August von Mackensen – eine Aufstiegsgeschichte aus Mitteldeutschland

Von Uwe Wolfradt und Moritz Waitschies | Ausgabe 4-2019 | Geschichte

Mackensen als Schüler der Latina in Halle. Aus: Lange,   Carl (1935). Generalfeldmarschall von Mackensen. Ein Bild seines Lebens. Berlin: Schlieffen-Verlag.
Generalfeldmarschall von Mackensen im Gespräch mit [Superintendent] und  Domprediger [Wilhelm] Moering  (links), hinter Mackensen Regierungspräsident Dr. R. Sommer, daneben Major von Gersdorff. Naumburg. 15. Oktober 1936. Bildrechte: Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, Bildarchiv Naumburg.

Vor 170 Jahren am 6. 12. 1849 wurde August von Mackensen in Leipnitz (Sachsen) geboren. 1899 als Adjutant Kaisers Wilhelms II. geadelt, war er eine der schillerndsten und politisch umstrittensten Persönlichkeiten Mitteldeutschlands im 20. Jahrhundert. Besonders seine politische Haltung während der NS-Zeit bestimmt noch heute die zeithistorische Stellung des militärischen „Helden“ und Generalfeldmarschalls des 1. Weltkrieges.

Die aus dem Harz stammende Familie Mackensen vermittelte ihrem Sohn August eine konservativ-preußische Grundhaltung sowie protestantische Tugenden. „Obwohl ohne das Vorrecht adliger Abkunft, wurde Mackensen gleichwohl in eine monarchisch-konservative Welt und das agrarisch-junkerliche Milieu hineingeboren“, so Theo Schwarzmüller.[1] Seine ersten Schuljahre verbrachte Mackensen zunächst in der Dahlenberger Dorfschule. Mit 16 Jahren wechselte er 1865 von der Torgauer Realschule in die Untersekunda der Oberrealschule (Latina) der Franckeschen Stiftungen, die sein jüngerer Bruder Viktor bereits besuchte. Die Eltern wünschten eine Erziehung bei bescheidener Kost und Logis. Die strenge Hausordnung – Aufstehen im Sommer um 5 Uhr, im Winter um 6 Uhr – bereitete August keine Probleme, wie er in Briefen an die Eltern berichtete. Den Geschichtslehrer und späteren Direktor des Stadtgymnasiums Halle, Otto Nasemann (1821 – 1895), der als Offizier 1850 bei einem Gefecht ein Bein verloren hatte, verehrte der junge Mackensen besonders, da er den Schülern die Landesgeschichte auf preußisch-patriotische Weise vermittelte. Mackensen war bei seinen Mitschülern sehr beliebt und wurde zum Stubenältesten gewählt. In dieser Zeit geknüpfte Freundschaften verbanden ihn z. B. mit dem späteren Heidelberger Professor für Germanistik Wilhelm Braune (1850 – 1926). Auf Druck seines Vaters verließ er die Latina als 19-jähriger am 15. 9. 1869 mit der Primareife, um eine Landwirtschaftslehre auf dem Gutbesitz in Cossa bei Söllichau zu beginnen. Mackensen selbst sah seine Zukunft hingegen beim Militär. Wegen mangelnder körperlicher Eignung scheitere er zunächst jedoch an der Musterung, bevor ein zweiter Versuch ein Jahr vor dem Deutsch-Französischen Krieg erfolgreich war. Leichtsinnig, später aber als heroisch verklärt, unternahm Mackensen am 5. 10. 1870 bei Toury in der Nähe von Orléans einen gefährlichen Erkundungsritt, der durch die Sehnsucht nach vaterländischer Pflichterfüllung motiviert war. Notizen, die der zwanzigjährige Mackensen bei dieser Unternehmung bei sich führte, regelten die Art und Weise seines Begräbnisses und belegen seine Bereitschaft, im Kampf für das Vaterland zu sterben. Nach diesem für Mackensen eindrücklichen und außerordentlich bestärkenden Ereignis, für das er ausgezeichnet wurde, nahm er ab 1871 zunächst wieder Abstand vom Militärdienst, um ein Studium der Landwirtschaft an der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg zu beginnen. Insbesondere der Historiker Gustav Droysen (1838 – 1908) und der Agrarwissenschaftler Julius Kühn (1825 – 1910) übten dort eine nachhaltige Wirkung auf Mackensen aus. Die Wertschätzung, die er in Halle erfuhr, drückte sich auch in der Wahl zum Präsidenten des Akademisch-landwirtschaftlichen Vereins aus. Vermutlich hatte er dies nicht nur seinen preußischen Tugenden zu verdanken, sondern auch einer gewissen sozialen Klugheit. Das Talent, auf dem höheren gesellschaftlichen Parkett zu überzeugen, sollte Mackensen auch bei seinem folgenden Lebensabschnitt zugutekommen.

