Klösterliche Gartenträume in Michaelstein

von Sabine Volk | Ausgabe 2-2019 | Kulturlandschaft

Sommer im Kräutergarten. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Sabine Volk im Garten Michaelstein. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Blüten historischer Apfelbaumsorten. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Bienenvolk des Michaelsteiner Imkers. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Blühender Schnittlauch im Gemüsegarten. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Brunnenstelle und  Symbolpflanzen im Kräutergarten. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Madonnenlilien und Heilziest im Kräutergarten. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Klostergarten Michaelstein. Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

Das ehemalige Zisterzienserkloster Michaelstein liegt idyllisch in einem Harztal bei Blankenburg, unweit von Wernigerode und Quedlinburg. In altehrwürdigen Räumen füllen ein Museum und die Musikakademie Sachsen-Anhalt die 1146 gegründete Abtei mit neuem Leben. Neben dem ausgeprägten musikalischen Schwerpunkt ist der gesamte Klosterkomplex inzwischen ein touristischer Anziehungspunkt, das Museum Kloster Michaelstein ist eine vielfältige Erlebniswelt aus Geschichte, Gärten und Musik an der „Straße der Romanik“ und dem Europaradweg R1. Michaelstein gehört seit 2018 auch zum Netzwerk „Gartenträume – Historische Parks in Sachsen-Anhalt“. Ein besonderer Ort, der zum Entdecken einlädt.

 

Klostergärten

Klostergärten dienten ursprünglich zur Sicherung der unabhängigen Selbstversorgung der Abtei. Innerhalb der Klausur befanden sich Kräuter-, Gemüse- und Obstgärten, außerhalb der Mauern wurden u. a. Wein-, Hopfen- und Kohlgärten bewirtschaftet, aber auch Ackerflächen für weiteres Gemüse, für Getreide, Öl- und Faserpflanzen.

Benediktiner und Zisterzienser gelten heute als Begründer des europäischen Gartenbaus. Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts sind Klöster die zentralen Kulturstätten für Pflanzen- und Heilkräuteranbau. Wesentliche Kenntnisse der klösterlichen Gartenkultur fanden sich in den Nutzgärten der Burgen und der Landbevölkerung wieder. Mit den Jahrhunderten verändern sich die Klostergärten. Die Zahl der Gartenabschnitte nimmt zu, der Zier- und Repräsentationscharakter wird dominierend, aber die Gestaltungsmerkmale bleiben erhalten.

Im Kloster Michaelstein wurden zwischen 1989 und 2010 wieder Gärten angelegt. Da ein detaillierter Klosterplan nicht existiert, wurde der Neuanlage der Gärten der St. Gallener Klosterplan und andere historische Quellen zugrunde gelegt. Zu Michaelsteins grünen Schätzen gehören inzwischen ein Kräuter-, ein Gemüse- und ein Apfelgarten mit Blumenwiese. Die Gärten beherbergen eine Vielzahl an historischen Heil- sowie Gemüse-, Obst- und Ackerpflanzen. Im Kräutergarten wachsen etwa 260 verschiedene Heil- und Nutzkräuter des Mittelalters. Das Herzstück des Gartens bilden mit Holzplanken eingefasste Hochbeete. Der Gemüsegarten präsentiert etwa 100 Pflanzenarten. Der Kreuzhof mit seinen Kletterrosen und dem Rasenkreuz sowie die Dauerausstellung „Klostergärten. Entwicklung – Nutzung – Symbolik“ ergänzen ganzjährig die Thematik von Gartenbaugeschichte und den Verbindungen zu Medizin, Ernährung, bildender Kunst sowie klösterlicher Baukunst.

Für Kinder gibt es in den Gartenräumen mit Bruder Grabolin Geheimnisvolles, Besonderes und Märchenhaftes über Gemüse, Obst und Heilpflanzen zu erkunden.

Entsprechend der Themenvielfalt der Klostergärten werden von Mai bis September verschiedene Gartenführungen und ganzjährig „KreAktive Samstage“ angeboten. Des Weiteren gibt es am ersten Mai-Samstag einen Kräutertag mit Frühlingsmarkt und im Sommer ein Gartenseminar. Für die Besucher werden außerdem Kräutersaatgut, Lavendel- und Schlafkissen aus klostereigener Herstellung angeboten.

 

Kräutergarten

Auf der Südseite der Klausur liegt der Kräutergarten, der 1990 neu angelegt wurde. Er ist umfriedet von der alten Außenmauer und bietet einen Blick auf den bewaldeten Talausgang. Ein verschütteter Brunnen, gute klimatische Bedingungen und das hervorragende Gedeihen seltener sowie wärmeverwöhnter Kräuter lassen die Annahme zu, dass sich hier bereits in alten Zeiten ein Garten befunden hat.

