Heeme in Dessau-Roßlau

Im Gespräch mit Erhardt Berner, Engagementbotschafter Kultur des Landes Sachsen-Anhalt

von Saskia Luther | Ausgabe 3-2018 | Bürgerschaftliches Engagement | Interview

Foto: Matthias Behne

Herr Berner, Sie sprechen nicht nur die Dessauer mitteldeutsche Mundart, sondern Sie setzen sich seit Jahren aktiv für die Pflege der Mundart ein. Wie sind Sie dazu gekommen?

Meine Großeltern mütterlicherseits haben unweit von Groß­paschleben, dem Geburtsort des Mundartdichters Hermann Wäschke (1850-1926), gelebt. Meine Mutter hatte von ihrer Mutter zwei Bände der berühmten „Paschlewwer Jeschichten“ von Hermann Wäschke erhalten. Auf diese Weise bin ich früh mit Geschichten in mitteldeutscher Mundart in Berührung gekommen. Und schließlich haben wir als Kinder auch auf Familienfesten den Erzählungen der Erwachsenen – manchmal eben auch in Mundart – gelauscht. Früh sind mir dabei die lautlichen Unterschiede von Ort zu Ort aufgefallen.

Im letzten Jahr haben Sie und Ihre Mitstreiterinnen und -mitstreiter der 2011 gegründeten „Mundartgruppe 2011 Dessau-Roßlau“ sich den neuen Namen Mundartgruppe „Christoph Hobusch“ gegeben. Wer war Christoph Gottlieb Leopold Hobusch eigentlich?

Das Dessauer Original Christoph Gottlieb Leopold Hobusch, genannt Friedrich, lebte von 1811 bis 1875 in Dessau. Er war ein Bürger mit viel Witz und Schlagfertigkeit. Als Gelegenheitsarbeiter, mitunter auch als Pferdekutscher, verdiente er mehr recht als schlecht seinen Lebensunterhalt und war durchaus auch dem Alkohol zugetan. Über ihn schrieben verschiedene Mundart- und Heimatdichter. Aber nur wenige überlieferte Anekdoten dürften tatsächlich von ihm selbst stammen.

Was ist denn Ihre Lieblings-Hobuschiade?

Bekannt und beliebt bei vielen Mundartfreunden ist zum Beispiel die Anekdote „Hobusch hat de Harrzorin nacktich jesähn.“ Auch ich höre und lese sie immer wieder gern:

Einmal vertraut Hobusch mitten im heißesten Sommer unter dem Siegel der Verschwiegenheit seinem Freund Nante an: „Ob d’es jloowest odder niche, heite hawwich de Harrzorin nacktich jesähn.“ Nante guckt ganz erschrocken: „Um Jotteswilln, Christoph, seik vorsichtich un rede dich nischt uffn Hals.“ Hobusch grinst listig: „Wieso denne? Is doch wahr. Ich hawwe de Frau Harrzorin nacktich jesähn und das kam so. Ich badete wie immer ohne Hose unner de Jaljnbricke un in dän Moment fuhr se mit de Kutsche iwwer de Bricke. Hawwich se nu nacktichjesähn odder nich?“

Mundart ist vielen Menschen auch heute sehr wichtig. Was sind Ihre aktuellen Vorhaben?

Mit den gegenwärtig 14 Mitgliedern unserer Mundartgruppe bestreiten wir nahezu monatlich Veranstaltungen, Lesungen und Auftritte in der Region um Dessau-Roßlau und natürlich in der Stadt selbst. Dabei streben wir an, interessierte Schülerinnen und Schüler vor allem aus den Vorstadtschulen für die Mitwirkung an den Mundartveranstaltungen zu gewinnen. Wir wollen unsere Begeisterung für die Mundart an Kinder und Jugendliche weitergeben. Über geeignete Projekte machen wir uns gemeinsam mit dem Arbeitskreis Sprache des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt e. V. Gedanken. Unsere Zusammenarbeit auch mit den Heimatvereinen der Region, dem Anhaltischen Heimatverein e. V. sowie dem Verein „VolksSolidarität 92 Dessau-Roßlau e. V.“ wollen wir ausbauen.

Welche Texte kommen auf Lesungen beim Publikum gut an?

