Die Gewöhnliche Fichte und der Klatsch-Mohn

Baum und Blume des Jahres 2017

von Eberhard Große | Ausgabe 1-2017 | Natur und Umwelt

Picea abies (L.) H. KARST. | Zeichnung: U. Braun (Berlin) Pfeil = Hinweis auf wichtige Merkmale, |———| 1 cm-Maßstab,   - - -  Zuordnungslinie, US = Unterseite.
Die Rasterkarte der Gemeinen Fichte ist ein Auszug aus der Datenbank Blütenpflanzen, Teil Sachsen-Anhalt. – Das  Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt hat freundlicherweise den Abdruck der Datenbank erlaubt.
Klatschmohn-Feld, Foto: Jürgen Domes
Papaver rhoeas L. l Zeichnung: S. Kunath (Jena), Pfeil = Hinweis auf wichtige Merkmale, |———| 1 cm-Maßstab, OS = Oberseite  + Schnittstellen zusammengehörender Teile.
Die Rasterkarte des Klatsch-Mohns ist ein Auszug aus der Datenbank Blütenpflanzen, Teil Sachsen-Anhalt. – Das  Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt hat freundlicherweise den Abdruck der Datenbank erlaubt.

Die Gewöhnliche Fichte

Zum Namen

Zu den einheimischen Nacktsamigen Pflanzen (Gymnospermae) gehört neben anderen systematischen Gruppen die Unterklasse der Nadelhölzer (Pinidae = Coniferae). Zur letzteren gehört die Pflanzenfamilie der Kieferngewächse (Pinaceae LINDL.) mit ihren Gattungen Tanne, Fichte, Lärche und Kiefer. Während sich aus etymologischer Sicht der deutsche Gattungsname Fichte von dem althochdeutschen (ahd.) fiotha bzw. dem neuhochdeutschen (nhd.) Wort vichte ableitet ([8] S. 84, [13] S. 190), bezieht sich der lateinische Name der Fichte auf „pix, picris = Pech, Harz“ und müsste nach ([14] S. 403) eigentlich „Pechföhre“ heißen. Der weniger gebräuchliche Name „Rottanne“ deutet auf die Farbe der Rinde hin ([9] S. 727). Wie Wenner [15] mitteilt, werden in Mitteldeutschland im Volksmund Nadelbäume pauschal als „Tanne“ und in der Altmark mehrheitlich als „Fichte“ bezeichnet. Aus Ziebig bei Dessau ist der Name „Der kleine Johannes“ überliefert ([15], vgl. [9] S. 729).