Der klösterliche Kräutergarten nahm früher als Heilmittellieferant eine sehr wichtige Stellung ein. Das Herzstück des heutigen Gartens bilden die mit Holzplanken eingefassten Kräuterhochbeete. Sie garantieren den wärmeliebenden Kräutern einen trockenen Fuß, gute Bodenbelüftung und leichtere Pflege. Auch die Zahlensymbolik wurde bei der Neuanlage, wie wohl früher auch schon üblich, berücksichtigt. Es sind insgesamt 24 Hochbeete – die Zahl der Tagesstunden, der Verdoppelung der Jünger Christi oder der Monate. An allen vier Seiten dieses Gartenbereiches sind jeweils vier Beete, auch rechts und links des Mittelweges. Dabei steht die Zahl für Stabilität, Stärke, Ewigkeit, vier Evangelien, Himmelsrichtungen oder Temperamente.

Im Kräutergarten finden sich viele thematische Bereiche, in die die Pflanzen eingeteilt wurden – Duft- und Wildkräuter, Sympathiepflanzen, Heil- und Gewürzkräuter, Marien- und Symbolkräuter, Zauberpflanzen sowie Färbekräuter.

 

Gemüsegarten

Seit 2000 befindet sich der Gemüsegarten an der Ostseite der Klausur. Hier war der klassische Ort klösterlicher Gärten. In Michaelstein ist er zumindest bis in das 18. Jahrhundert als bewirtschaftete Gartenanlage anzunehmen. Auf dieser Fläche befinden sich heute nach historischen Vorbildern lang gestreckte Wege und Pflanzstreifen. Die etwa 100 angebauten Pflanzenarten repräsentieren insbesondere die feinen Gemüse und Würzen der Mönchstafel sowie deren gewöhnliche Hausgemüse und Ackerfrüchte. Das pflanzliche Nahrungsmittelangebot vergangener Zeiten wird durch Feldfrüchte, Getreide, Obstsorten und essbare Blütenpflanzen ergänzt. Beispiele eingebürgerter Gemüse des 16. bis 18. Jahrhunderts sind dem klösterlichen Gemüsegarten hinzugefügt. Die ursprünglichen Anbauflächen der gewöhnlichen Ackergemüse wie Kohl und Linsen sind außerhalb der Klostermauern zu verorten. Erhalten gebliebene Inventarbücher anderer Klöster ermöglichen den Vergleich vom 8. bis 16. Jahrhundert.

Der Gemüsegarten wird in seiner Randbepflanzung entlang der Ostfassade durch alte Kletterrosensorten, deren Züchtungen vom 16. bis ins 19. Jahrhundert erfolgten, ergänzt. Ihre einmalblühende Blumenpracht riecht außerordentlich intensiv und eignet sich dazu hervorragend zum Verzehr, zum Dekorieren sowie zum Herstellen von Marmelade, Limonadensirup oder Likören. Da die Michaelsteiner Mönche dem Orden der Zisterzienser angehörten, war die Rose als Attribut der Marienverehrung vermutlich Bestandteil der Gärten.

 

Apfelpfad

Aufgereiht wie an einer Perlenkette wachsen seit 2010 historische Apfelsorten auf einem Apfelpfad. Namen wie Goldparmäne oder Gravensteiner lassen das Herz von Apfelfreunden höher schlagen.

 

Erlebniswelt Kloster

Doch nicht nur die beiden Klostergärten rechtfertigen einen Besuch im Kloster Michaelstein. Die einzigartige Kloster- und Kulturlandschaft sticht hervor. Seit jeher liegt das Kloster eingebettet in Kampanlagen, Wiesen, Wälder und zahlreiche Fischteiche.

Spannendes, nicht nur zu den klösterlichen Pflanzenschätzen, erwartet Groß und Klein in den thematischen Führungen, Workshops und Veranstaltungen. Entdecken Sie im musealen Dreiklang die Geschichte der weißen Mönche von Michaelstein, deren blühende Speisen und duftende Arzneien oder das Geheimnis der Musik. Hör- und Dufterlebnisse, besondere Einblicke in fast 900 Jahre Kulturgut in kurzweiligen 90 Minuten. Mit der „Musikmaschine des Salomon de Caus“ erleben Sie etwas Außergewöhnliches – Wasserrad betrieben, italienische Musik von der Stiftswalze und eine bewegliche Nymphenfigur begeistert die Automateninstallation mit einem einmaligem Klangerlebnis und sagenhaften Hintergründen.

Der erste Augustsonntag ist in Michaelstein ein Tag mit Festivalcharakter. Im Kloster, den Gärten und auf den Wiesen herrscht reges Markttreiben, auf den Bühnen gibt es Musik und Kleinkunst in vielen Facetten, auch für die „kleinen Besucher“. Nach dem Bummel über den Grünen Markt laden regionale Gastronomen zu Gaumenfreuden ein.

Künstler mit Leidenschaft für die Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart findet man das ganze Jahr über im Kloster. Lebendige Interpretationen, professionell präsentiert, mit dem feinen Gespür für den Zeitgeist der Musik früherer Epochen: So musizieren die Interpreten in den Michaelsteiner Klosterkonzerten. Und die Akademiekonzerte bieten eine Vielfalt vom Auftritt angehender Solo-Künstler bis zur Abschlusspräsentation im Ensemble, von klassischer Musik bis Jazz, vom Laien bis zum Profi.

An den Wochenenden der Sommermonate lockt das „Gasthaus & Hotel Zum weißen Mönch“ im Gartenlokal den Klosterbesucher zu Speis und Trank. Erleben Sie das Kloster Michaelstein also mit allen Sinnen.