Kurzgeschichten aus der ‚eigenen Feder‘ unserer Mitglieder und anderer Mundartautorinnen und -autoren der Stadt. Und natürlich immer wieder auch Texte von Hermann Wäschke neben den bereits erwähnten Hobuschiaden.

Wie steht die junge Generation zur Mundart?

Kinder und Jugendliche interessieren sich für vieles, die Mundart ist da wohl eher weniger dabei. Aber wir versuchen, unsere Heimatsprache auch für junge Leute interessant werden zu lassen.

Welche Aktivitäten sind Ihrer Erfahrung nach dafür besonders geeignet und welche konkrete Unterstützung wünschen Sie sich dabei von Stadt- oder Landesseite?

Erfolgserlebnisse für Kinder und Jugendliche wie z. B. Auftritte auf Mundartveranstaltungen, die dann auch in der jeweiligen Schule zur Kenntnis genommen werden, könnte ich mir als Anreiz durchaus vorstellen. Lehrerfortbildungsveranstaltungen wären auch eine gute Sache, um die Dessauer Mundart zu fördern. Unsere Mitglieder sind bereit, mit Vorträgen oder Materialien für Projekttage o. ä. in die Schulen zu gehen. Vom Kulturamt der Stadt wünschen wir uns eine noch stärkere Einbeziehung in die Gestaltung von kulturellen Höhepunkten. Wir würden uns auch über die Möglichkeit freuen, in den Medien der Stadt regelmäßig Mundartgeschichten oder -gedichte veröffentlichen zu können, sozusagen eine Mundartkolumne zu gestalten. Und schließlich wäre auch eine gewisse finanzielle Beteiligung der Stadt an unseren Projekten gut, denn wir sind ja alle ehrenamtlich tätig.

Sie sind in erster Linie wegen Ihres Einsatzes für die Mundart zum Engagementbotschafter Kultur ernannt worden, aber Sie haben sicher noch weitere Interessen ….

Seit 1990 bin ich Gründungsmitglied im Vorstand der Schützengilde Dessau e. V. und organisiere regelmäßig Veranstaltungen. Außerdem erforsche ich gemeinsam mit anderen in einer Arbeitsgruppe die Lebensdaten bzw. Wirkung von Meistern und Firmen im mittelständischen Bereich vor und nach der Wende in Dessau. Und ich organisiere den Autorenkreis „Ursula Hörig“ in Dessau-Roßlau.

Nochmal zurück zur Sprache: Was würden Sie unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben, vielleicht in Dessauer Mundart?

Wo jelacht word, da schteckt Lä’m.
Alle Sorjn flijinjn weck.
Darum hat dor Tribsinn ä’m
meestns jarnich ville Zweeck.
Wenn De in de richt’je Lare
hier uff unsn Schtarn Dein Brot ißt,
freiste Dich dor kortschn Tare,
weil De doch vill länger tot bist!

(Willy Krause, 1907 – 1995, Ortschronist und Mundartdichter aus Dessau-Waldersee), Aus: Uff’s Maul jekuhkt. Dessau 1999.

Herr Berner, viel Erfolg weiterhin bei all Ihren Vorhaben!


Erhardt Berner lebt als Rentner in Dessau-Roßlau. Er ist Inge­nieur für Maschinenbau und bereits seit Jahrzehnten ehrenamtlich für die Dessauer Heimatgeschichte und für den Schützenverein aktiv. Über die Heimatgeschichte ist er zum Engagement für die Dessauer Mundart gekommen, für deren Pflege er sich als Vorsitzender der Mundartgruppe „Christoph Hobusch“ einsetzt.

Als Engagementbotschafter Kultur des Landes Sachsen-Anhalt werden seit 2013 Bürgerinnen und Bürger des Landes berufen, die im Kulturbereich ehrenamtlich tätig sind. Die Berufung ist eine Auszeichnung für ehrenamtliche Arbeit und zugleich selbst ein Ehrenamt. Die fünf Botschafter repräsentieren bei zahlreichen Anlässen das ehrenamtliche Engagement im Kulturbereich und stehen Politik und Verbänden beratend zur Seite. Einer der durch Staatsminister Rainer Robra 2016 berufenen Engagementbotschaftern ist Erhardt Berner (Dessau-Roßlau). Er wurde vom Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. vorgeschlagen.