Beschreibung

Die heimische Gewöhnliche oder Europäische Fichte ([Picea abies (L.) H. KARST.], Nomenklatur nach [7] S. 122) ist ein immergrüner Nadelbaum, der eine Wuchshöhe bis 60 m erreichen und über 300 Jahre alt werden kann. Unten ist eine tellerförmige Hauptwurzel mit vielen flach im Boden wachsenden Seitenwurzeln ausgebildet. Das Holz des aufrecht wachsenden Stammes ist gleichförmig gebaut. Im Unterschied zu den Bedecktsamern besitzt es keine echten Gefäße. Beim sekundären Dickenwachstum bildet der geschlossene Kambiumring nach innen das Holz (Xylem) und nach außen den Bast (Phloëm). Im jungen Zustand ist die Rinde glatt und hellbraun, später verfärbt sie sich von rotbraun bis grau und blättert in dünnen Schuppen ab. Viele waagerecht abstehende oder schräg nach unten wachsende verzweigte Äste, deren Ende häufig nach oben gekrümmt sind, bilden entweder eine spitz-kegelförmige oder eine spitz-pyramidenförmige Krone (vgl. [3]).
Die auf einer kleinen Wulst (= Nadelkissen) einzeln wachsenden, festen aber biegsamen, allseitig abstehenden, braun gestielten nadelförmigen Laubblätter haben einen ± vierkantigen Querschnitt. Sie werden 10 – 25 mm lang, haben einen Durchmesser von ca. 1 mm und enden mit einer Stachelspitze. Alle Seiten sind dunkelgrün. Auf ihrer Unterseite befinden sich keine weißen Wachsstreifen wie bei der flachen Tannennadel. In den Nadeln sowie in der Rinde befinden sich Harzgänge.
Bei der Gewöhnlichen Fichte treten und Blüten getrennt auf einer Pflanze auf, d. h. sie sind eingeschlechtig und einhäusig. Ihre rot bis rotgelb gefärbten Blütenstände (= Kätzchen) neigen anfangs nach unten und richten sich beim Aufblühen auf. Die Staubblätter sind spiralig angeordnet. Weil die Samenanlagen immer frei und nie von einem Fruchtknoten eingeschlossen sind, gehört die Art zu den Nacktsamern. Sie können daher keine Früchte ausbilden. Bei ihnen entwickeln sich anfangs ca. 6 cm lange und 2 cm dicke, purpurrote, aufrechte Zapfen mit spiralig angeordneten Schuppen. Je zwei Samenanlagen befinden sich auf der Samenschuppe (auch „Fruchtschuppe“ genannt) in der Achsel einer Deckschuppe. Die Deck- und die Samenschuppen sind in Größe, Farbe und Form deutlich unterschieden.
Zur Ökologie
Im Frühjahr (Mai – Juni) werden vom Wind die Pollenkörner mit den zwei seitlich befindlichen Luftsäcken durch die Luft transportiert. Dabei gelangen sie auch auf die Zapfen, genauer: in die kleine Öffnung des sogenannten Keimmundes (Mikropyle) im inneren Teil der auf der Samenschuppe befindlichen Organe. Ohne Einflüsse von außen vollziehen sich nach der Bestäubung die Befruchtung und dann die Samenreife. Nach und nach verholzen die Samenschuppen. Bis zum Oktober entwickeln sich nach unten hängende, bei der Samenreife hellbraune, 8 – 15 cm lange und 3 – 4 cm dicke Zapfen. Ihre Schuppen sind hygroskopisch. Bei trockenem Wetter öffnen sich die Zapfen, ihre auf den Samenschuppen liegenden geflügelten reifen Samen können vom Wind verbreitet werden. Später fallen die Zapfen als Ganzes ab.
Die Gewöhnliche Fichte hat in Bezug auf die Umweltverhältnisse eine weite ökologische Amplitude. Von der Temperatur ist sie relativ unabhängig. Ebenso von der Feuchtigkeit, denn der Boden kann entweder nass bis feucht, frisch oder mäßig trocken sein. Nach ([12] S. 79) wächst sie auf lockeren oder steinigen bis sandigen Lehm- oder Tonböden. Von Natur aus kommt diese Schattholzart in Mittel- und Hochgebirgen vor und ist in Nadel- sowie in Nadel-Laubmischwäldern vergesellschaftet. Wegen ihrer Anspruchslosigkeit und Schnellwüchsigkeit wurde sie vom Menschen zur Aufforstung freier Flächen nicht nur in bergigen Gegenden, sondern auch im Flachland verbreitet sowie auch in Parkanlagen angepflanzt.

Allgemeine Verbreitung

Im südlichen Mitteleuropa tritt die Art in der submeridionalen (= südlichen) und temperaten (= gemäßigten) Zone in Mittel­gebirgs- und Hochgebirgslagen als Bergwaldpflanze auf. Von dort aus erstreckt sich ihr Areal vom nordöstlichen Mitteleuropa in die boreale (= nördliche) Zone, wo sie als Art der „Ebenen-Vegetation“ gedeiht ([11] S. 3). Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich also von den Alpen bis in das Gebiet zwischen Weichsel und Wolga (vgl. [10] Karte 20 d).

Verbreitung in Sachsen-Anhalt

Die Kartierung einer Art im Gelände erfolgt auf der Grundlage von Messtischblatt-Quadranten (MTB-Q). Unser Bundesland erstreckt sich über 718 MTB-Q. Von den in 534 MTB-Q erfassten Populationen (= 100 %) treten ab 1992 Gewöhnliche Fichten in 478 MTB-Q (= 66,57 % der Fläche) auf. Die in 56 MTB-Q (= 7,79 %) bis 1991 festgestellten Populationen konnten dagegen nicht mehr bestätigt werden. Aus der Kartierung ist nicht ersichtlich, welche Vorkommen spontan (wie im Harz) bzw. durch den Menschen in das Gebiet gelangt sind. Da steht die Frage im Raum: Warum ist die Fichte zum Baum des Jahres gewählt worden? Sie „ist der Symbolbaum für gelungene Wiederbewaldung in Deutschland: Holznot im 18. und 19. Jahrhundert, Reparationshiebe und Wiederaufbau machten die Baumart in der Forstwirtschaft viele Jahre unersetzlich“ [1]. Vor allem liefern die Fichtenreinbestände gute Holzerträge. Doch die Beliebtheit der Fichte hat auch Schattenseiten, denn es kommt zur Versauerung und zu Nährstoffverlusten des Bodens. Heute wird daher die Fichte meist mit anderen Baumarten in Mischwäldern angebaut.

