Frischer Wind in alten Mauern

Der „Kaisersaschern e. V.“ errichtet einen Kunstraum in Pobles bei Lützen

Lüder Laskowski | Ausgabe 3-2021 | Bürgerschaftliches Engagement | Kunst

Fundstücke. Foto: Moritz Götze
Freiwillige. Foto: Moritz Götze
Es geht vorwärts. Foto: Moritz Götze
Die Ruine. Foto: Moritz Götze

Im September 2020 schlug sich eine Gruppe von Enthusiasten nach langer Zeit zum ersten Mal wieder eine Schneise durch das Dickicht auf dem alten Kirchhof. Als sie schließlich im ehemaligen Kirchenschiff der zur Ruine gefallenen Kirche St. Gangolf in Pobles bei Lützen standen, waren sie sich darin einig, dass es eigentlich schon kurz nach zwölf für das älteste und markanteste Gebäude der Doppelorte Kreischau/Pobles im Grunautal ist. So romantisch das im Sonnenlicht spielende Blätterdach und die zerfallenen Sandsteinmauern auch wirkten, es musste etwas getan werden. Bis ins 10. Jahrhundert zu Heinrich I. geht die christliche Baugeschichte an diesem Ort zurück. Die nun noch vorhandenen Reste des einst in opulentem Spätbarock ausgestatteten Gotteshauses stammen aus dem 15. und 18. Jahrhundert. Ende der 80er Jahre beschleunigte sich der auch nach der Wende nicht aufgehaltene Verfall.

Schnell war allen klar, dass dieser magische Ort großes Potential hat. Das Grabmal von Friedrich Nietzsches Großvater liegt gleich neben der heutigen Ruine, wie auch die Gruft des „Edlen von Kleefeld“, eines Agrarreformers des frühen 19. Jahrhunderts. Hier sollte ein Ort für Kunst und Gemeinschaft entstehen, der den produktiven Austausch über Geschichte und Zukunft Mitteldeutschlands zum Thema hat: eine Kunsthalle in der Provinz, eine ehemalige Kirche als Raum für die Auseinandersetzung mit dem Geist dieses Landstrichs und ein Treffpunkt für die aktive Zivilgesellschaft. Zeitgenössische Positionen bildender Kunst mitteldeutscher Provenienz oder nationaler wie internationaler Künstler, die sich mit dem genannten Gestaltungsfeld auseinandersetzen, werden hier adäquate Präsentationsmöglichkeiten bekommen. Dazu gibt es die Möglichkeit für lokale Akteure, ob Heimatverein oder Familienfest, sich den Raum in ihrem Sinne zu eigen zu machen. Das alles wird errichtet in zeitgemäßer architektonischer Form unter Bewahrung historischer Bausubstanz.

„Kaisersaschern“ als fiktiver Ort liefert dabei den inhaltlichen Rahmen für die Aktivitäten. Gesetzt hat ihn Thomas Mann als ein Symbol für die geistige und kulturelle Mitte Deutschlands in ihrer Kontinuität, aber auch in ihren harten Brüchen, den Katastrophen, ebenso ihrer Offenheit. „Kaisersaschern“ ist bei Mann der imaginäre Geburtsort des Tonsetzers Adrian Leverkühn, dem Protagonisten seines Romans „Doktor Faustus“. Der Ort wird durch den Autor zwischen Naumburg und Halle, mithin in der Nähe von Weißenfels verortet. Thomas Mann hat seinen Roman eng mit der Biographie Friedrich Nietzsches verbunden.

Inzwischen haben diejenigen, die im Spätsommer 2020 das Dickicht durchschlugen, weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden, einen Verein gegründet und die Ruine beräumt. Das Grundstück ist in Vereinsbesitz übergegangen und Einzelveranstaltungen sind in Planung. Parallel gilt es, die Ruine zu sichern und schrittweise für eine öffentliche Nutzung zu ertüchtigen. Das Projekt für die Neuaufführung des ehemaligen Kirchenschiffes ist architektonisch erarbeitet und in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege zur Baugenehmigung eingereicht. Mehrere zehntausend Euro Spendengelder und weitere finanzielle Zusagen sind zusammengekommen. Dennoch kann ein solches Projekt ohne Unterstützung der öffentlichen Hand durch Fördermittel nicht gestemmt werden. Diese Hilfe steht noch aus. Eine erste große Kunstausstellung wird im Herbst 2022 unter dem Titel „Grandtour – Made in Kaisersaschern“, als Finale eines über zehn Jahre angelegten Projektes, Arbeiten der Hallenser Künstler Moritz Götze und Rüdiger Giebler präsentieren.