Eine Whisky-Reise durch Sachsen-Anhalt

von Christian Marlow | Ausgabe 3-2018 | Kulturlandschaft

Braugerste. © Matthias Schulz, Edeldestille Diesdorf
Matthias Schulz beim Überprüfen des Brennvorganges. © Matthias Schulz, Edeldestille Diesdorf
Ein abgefülltes Whiskyfass geht ins Lagerhaus. © Matthias Schulz, Edeldestille Diesdorf
Stefan Schulz beim Einmaischen © Matthias Schulz, Edeldestille Diesdorf
Die Maische © Matthias Schulz, Edeldestille Diesdorf
Der Old-Mark Whisky. © Matthias Schulz, Edeldestille Diesdorf

Whisky, oder für die Freunde des irischen Äquivalents, Whiskey, erfreut sich seit geraumer Zeit einer steigenden Beliebtheit. Doch nicht nur in Schottland und Irland wird im hohen Maßstab Whisky gebrannt, sondern auch mittlerweile in rund 150 Destillen in Deutschland. Gerade der Single Malt Whisky erfreut sich hierzulande wachsender Anerkennung. Dieser Typ zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er „aus einer einzigen, ganz bestimmten Destillerie kommt“ [1] und dort ausschließlich aus gemälzter Gerste in kupfernen Brennblasen (pot stills) gebrannt wird. Anders verhält es sich mit einem sogenannten Blended Scotch Whisky: Dieser besteht aus einer Mischung von Single Malt und Grain Whiskys. [2] Ein Grain Whisky wird üblicherweise aus meist preiswerterem Weizen oder Mais gebrannt, sodass die Produktion dieses Whisky-Typs insgesamt wirtschaftlicher ist. Bei einem Whisky-Verschnitt (also einem Blend Whisky) leidet mitnichten die Qualität, da der Masterblender den Single Grain mitunter mit bis zu 50 verschiedene Single Malt Whiskys verschneidet. Damit kann er eine gleichbleibende Qualität und den Geschmack des Produkts sicherstellen. Bis vor einigen Jahren machte der Blended Scotch Whisky 92 % der gesamten schottischen Whiskyproduktion aus.[3]

Im Vergleich zu Schottland und Irland wird in Deutschland erst seit kurzem Single Malt Whisky produziert. In den 1980er Jahren war es Robert Fleischmann aus Eggolsheim bei Forchheim, der „zum ersten Mal ernsthaft Malt Whisky gemacht“ [4] hat. Vorher gab es zwar auch schon Whisky-Produzenten in Deutschland, aber diese kauften den Whisky in Schottland ein und verschnitten ihn mit hier erzeugten Getreidedestillaten. Ein noch heute bekanntes Beispiel ist die Marke Racke-rauchzart.

Es ist heute beinahe in Vergessenheit geraten, aber auch in der DDR wurde Whisky gebrannt. Neben dem „Goldenen Stern“ des VEB Bärensiegel in Berlin wurde auch „Der Falckner“ von dem VEB Edelbrände und Spirituosen Luckenwalde produziert. Auch die Nordhäuser Kornbrennerei hat „im Auftrag und ausschließlich für die Regierung einen Whisky namens „Smoky Springs“ [5] produziert.

Es lassen sich also durchaus gewisse Whisky-Traditionen, sowohl aus der BRD- als auch der DDR-Zeit, für das heutige Deutschland ableiten.

Auch in Sachsen-Anhalt gibt es seit geraumer Zeit heimische Whiskyproduzenten – genauer gesagt sind es seit kurzem sechs. Die südlichste Whisky-Brennerei unseres Landes – und damit die erste Station unserer Whisky-Reise – befindet sich seit 2012 in Zeitz. Daniel Rost hat in jenem Jahr angefangen, in der elterlichen Garage Whisky zu brennen und diesen in einer Gartenlaube einzulagern, bevor er 2016 die Zeitzer Whisky Manufaktur [6] gründete und damit seine Leidenschaft zum Beruf machte.

Die Idee des Whiskybrennens kam ihm während eines Aufenthalts in den Bergen Schottlands.[7] „Der lange Weg von Planung und Genehmigungen führte auf manch ungewöhnlichen Pfaden durch Amtsstuben und Behörden. Dabei kam es nicht selten vor, dass man das Ziel schon vor Augen hatte und wieder zurück auf Los geschickt wurde.“ [8] Doch mit der Unterstützung seiner Familie und seiner Freunde war es im Jahr 2017 soweit: Der erste Whisky wurde in der Manufaktur abgefüllt und war nach kurzer Zeit ausverkauft. Heute bietet Daniel Rost unter anderem einen Peated [9] Single Malt Whisky und einen Single Grain Whisky an. Neben Whisky kann er seinen Kunden auch verschiedene Liköre, (Obst-)Brände und Gin offerieren. Mit dieser recht breiten Produktpalette ist es möglich, die Mindestreifezeit von Whisky (3 Jahre) [10] zu überbrücken.

Auch im ca. 40 km nordwestlich von Zeitz gelegenen Schloss Neuenburg [11] in Freyburg (Unstrut) wird seit kurzem Whisky gebrannt und verkauft. Unter anderem wird ein „Schlosswhisky“ mit 44,6% Vol. angeboten. Die Bernsteinfarbe des Whiskys resultiert „aus der Lagerung (2 Jahre) in neuen Fässern aus deutscher Spessarteiche und einem anschließenden Finish im Grauburgunderfass aus amerikanischer Eiche.“ [12] Neben kräftigen Röst- und Malzaromen findet sich eine ganze Reihe von Fruchtaromen.

Hinter dem Freyburger Whisky-Projekt steckt Matthias Hempel, der im Zuge der Finanz- und Bankenkrise 2010 seinen Job in der Bankwirtschaft aufgab und sich mit Hilfe der Abfindung einer „bodenständigen neuen Aufgabe“[13]  widmen wollte. Im Jahre 2013 hat er seine Ausbildung zum Brenner an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim zum Abschluss gebracht. Neben Whisky stellt er heute vor allem Edel- und Weinbrände sowie Saale-Unstrut Weine (u. a. Müller-Thurgau, Silvaner Spätlese, Spätburgunder) her.

Eine lange Brenntradition im ca. 50 km nördlich gelegenen Langen­bogen, einem Ortsteil von Teutschenthal, gibt es seit 1855. Aber erst seit 2010 werden in der „Gerhard Büchner Feindestillerie am Süßen See“ [14] Whiskys, Edelbrände und Rum hergestellt. Der Inhaber Gerhard Büchner kann drei unterschiedliche Single Malt Whiskys anbieten, die jeweils in verschiedenen Fässern reifen. Während „Whisky Nr. 1“ zwei Jahre in Bourbonfässern [15], zwei weitere Jahre in Weißweinfässern und zum Schluss ein Jahr in Sherryfässern lagerte, reifte beispielsweise „Whisky Nr. 3“ mindestens drei Jahre in Weißweinfässern und anschließend ein Jahr in Sherryfässern.[16] Gerhard Büchners Maxime für seinen Single Malt Whisky war und ist: „Das schottische Hochland hat mit Sicherheit seine Besonderheiten, doch unser Ziel ist es nicht nachzuahmen, sondern etwas eigenes, mit der Region Verwachsenes zu schaffen.“ [17] Auf die Frage der Motivation, Whisky herzustellen, weiß Frau Büchner eine einfache und klare Antwort: „Whisky lag und liegt im Trend“ [18]. Dazu kam der glückliche Umstand, dass die nahegelegene Landsberger Brauerei über eine eigene Mälzerei verfügt und damit der Rohstoff Gerstenmalz zum Whiskybrennen schnell und regional verfügbar ist. Heute lagern über 100 gefüllte Whiskyfässer in der Feindestillerie Büchner.

Etwa 130 km nordwestlich von Langenbogen, in Rohrsheim bei Osterwieck, stellt die Manufaktur Demmel & Cie seit 2007 neben (Bio)Edelbränden, (Bio)Feinölen und (Bio)Fruchtsäften auch drei verschiedene (Bio)Whiskys [19] her. Die Palette umfasst einen „Fallsteiner Premium Blend Whisky“, einen „Fallsteiner Single Cask Whisky“ [20] und einen „Fallsteiner Superior Vintage Whisky“. Der fünf Jahre gereifte Fallsteiner Single Cask Whisky hat in diesem Jahr eine „Top-Empfehlung“ im Whisky-Guide Deutschland erhalten.[21] Neben der Bernsteinfarbe werden vor allem die Geschmacksnuancen hervorgehoben: „Milde Würze, leicht süß, Honig und Kirsch, Vanille.“ Der Abgang sei langanhaltend und gehe mit einer harmonischen Schärfe sowie einer Schokoladennote einher. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zeichnete zudem die Manufaktur Demmel & Cie in den Jahren 2016 und 2017 mit dem Preis für langjährige Produktqualität aus.[22] Vermutlich aus diesem Grund sind die angebotenen Abfüllungen in der Regel schnell ausverkauft. Auf die Frage, warum sich der heutige Seniorchef Hans Günter Demmel für die Whiskyproduktion entschieden hat, antwortete er: „Man kam von außen an uns heran und fragte, ob wir nicht einmal Whisky herstellen könnten.“ [23]

Anders verhielt es sich bei Jürgen Eckhart, der im ca. 90 km nordöstlich von Rohrsheim gelegenen Lindhorst bei Colbitz 2005 [24] zunächst eine Spezialitäten-Brauerei gegründet hat. Nach der Etablierung seiner Bier-Spezialitäten auf dem heimischen Markt suchte der Braumeister nach einem zweiten wirtschaftlichen Standbein und investierte 2015 in eine moderne Brennanlage, die neben Obst- und Kornbränden auch Whisky herstellen kann.

Jürgen Eckarts Ziel war und ist es, einen Whisky zu schaffen, der sich geschmacklich, aber auch qualitativ von den Massenprodukten unterscheidet.[25] Heute bietet Jürgen Eckhart auf seiner Homepage vier verschiedene Single Malt Whiskys an: einen Single Malt Whisky mit einem finish [26] in Cognacfässern, einen Single Malt Whisky mit einem finish in Sherry-Fässern, einen lightly peated Single Malt Whisky mit einem finish in Sherry-Fässern und einen medium peated Single Malt Whisky ebenfalls mit einem finish in Sherry-Fässern. Mit dieser breiten Palette an verschiedenen Single Malt Whiskys verspricht dieser Whisky-Hersteller verschiedene Geschmacksnoten, von süß und fruchtig bis rauchig und torfig (oder beides).

Zur letzten Station dieser Whisky-Reise durch Sachsen-Anhalt muss man von Lindhorst etwa 90 km Richtung nach Nordwesten, nach Diesdorf in der Altmark, fahren. Die Süßmost- und Weinkelterei der Familie Schulz stellt seit fast 80 Jahren hochwertige Obstsäfte, Fruchtweine und Obstdestillate her. Ihre eigene Maxime lautet: „Wir legen stets Wert auf eine starke Regionalität, die nachhaltig und umweltschonend ist und verstehen uns als Alternative zur standardisierten Getränkeproduktion.“[27] Im Jahre 2008 wurde eine neue Destille gebaut, mit der auch Whisky gebrannt werden kann. Sechs Jahre später war es soweit: 2014 wurde der erste altmärkische Single Malt Whisky abgefüllt. Der Geschäftsführer und passionierte Dudelsackspieler Matthias Schulz hat schon seit seinen Jugendjahren einen engen Bezug zu Schottland bzw. zu den Highlands und später auch zu dem schottischen Nationalgetränk „Whisky“.[28] Vor diesem Hintergrund war und ist die Herstellung eines altmärkischen Whiskys beinahe zwangsläufig, doch soll dieser keine Kopie des schottischen Originals sein, sondern einen markant eigenen (altmärkischen) Charakter haben.[29]

Der Name „Oldmark Single Malt Whisky“ „verbindet seine geographische Herkunft mit der Geschichte der plattdeutschen Sprache, die bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in der ‚Olde Mark‘ vorherrschte.“ [30] Seine Reifung erfährt das frische Destillat für mindestens drei Jahre in französischen Limousin [31]-Eichenfässern und deutschen Spessart-Eichenfässern. Zweimal im Jahr finden Abfüllungen statt und gerade die Sondereditionen („Pipers Edition“)[32] sind schnell ausverkauft.

Am Ende dieser Whisky-Reise durch Sachsen-Anhalt bleibt festzuhalten, dass sich seit den ersten Versuchen im Westen Deutschlands in den 1980er Jahre deutschen Single Malt Whisky herzustellen, unglaublich viel getan hat. Etwa 20 Jahre nach der politischen Wende 1989 hat sich auch in unserem Bundesland eine kleine, aber vielfältige Whisky(-„Industrie“) entwickelt. Die Verkaufszahlen, aber auch die ständigen Produkterweiterungen zeigen, dass die sachsen-anhaltischen Whiskys ihre Liebhaber oder anders ausgedrückt – einen treuen Kundenstamm – gefunden haben. Eine gemeinsame Vermarktung oder die Einrichtung eines Whisky-Pfades durch Sachsen-Anhalt, in Verbindung mit einer Besichtigung der jeweiligen Sehenswürdigkeiten vor Ort, würde sicherlich einen wichtigen Beitrag zu einer überregionalen Beachtung der heimischen Whiskys leisten.

 

[1] Schobert, Walter: Das Whiskylexikon, Frankfurt am Main 62014, S. 517.

[2] Neben Single Malt Whisky und Blended Scotch Whisky gibt es noch eine Fülle anderer Whisky-Typen und -Arten. Vgl.: Maclean, Charles: Whiskys der Welt. Destillerien, Marken, Whisky-Touren, München 2010, S. 12 – 13.

[3] Vgl.: Ebd., S. 12.

[4] Schobert, S. 197.

[5] Ebd., S. 156.

[6] https://www.whisky-zeitz.de/.

[7] Telefoninterview vom 11. 12. 2017.

[8] https://www.whisky-zeitz.de/unsere-brennerei/.

[9] peat (engl.)=Torf. Die gemälzte Gerste wird über Torffeuer getrocknet. Dadurch entsteht ein Whisky mit rauchigen, torfigen und in Teilen medizinischen Noten.

[10] Vgl.: http://www.legislation.gov.uk/uksi/2009/2890/regulation/3/made und http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=uriserv:OJ.L_.2008.039.01.0016.01.DEU.

[11] http://www.schlossbrennerei.eu/.

[12] Vgl.: http://www.schlossbrennerei.eu/Schlosswhisky_3__446__vol__51.htm.

[13] http://www.schlossbrennerei.eu/ueber-mich.php.

[14] Vgl.: http://www.gerhard-buechner.de/.

[15] In diesen Fässern lagerte vorher amerikanischer Bourbon-Whisky.

[16] Vgl.: http://www.gerhard-buechner.de/Whisky.

[17] Ebd.

[18] Telefoninterview vom 11. 12. 2017.

[19] Nach der DE-Öko-005 Deutsche Landwirtschaft (Bio-Siegel).

[20] „Single Cask“ bedeutet, dass der Whisky aus einem einzelnen Fass in die Flasche abgefüllt wurde.

[21] Vgl.: Tacke, Heinfried: Whisky-Guide Deutschland, Tägerwilen 2017.

[22] Vgl.: http://www.dlg.org/plp_spirituosen.html.

[23] Telefoninterview vom 18. 12. 2017.

[24] 2007 wurde das Brauhaus eröffnet. Vgl.: http://www.brauerei-eckart.de/brauerei.php.

[25] Vgl.: Telefoninterview vom 13. 12. 2017.

[26] „Finishing“ bedeutet, dass der Whisky nach einer mehrjährigen Fassreifung in ein zweites (oder danach drittes) Fass umgefüllt wird, „um so die Einflüsse von mehreren Fasssorten, …, zu nutzen“. Vgl.: Schobert, S. 195.

[27] Vgl.: http://www.diesdorfer.de/.

[28] Vgl.: Imagefilm des Familienunternehmens Schulz: https: //www.youtube.com/ watch?v=HujkcW4z6uA&feature=youtu.be.

[29] Ebd.

[30] Vgl.: http://www.diesdorfer.de/.

[31] Region in Zentral-Frankreich.

[32] Ein leicht rauchiger Whisky mit Fassstärke von 56 % Vol. Vgl.: http://www.diesdorfer.de/produkte/oldmark-whisky/.