Wirtschaftliche Nutzung

Große Beliebtheit hat die Gewöhnliche Fichte als Zierbaum, aber auch als Mai- und als Weihnachtsbaum erlangt. In der Industrie dient ihr Holz z. B. als Rohstoff für Bauzwecke wie Türen, Bretter oder Balken. Die Rinde ist die Grundlage für Gerberlohe. Diese Baumart liefert auch wichtige Rohstoffe für Heilmittel. Aus dem Fichtenholz wird Nadelholzteer gewonnen, der Entzündungen hemmt, Juckreiz stillt und antiinfektiös wirkt ([4] S. 100). Ihre Nadeln enthalten ätherische Öle, die bei Infektionen der Atemwege zur Heilung sowie zur Herstellung von Franzbranntwein eingesetzt werden [5]. Darüber hinaus können frische Triebspitzen zum Würzen von Frischkäse verwendet werden [5].

Der Klatsch-Mohn

Zum Namen

In unserem Bundesland ist der zur Pflanzenfamilie Mohngewächse (Papaveraceae JUSS.) gehörende Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas L.) verbreitet. Das kommt nach der Liste von Wenner [15] auch in den vielen Volksnamen zum Ausdruck, von denen hier aus Platzgründen nur wenige genannt werden können. Während „Klatschmahn“ ([2] S. 516) und „Mahn“ ([2] S. 593] im gesamten Gebiet allgemein als Volksnamen auftreten, kommt im Areal zwischen „Ohre und Harz einschließlich Börde [und] Anhalt“ der volkstümliche Name „Knackrose“ ([2] S. 569) vor. Letzterer Name geht nach PAUL ([13] S. 412) auf: „spätmhd. mân, älter mâhen“ zurück. Der Name „Klatschrose“ ist für das „Harzgebiet, südliche Börde, Gebiet um Aschersleben, Calbe westliches Anhalt“ ([2] S. 516) belegt. MARZELL ([9] S. 544) führt diesen Namen auf ein Spiel zurück: „Die Kinder klatschen mit den dünnen Blütenblättern.“

Beschreibung

Das einjährige Ackerwildkraut hat einen aufrechten, zwischen 25 und 90 cm langen, meistens verzweigten Stängel. Daran befinden sich borstige und abstehende Haare und wechselständig angeordnete Blätter. Während die unteren Laubblätter eine gestielte, ± längliche, einfache bis fiederschnittige Fläche haben, ist die sitzende Spreite der oberen oft dreiteilig. Deren Rand kann entweder grob eingeschnitten oder gesägt sein. Im Knospenzustand werden die achsel- und endständigen Blüten von zwei grünen, dicht behaarten, „eiförmig ausgehöhlten Kelchblättern umschlossen“ ([9] S. 534). Diese fallen aber bald ab. Die vier hinfälligen, rundlichen, etwa 2 – 4 cm großen, blutroten Kronblätter haben an ihrem Grund einen glänzenden, schwarzen Fleck. Weiter innen befinden sich viele Staubblätter sowie der kegelförmige oberständige Fruchtknoten, dessen sitzende Narbenscheibe 8 – 12 Narbenstrahlen aufweist. Der Fruchtstand ist eine breit-eiförmige, etwa doppelt so lange wie breite Kapsel mit mehreren Radialwänden. Aus den Poren der Kapsel gelangen die reifen, dunkelbraunen Samen nach außen.

Zur Ökologie

Dieser Kulturbegleiter kommt auf trockenen bis frischen, warmen und nähstoffreichen Lehmböden vor. In der Vergangenheit war er auf Äckern (besonders Getreidefeldern) verbreitet. Durch intensive Bodenbearbeitung, Herbizideinsätze, Saatgutreinigung und weitere Maßnahmen sind seine Bestände zurückgegangen. Dieser „Lebenskünstler“ ist auf Brachen, Wegränder, Abhänge oder Schuttplätze ausgewichen. Seine Pfahlwurzeln können bis 1 m in den Boden eindringen ([12] S. 401).

Allgemeine Verbreitung

Der Klatsch-Mohn ist ein anthropochores Ackerwildkraut, d. h. er kam ursprünglich nicht im temperaten Europa vor, sondern ist hier erst durch den Menschen unabsichtlich verbreitet worden. Nach ([10] S. 498) sind in Deutschland „bereits aus dem Neolithikum auch Samenfunde nachgewiesen“ worden. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich im Süden von Nordafrika über das Mittelmeer (meridionale Zone) bis zum nördlichen Europa (temperate Zone). Die West-Ost-Ausdehnung nimmt die Flächen von der Iberischen Halbinsel und den Britischen Inseln bis in den pontischen ~ (nördlich des Schwarzen Meeres) sowie den Südwesten des sarmatischen Raumes (zwischen Weichsel und Wolga) ein (vgl. [10] K 172 b).

Verbreitung in Sachsen-Anhalt

Von den in insgesamt 679 MTB-Q vorgefunden Populationen der Segetalart konnte ab 1992 der Klatsch-Mohn in 649 MTB-Q (= 90,39 % der Landesfläche) aufgefunden werden. Dagegen war er in 30 MTB-Q (4,18 %), wo er bis 1991 nachgewiesen worden ist, nicht mehr vorhanden. Die gegenwärtige Verbreitung in Sachsen-Anhalt soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch die Intensivierung in der Landwirtschaft, die Herbizideinsätze, Saatgutreinigung u. a. Maßnahmen diverse Ackerwildkräuter wie die Kornblume in ihren Beständen entweder zurückgegangen oder wie beispielsweise die Korn-Rade völlig verschwunden sind. In diesem Zusammenhang muss auf den enormen Rückgang der Artenvielfalt nicht nur bei den Ackerwildkräutern, sondern auch von den von ihnen abhängigen Insekten und Spinnen hingewiesen werden. Denn letztere dezimieren landwirtschaftliche Schädlinge wie z. B. Blattläuse. Eine „Verarmung der Ackerlebensgemeinschaften ist also auch für die Landwirtschaft ein ernstes Problem“ [6].

Wirtschaftliche Nutzung

Ein aus den Kronblättern zubereiteter Aufguss kann bei Schlafstör­ungen helfen. Nach Wurzer ([16] S. 417) ist auch eine Linderung bei Keuchhusten oder Asthma durch eine Förderung des Auswurfs und das Mildern von Bauchschmerzen möglich. Wegen der schwachen Giftigkeit der Pflanzenteile ist diese Anwendung aber nicht zu empfehlen.

Literatur

[1] baum-des-janres.de/index.php?id47&tx_ttnews[tt_n…]
[2] Bischoff, Karl (Begründer); Kettmann, Gerhard (Hrsg.); Bader, Hans-Jürgen; Möhring, Jörg; Wenner, Ulrich (Bearb.): Mittelelbisches Wörterbuch. Bd. 2: H-O. Berlin 2002.
[3] Conert, Hans J.; Hamann, Ulrich; Schultze-Motel, Wolfram; Wagenitz, Gerhard (Hrsg.): Gustav Hegi, Illustrierte Flora von Mitteleuropa. – Markgraf, Friedrich; Zoller, Heinrich (Hrsg.): Pteridophyta, Spermatophyta. Bd. I T. 2: Gymnospermae, Angiospermae, Monocotyledoneae 1. 3., völl. neubearb. Aufl. Berlin, Hamburg 1981, S. 11 – 62.
[4] Ennet, Diether: BI Lexikon Heilpflanzen und Drogen. Leipzig 1988.
[5] https://de:wikipedia.org/wiki/Gemeine_Fichte
[6] https://www.nabu.de/news/2016/11/21440.html
[7] Jäger, Eckehart J. (Hrsg.): Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 20., neu bearb. u. erw. Aufl. Heidelberg 2015, S. 120 – 125, 327 – 332.
[8] Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 4., verb. Aufl. Straßburg 1889.
[9] Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. 3. Bd. Stuttgart u. Wiesbaden, Nachdruck Köln 2000. S. 724–747.
[10] Meusel, Hermann; Jäger, Eckehart; Weinert, Erich (Hrsg.): Vergleichende Choro­logie der zentraleuropäischen Flora. Bd. I. Jena 1965.
[11] Meusel, Hermann; Jäger, Eckehart; Rauschert, Stephan; Weinert, Erich (Hrsg.): Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora. Bd. II. Jena 1978.
[12] Oberdorfer, Erich: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Süddeutschland und die angrenzenden Gebiete. 3., erw. Aufl. Stuttgart 1970.
[13] Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch. Halle (Saale). 7. Aufl. 1960.
[14] Schubert, Rudolf u. Wagner, Günther: Pflanzennamen und botanische Fachwörter. Leipzig, Radebeul. 8., neu bearb. u. erw. Aufl. 1984.
[15] Wenner, Ulrich: E-Mail vom 24. 11. 2016: Klatschmohn und Fichte im Me Wb. (vgl. 2 Bischoff, Karl u. a.: Mittelelbisches Wörterbuch, 2. Bd.).
[16] Wurzer, Walter: Die große Enzyklopädie der Heilpflanzen. Ihre Anwendung und ihre natürliche Heilkraft. Klagenfurt 1994.