen, wurden noch keine Wildkatzen nachgewiesen. Gemeinsam mit Freiwilligen sammelt der BUND daher Wildkatzenhaarproben, um mehr über die Verbreitung und Wanderungen der scheuen Tiger zu erfahren. Im letzten Jahr konnte der BUND in Sachsen-Anhalt vier Artindividuen – darunter ein etabliertes Weibchen – in den Akener Elbauen nachweisen. Weiterhin werden derzeit die vermutlichen Vorkommen der Europäischen Wildkatze im Naturpark Dübener Heide untersucht. Seitdem im Jahr 2015 auf sächsischer Seite im Presseler Heidewald und Moorgebiet ein Totfund registriert wurde und anschließend genetische Nachweise gelangen, liegt der Fokus auf diesem Gebiet. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Naturpark Dübener Heide, dem Landesforstbetrieb und engagierten Freiwilligen konnte seit 2018 auch auf der sachsen-anhaltinischen Seite des Naturparks eine Präsenzuntersuchung zur Wildkatze stattfinden. Das Orkantief Friederike hinterließ große Windwurfflächen und versperrte Waldwege, von denen sich die ehrenamtlichen LockstockbetreuerInnen wenig beeindrucken ließen. Umso mehr waren wir beeindruckt, denn ohne die Gebietskenntnis und das immense Engagement der freiwilligen MitarbeiterInnen wären die Untersuchungen nicht umsetzbar gewesen. Auch in diesem Frühjahr begeben sich die SpurensucherInnen wieder in den Wald, um Haarproben zu sammeln – bei jedem Wetter.

Freiwillige am Lockstock im Heidewald. Foto: Axel Mitzka.

Engagement von Freiwilligen
Die Präsenzuntersuchungen zum Vorkommen der Wildkatze sind ohne das Engagement der ca. 20 Freiwilligen im gesamten Naturpark Dübener Heide nicht möglich. Sie gehen regelmäßig in „ihr Revier“, das jeweils 100 ha groß ist. Das Sachsen-Anhalt Journal sprach mit Dr. Winfried Mohr aus Schwemsal über seine Motivation, den Heidewald und sein Engagement im Naturschutz:

Was macht die Dübener Heide aus und wie lange leben Sie hier schon?
Mit meiner Frau lebe ich seit 20 Jahren hier. Wir schätzen besonders die abwechslungsreiche Landschaft, die vielen Tiere und die guten Beobachtungsmöglichkeiten. Auch die Freizeitmöglichkeiten in der Natur sind abwechslungsreich, vor allem kann man ausgedehnte Wanderungen und schöne Radtouren machen.

Warum engagieren Sie sich im Naturschutz und hier gerade für Wildkatzen?
Ich war immer schon an Tieren interessiert, meine Frau eher an Pflanzen. Über die Mitarbeit im Verein Dübener Heide wurden wir zunehmend an den Naturschutz herangeführt und haben dabei vom Wildkatzenprojekt erfahren.

Haben Sie schon eine Wildkatze gesehen?
Bisher nur auf Fotos, die mit den Wildkameras gemacht wurden und im Wildtiergehege im Harz.

Laboruntersuchung der Katzenhaare, die am Lockstock gefunden wurden. Foto: Thomas Stephan/BUND.

Wie oft müssen Sie in Ihr Revier fahren und was machen Sie da?
In der Paarungszeit von Januar bis Anfang Mai suche ich die Lockstöcke in meinem Revier wöchentlich auf um zu untersuchen, ob sich dort Katzenhaare finden. Die Lockstöcke sind mit Baldrian eingesprüht, das lockt die Kater in der Paarungszeit an. Beim Reiben an den Lockstöcken bleiben Haare hängen. Ich entnehme eine Haarprobe, reinige den Lockstock und besprühe ihn wieder mit Baldrian. Die Haare werden dann im Labor daraufhin untersucht, ob es sich um Wild- oder Haustier­katzenhaare handelt. So können wir mehr über die Verbreitung der Wildkatze erfahren.

Hintergrund: Die Präsenzuntersuchungen zur Wildkatze in Sachsen-Anhalt finden im Rahmen des Projekts „Natura 2000 – Rettungsnetz für Wildkatze, Haselmaus und Rotmilan“ statt. Das europaweite Netzwerk an Schutzgebieten „Natura 2000“ ist von hoher Bedeutung für den Artenschutz. Es steht daher im Zentrum des Projekts, das vom Land Sachsen-Anhalt mit Mitteln aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) gefördert wird.

Weitere Informationen unter:
www.regiocrowd.de und www.bund-sachsen-anhalt.com

Das Projekt „Natura 2000 – Rettungsnetz für Wildkatze, Haselmaus und Rotmilan“ wird gefördert von: