Der Bergmolch – Lurch des Jahres 2019

Von Marcel Seyring | Ausgabe 4-2019 | Natur und Umwelt

Bergmolch-Weibchen auf Wanderschaft. Foto: Annette Westermann, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Bergmolchmännchen im Balzkleid. Foto: Annette Westermann, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Bergmolchlarve mit typischen Außen­kiemen. Foto: Annette Westermann, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Typische orangefarbene Unterseite des Bergmolchs. Foto: Annette Westermann, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt
Verbreitung des Bergmolchs in Sachsen-Anhalt - Abb.: Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt.

Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT) kürt seit dem Jahr 2006 jährlich zusammen mit weiteren Kooperationspartnern ein Reptil oder Lurch des Jahres, um auf die starke Gefährdung unserer heimischen Lurche und Kriechtiere aufmerksam zu machen.

Im Jahr 2019 wurde eine unserer schönsten und farbenprächtigsten Arten zum Lurch des Jahres gewählt, der Bergmolch – Ichthyosaura alpestris (Laurenti, 1768).

Merkmale

Der Bergmolch gehört zu den kleineren Molcharten und erreicht eine Körperlänge von ca. 80 mm (Männchen) bzw. 110 mm (Weibchen). Unter den heimischen Lurchen sticht der Bergmolch aufgrund seiner auffälligen Farbenpracht, die eher an eine tropische Art als an einen heimischen Molch erinnert, besonders hervor. Zur Zeit des Wasseraufenthalts verändert er sein Aussehen und legt seine imposante und kontrastreiche Wassertracht an. Die Männchen sind dann durch ihre dunkelblaue bis graue Rückenfärbung, den gelblich-schwarz gefleckten Rückenkamm, eine schwarze Marmorierung auf silbrigem Grund an Flanken und Beinen sowie den leuchtend orange-roten und ungefleckten Bauch unverwechselbar. Die Weibchen sind in Wassertracht etwas schlichter gefärbt und auf der Oberseite graubraun bis dunkelblau marmoriert, ein Rückenkamm fehlt ihnen. Ihr Bauch ist ebenfalls orangefarben und ohne Flecken. In der Landtracht sind beide Geschlechter unscheinbarer und auf der Oberseite dunkler gefärbt. Der Rückenkamm und die Schwanzflossensäume sind deutlich kleiner, der Bauch ist weniger intensiv gefärbt.

Verbreitung

Der Bergmolch ist eine mitteleuropäische Art, die von der französischen Atlantikküste bis in die Karpaten Rumäniens und der Ukraine verbreitet ist. Im Norden reicht das geschlossene Verbreitungsgebiet bis nach Norddeutschland, die südliche Verbreitungsgrenze verläuft parallel zur Adriaküste von Griechenland nach Norditalien bis zur Mitte Frankreichs.

Verbreitung in Deutschland

Deutschland befindet sich am Rand des Verbreitungsgebietes. Die nordöstliche Grenze verläuft etwa entlang der Elbe in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Südlich einer gedachten Linie von Nordrhein-Westfalen, über den Harz bis zum Erzgebirge kommt der Bergmolch bis auf kleinere Lücken fast flächendeckend vor. Im Norden Niedersachsens, in Brandenburg und in Schleswig-Holstein sind hingegen nur wenige, isolierte Vorkommen vom Bergmolch bekannt. In Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Bremen ist die Art nicht heimisch.

Verbreitung in Sachsen-Anhalt

In den letzten 20 Jahren hat sich der Kenntnisstand zur Verbreitung des Bergmolches in Sachsen-Anhalt deutlich verbessert. Bis zum Jahr 2000 lagen für die Art 358 Fundmeldungen vor. Durch intensivere Untersuchungen wurden seit 2001 bisher 1.060 Nachweise für die Art registriert, wobei viele Vorkommen entlang der thüringischen Landesgrenze wohl nicht mehr besiedelt sind. In Sachsen-Anhalt ist der Bergmolch aktuell in mehreren voneinander isolierten Gebieten zuhause. Die Hauptvorkommen finden sich im Harz, der flächendeckend und in hoher Dichte besiedelt wird. Außerhalb des Harzes ist er nur in den größeren Waldgebieten im Flechtinger Höhenzug, der nordwestlichen Altmark sowie im südlichen Sachsen-Anhalt heimisch. Bemerkenswert ist das weit von diesen Gebieten entfernte Vorkommen im Hochfläming bei Göritz, welches erst im Jahr 2009 neu entdeckt wurde und mit der brandenburgischen Population in Verbindung steht.