„Der Glaube an eine innere Berufung hatte gesiegt, der Weg des Husarenleutnants zum Generalfeldmarschall war frei. Das Große im Leben wird durch Kampf gewonnen.“ [2] So beschrieb Carl Lange 1935 in zeittypisch heroisierender Diktion Mackensens endgültige Zurückweisung der Pläne seines Vaters. Die sich anschließende Karriere als Offizier verlief ab 1873 rasant. Eine nicht unerhebliche Rolle mag dabei die Eheschließung mit Dorothea von Horn, Tochter des hohen Verwaltungsbeamten Karl Wilhelm von Horn, im November 1879 gespielt haben. Ohne die Kriegsakademie besucht zu haben, wurde Mackensen 1880 in den Generalstab versetzt. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges erreichte er den Dienstposten des Kommandierenden Generals des XVII. Armeekorps. Den ersten Krieg seit dem deutsch-französischen von 1870 / 71 sehnte Mackensen zwar nicht herbei, begrüßte ihn aber als Möglichkeit, die sich zuspitzenden Konflikte Europas endlich entscheidend zu beseitigen. Er nahm u. a. an den Schlachten von Tannenberg und an den Masurischen Seen teil. 1915 erfolgte schließlich seine Beförderung zum Generalfeldmarschall.

Aufgrund seiner militärischen Erfolge gegen das Zarenreich wurden Mackensen eine ganze Reihe militärischer und ziviler Ehrungen zugesprochen. 1915 erhielt er auch die Ehrendoktorwürde seiner ehemaligen Universität Halle, ferner erfolgte seine Ernennung zum Merseburger Domherren. In den Augen der deutschen Bevölkerung galt Mackensen als einer jener beinahe unbesiegbaren Feldherren, die eine Wende im Krieg herbeiführen konnten. Dieser Glaube verstärkte sich noch, als der Generalfeldmarschall gegen Serbien und Rumänien ebenfalls militärisch erfolgreich war. Bis zum Kriegsende verblieb Mackensen auf dem Balkan, bevor er im November 1919 nach Deutschland zurückkehrte, wo sich inzwischen die politischen Verhältnisse radikal verändert hatten. Insbesondere sein hartes Vorgehen gegen die serbische und rumänische Zivilbevölkerung brachte ihm eine, wenn auch folgenlose Anklage ein. Mackensen hielt auch in der Nachkriegszeit enge Verbindung zum abgedankten deutschen Kaiser und zu den Militärs der Reichswehr. Wie ein großer Teil der monarchistischen Militär- und Verwaltungselite stand er der Weimarer Republik und ihren demokratischen Institutionen ablehnend gegenüber. Der für Deutschland als ungerecht empfundene Versailler Vertrag führte auch bei Mackensen zu einer Annäherung an deutschnationale Kreise und später an die NS-Bewegung. Es war unter anderem Mackensen, der entscheidend Einfluss auf Reichspräsident Paul von Hindenburg nahm, sich antiparlamentarisch zu positionieren, Präsidialkabinette unter Ausschluss der Sozialdemokraten einzurichten und sich schließlich für ein Bündnis zwischen Deutschnationalen und Nationalsozialisten einzusetzen, das letztlich 1933 die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler ermöglichte. Die NSDAP suchte ihre neue, aber noch unsichere Macht durch die Verbindung zu den nationalkonservativen und monarchistischen Eliten zu legitimierten. Der ‚Tag von Potsdam‘ sollte das äußere Zeichen sein, dass Neues und Altes Deutschland zusammenstanden und eine Traditionslinie bildeten. Die Funktion August von Mackensens an diesem Tag war es, diese Verbindung nach außen zu repräsentieren. Davon profitierte er auch persönlich: 1933 wurde er in den preußischen Staatsrat aufgenommen und 1935 erhielt er als Dotation Hitlers das Gut Brüssow in Pommern. 1936, nach der Vereinigung der Domstifter von Merseburg und Naumburg sowie des Kollegiatsstifts Zeitz, wurde Mackensen zum Dechanten des vereinigten Domkapitels ernannt.

Schwarzmüller charakterisiert Mackensens Rolle während der NS-Zeit als inkonsequent und zwiespältig: „Mit der einen Hand streute er Sand ins Getriebe des Systems, mit der anderen ölte er es.“[3]  Aktiv und bewusst unterstützte Mackensen die NSDAP und ihre Politik, in dem er eine antidemokratische und zuweilen menschenverachtende Einstellung vertrat. Er hatte nachweislich Kenntnis über die inhumane Ideologie und Praxis des Nationalsozialismus. Er unterstützte das radikale Vorgehen gegenüber politischen Feinden, äußerte sich antisemitisch, nationalistisch und antidemokratisch. Mackensen glaubte, in Hitler, trotz aller Bedenken, die Person gefunden zu haben, die eine Verbindung der verschiedenen sozialen Klassen mit dem Ziel der Rückkehr zur kaiserlichen Monarchie herstellen konnte. Andererseits setzte er sich in Briefen für die Freilassung von Opfern des Regimes (auch mit jüdischer Abstammung) ein, wenn diese nationalkonservativ oder christlich waren, so z. B. für Martin Niemöller von der Bekennenden Kirche mittels eines Briefes an Hermann Göring. Er erreichte zudem die Freilassung des Vorsitzenden des Stahlhelmbundes Theodor Duesterberg aus Dachau durch persönliche Intervention bei Hindenburg. Gegen die Einmischung des NS-Regimes in die Kirchenpolitik (z. B. Eingliederung des evangelischen Jugendhilfswerkes in die Hitlerjugend oder Zwangsversetzung von Pfarrern) äußerte Mackensen als tief protestantischer Mensch Bedenken. Auch unterhielt er enge Kontakte zur Bekennenden Kirche, bot aber dennoch an, unterstützend bei deren Integration in die Deutsche Christenunion mitzuwirken. Am Beginn des 2. Weltkrieges teilte er die Kriegsziele des NS-Regimes. Er bestärkte Hitler im persönlichen Gespräch sogar, die Westmächte entgegen der Ratschläge der Militärführung anzugreifen. Nach dem Attentat vom 20. 7. 1944 auf Hitler äußerte er sein Unverständnis über die Attentäter. Zwar erkannte der greise Feldmarschall Ende 1944 die sich ankündigende Niederlage Deutschlands, dennoch rief er die deutsche Jugend auf, sich dem „Bolschewismus“ in einem letzten Aufgebot entgegenzustellen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mackensen das obrigkeitliche Denken der Kaiserzeit, in welcher er sozial und militärisch aufgestiegen war, verinnerlicht hatte und Zeit seines Lebens nicht mehr revidierte. Durch die Familie vermittelte und in der Schul- und Studienzeit verinnerlichte patriotische und protestantische Werte bildeten die Grundlage seiner späteren militärisch-monarchistischen Haltung. Zwar war sich Mackensen der Gefahr und der Verbrechen durch die Nationalsozialisten bewusst, dennoch blieb er, wie viele Vertreter der nationalkonservativen Elite auch, der Vorstellung von einem wiedererstarkenden Deutschland verbunden und letztlich erlegen. Mackensen erscheint daher in der Gesamtschau keineswegs als der „Held“, als der er oftmals dargestellt wurde und zuweilen noch wird. Vielmehr offenbart sein widersprüchliches Handeln einen Zusammenstoß entgegengesetzter moralischer und politischer Werte, an denen der ehemalige Feldherr letztlich scheiterte.

 

[1] Theo Schwarzmüller: Zwischen Kaiser und „Führer“. Generalfeldmarschall August von Mackensen. Eine politische Biographie. Paderborn 1996, S. 18. Ergänzend zur Biographie: Joachim Niemeyer: Mackensen, August von [Art.]. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). 15. Band, Berlin: 1987, S. 623 f., Hans-Joachim Böttcher: Mackensen, A. L. F. August (von) [Art.]. In: Bedeutende historische Persönlichkeiten der Dübener Heide. Leipzig 2012, S. 63 f.

[2] Carl Lange: Generalfeldmarschall von Mackensen. Ein Bild seines Lebens. Berlin 1935, S. 86.

[3] Schwarzmüller: Zwischen Kaiser und „Führer“, S. 352.