Lebensraum

Der Bergmolch lebt in Sachsen-Anhalt bevorzugt in bodenfeuchten Laubmischwäldern, besiedelt bereichsweise aber auch Kiefern- und Fichtenwälder. In seinen Landlebensräumen versteckt sich der nachtaktive Molch tagsüber unter Totholz, in Wurzelstubben, Felsspalten, Steinhaufen und vergleichbaren Strukturen, die ihm ausreichend Feuchtigkeit bieten. Zur frostfreien Überwinterung werden u. a. Keller, Fuchs- und Dachsbaue und Bergwerksstollen aufgesucht. Die Laichgewässer des Bergmolchs liegen oftmals im nahen Umfeld des Landlebensraums. Dabei nutzt die Art bevorzugt Klein- und Kleinstgewässer wie Tümpel, tiefe Pfützen, Fahrspuren, Wildschweinsuhlen, Quelltümpel und überflutete Wiesen in Bachauen. Daneben werden aber auch naturferne Gewässer wie Garten- und Stauteiche oder Feuerlöschbecken von der Art besiedelt.

Lebensweise

Aktivitätsphase und Fortpflanzung

Die Aktivitätsphase des nachtaktiven Bergmolchs beginnt im zeitigen Frühjahr je nach Witterung zwischen Februar und März. Nach dem Verlassen der Winterquartiere wandern zunächst die Männchen und etwas später die Weibchen zu den Laichgewässern. Die Wanderung hängt dabei stark von der nächtlichen Außentemperatur (über 5 °C), Niederschlägen und einer ausreichend hohen Luftfeuchtigkeit ab. In Gebirgslagen ist der Beginn der Jahresaktivität oft verzögert und wird von der Schneeschmelze beeinflusst. Am Gewässer angekommen, bildet sich nach vorheriger Häutung das farbenprächtige Paarungskleid der Bergmolchmännchen.

Die Balzzeit wird mit dem Eintreffen der Weibchen am Gewässer eingeläutet. Dabei vollzieht sich ein eindrucksvolles Schauspiel: Das Männchen präsentiert sein prächtiges Paarungskleid, umwirbt das Weibchen in einer komplexen Abfolge von Bewegungen und wedelt ihm seine Pheromone mit dem Schwanz zu. Ist das Weibchen paarungsbereit, setzt das Männchen sein Spermienpaket, die sogenannte Spermatophore, ab und lotst das Weibchen geschickt zur Spermatophore. Das Weibchen übernimmt das Spermienpaket in seine Kloake zur Befruchtung der Eizellen.

Bei der anschließenden Eiablage legt das Weibchen 100 bis 150 Eier und heftet diese einzeln mit seinen Hinterbeinen an die Blätter von Wasserpflanzen oder an Falllaub. Die nach zwei bis vier Wochen schlüpfenden Larven besitzen auffällige Außenkiemen und leben je nach Wassertemperatur und Nahrungsangebot ca. 3 Monate im Gewässer. Mit einer Größe von ca. 28 – 40 mm erfolgt die Metamorphose der Larven zwischen August und November. Dabei bilden sich die Kiemen zurück, die Metamorphlinge stellen auf Lungenatmung um und gehen mit einer Größe von ca. 40 – 50 mm an Land. Im Harz überwintern die Larven auch häufiger im Gewässer und vollziehen erst im folgenden Frühjahr als deutlich größere Larve die Metamorphose. Die Alttiere verbleiben bis etwa August und vereinzelt auch bis Ende September im Gewässer und legen nach dem Verlassen der Gewässer ihre Landtracht an. Vor dem Einsetzen der ersten Fröste werden die Winterquartiere aufgesucht. Mit einem Alter von zwei bis drei Jahren erreicht der Bergmolch die Geschlechtsreife. Seine Lebenserwartung liegt bei 7 bis 10 Jahren, er kann aber auch ein Höchstalter von bis zu 20 Jahren erreichen.

Ernährung

Als adultes Tier ernährt sich der Bergmolch räuberisch und erbeutet an Land vorwiegend kleinere Insekten und andere Wirbellose wie Würmer, Spinnen und Asseln. Im Gewässer stehen vor allem Mückenlarven, Köcherfliegen, Käferlarven, Kleinkrebse und andere aquatische Wirbellose auf seinem Speiseplan. Oftmals frisst der Bergmolch auch den Laich von anderen Lurcharten wie dem Grasfrosch.

Die Larven des Bergmolches fressen anfangs vor allem kleine Algen, Muschelkrebse und Wasserflöhe. Das Spektrum der Beutetiere erweitert sich im Laufe der Larvalentwicklung mit zunehmender Körpergröße.

Feinde

Wie bei vielen Lurcharten spielen im Gewässer vor allem Fische und Ringelnattern eine große Rolle als Fressfeinde für adulte Bergmolche. In den flachen Laichgewässern werden sie auch häufig Opfer von Störchen, Graureihern oder Wasseramseln. Die Eier und Larven fallen häufig Fischen zum Opfer, daneben gelten Libellen- und Schwimmkäferlarven als bedeutendste Fressfeinde von Bergmolchlarven. Der Fischbesatz von Kleingewässern schließt deshalb häufig ein gleichzeitiges Vorkommen des Bergmolchs aus.

Gefährdung und Schutz

Der Bergmolch ist vor allem durch den Verlust seiner Laichgewässer in den Waldgebieten gefährdet. Zum einen werden die oftmals von der Art genutzten Kleinstgewässer wie Pfützen und Fahrspuren durch den fortschreitenden Ausbau und die Befestigung von Waldwegen direkt zerstört. Zum anderen erfolgt häufig auch eine indirekte Degradierung oder Zerstörung geeigneter Laichgewässer durch das Einsetzen von Fischen oder eine zu intensive Nutzung als Wildschweinsuhle.

Der Bergmolch ist wie alle Lurche und Kriechtiere nach den Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes und der Bundesartenschutzverordnung „besonders geschützt“. Er darf daher weder gefangen, noch verletzt oder getötet werden. Auch die Lebensstätten der Art dürfen nicht beschädigt oder zerstört werden. In der Roten Liste der Lurche und Kriechtiere Sachsen-Anhalts wird für die Art eine Gefährdung angenommen (Kategorie G).

Zum Erhalt und der Verbesserung der Lebensbedingungen unseres Bergmolches kann Jeder und Jede einen Beitrag leisten. Insbesondere die Neuanlage von Kleinstgewässern wie Tümpel und Gartenteiche, oder das Belassen von wassergefüllten Fahrspuren und Pfützen sind geeignete Maßnahmen, um dem Bergmolch zu helfen. Der heimische Gartenteich sollte vor allem vegetationsreiche Flachwasserzonen aufweisen und fischfrei sein, um dem Bergmolch und anderen Lurchen ein geeignetes Zuhause bieten zu können. Tages- und Winterverstecke können durch die Anlage von Steinhaufen- und Totholzstrukturen im Gewässerumfeld geschaffen werden.

Besonderheiten

Beim Bergmolch tritt die sogenannte Neotenie, die von vielen Schwanzlurchen bekannt ist, besonders häufig auf. Dabei vollzieht der Bergmolch keine vollständige Metamorphose, sondern behält seine larvalen Merkmale wie die Außenkiemen, verbleibt im Wasser und erlangt dort die Geschlechtsreife und kann sich fortpflanzen. Gegenüber dem Grottenolm oder dem Axolotl, die obligatorisch neoten sind, handelt es sich beim Bergmolch um eine fakultative Neotenie, die häufig von äußeren Umweltbedingungen ausgelöst wird.

Beobachtungsmöglichkeiten

Beobachtungen des Bergmolchs gelingen am besten an den Laichgewässern zur Balzzeit im zeitigen Frühjahr (März bis Ende April). An den Tümpeln kann man die Molche tagsüber bei Sonnenschein regelmäßig dabei beobachten, wie sie zum Luftholen an die Wasseroberfläche schwimmen. Mit etwas Glück und Geduld gelingt auch die Beobachtung des interessanten Balzverhaltens von Männchen und Weibchen. Für Zählungen der Tiere eignet sich am besten das nächtliche Ableuchten der ufernahen Flachwasserzonen. Beobachtungen des Bergmolches und anderer Luche können jederzeit gern an den Landesarbeitskreis Feldherpetologie Sachsen-Anhalt gesendet werden (feldherpetologie-lsa@web.de). Alle Lurch-Meldungen werden dort in einer landesweiten Datenbank gesammelt, um einen aktuellen Überblick zu den Beständen zu erhalten und rechtzeitig Schutzmaßnahmen zu unterstützen.

Dank

Ich danke Annette Westermann und dem Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt für die Bereitstellung der Fotos und Abbildungen.

 

Literatur

Berger, H. & R. Günther (1996): Bergmolch – Triturus alpestris (Laurenti, 1768). – In: Günther, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. – Fischer Verlag, Jena. 104–120.
Westermann, A. (2015): Bergmolch – Ichthyosaura alpestris (Laurenti, 1768). – Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. 107–118
Schulte, U. & A. Nöllert (2019): Der Bergmolch – Lurch des Jahres 2019. – Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT). 4–31.