Kulturlandschaftsvermittlung am Beispiel des Geopfades Wettin
von John Palatini und Gerd Villwock | Ausgabe 2-2017 | Kulturlandschaft
Der Naturpark „Unteres Saaletal“ zeichnet sich durch landschaftliche Vielfalt, Schönheit und Eigenheit aus. 2005 gegründet, erstreckt er sich vom Nordwestteil der Stadt Halle bis nördlich von Nienburg und umfasst ein Gebiet von 408 km². Charakteristisch sind seine kontrastreiche Flusslandschaft, abwechslungsreiche Oberflächenformen, darunter die Porphyrkuppenlandschaft bei Halle sowie eine große Anzahl geschützter Tier- und Pflanzenarten. Für den Naturpark nicht minder typisch sind vom Menschen beeinflusste bzw. gestaltete, durch landwirtschaftliche Nutzflächen gegliederte Kulturlandschaften, für die das Gebiet zwischen Wettin und Dobis im Saalekreis ein gutes Beispiel ist. Gemeinsam mit Äckern und Wiesen bilden hier Elemente wie Streuobstwiesen, kleine Gehölze und Ackerraine ein charakteristisches Kulturlandschaftsensemble der Agrarflur.[1] Das Gebiet ist zudem auf Grund seiner abwechslungsreichen geologischen Verhältnisse und den damit in Zusammenhang stehenden Zeugnissen des historischen Bergbaus von Interesse.[2] Steinkohle wurde hier von der Mitte des 15. Jahrhunderts mit Unterbrechungen bis 1893 abgebaut.
Landschaftliche Schönheit lässt sich zwischen Wettin und Dobis vor allem dort erfahren und genießen, wo sich Aussichten in das Saaletal und nach Westen zur Mansfelder Hochfläche mit der an ihrem Rand thronenden Halde des ehemaligen Kalisalzbergwerks Johannashall öffnen. Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen dem geologischen Untergrund und der Entstehung dieser Kulturlandschaft erschließen sich jedoch nicht ohne weiteres. Sie bedürfen der Vermittlung.
Historisch gewachsene Kulturlandschaften sind Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten. Als Teil des kulturellen Erbes befördern sie das Entstehen von regionaler Identität.[3] Für Menschen, die in ihnen leben, sind Kulturlandschaften neben den sozialen Bindungen und Traditionen ein wichtiger Teil ihrer Heimat. Darüber hinaus können sie der Erholung und dem Tourismus dienen. Gegenüber markanten Bauwerken, zumal solchen, denen ein hoher historischer Wert beigemessen wird, haben Kulturlandschaften den Nachteil, dass sie in ihrer Eigenart und Entstehung oftmals überhaupt nicht erkannt und verstanden werden. Vor diesem Hintergrund kann die Vermittlung von Kulturlandschaft unter Berücksichtigung ihrer natürlichen und anthropogenen Faktoren zwar durchaus ein touristisches Angebot darstellen, gleichzeitig handelt es sich jedoch um einen Ansatz, der die ökologische, ökonomische, historische, kulturelle und soziale Bedeutung von Kulturlandschaften möglichst breiten Bevölkerungskreisen bewusst machen möchte.[4] Dies ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil in einem solchen komplexen Verständnis von Landschaft der Schlüssel für ein modernes Heimatverständnis und eine breitere Beteiligung an einer in Zusammenhängen denkenden und planenden Heimat- bzw. Kulturlandschaftspflege liegen kann.
Ein solcher Ansatz steht im Einklang mit den Richtungsvorgaben europäischer Politik. Hingewiesen sei hier auf das Europäische Landschaftsübereinkommen des Europarates (Florenz-Konvention) aus dem Jahr 2000 (in Kraft getreten 2004), das von den Staaten und ihrer Bevölkerung fordert, „sich mehr mit der sie umgebenden Landschaft als ihrer unmittelbaren Heimat zu beschäftigen, sich um deren Wahrnehmung und Erhaltung zu bemühen sowie sich für deren sinnvolle Nutzung und (Weiter-)Entwicklung in Planung und Verwaltung sowie diskursiv vor Ort einzusetzen.“[5] Die Konvention schließt einen expliziten Bildungsauftrag ein. Demnach ist „das Bewusstsein für den Wert von Landschaften, die ihnen zukommende Rolle und die Veränderungen, denen sie unterworfen sind, zu schärfen“[6] und ferner auch der Schulunterricht im Hinblick auf die Vermittlung von „landschaftsbezogenen Werten und den sich im Rahmen des Schutzes, der Pflege und der Gestaltung von Landschaften ergebenden Fragen“ zu fördern.
Kulturlandschaftsvermittlung setzt Kenntnisse voraus, die von Wissenschaftlern sowie lokalen Heimatforschern im Rahmen der historisch-genetischen Kulturlandschaftsforschung erarbeitet werden. Dies kann von der Identifizierung früher Siedlungsspuren mit Hilfe moderner archäologischer Methoden bis zur Erfassung und Beschreibung eines historischen Meilensteins im digitalen Kulturlandschaftswiki KLEKS reichen.[7] Bürgerschaftliches Engagement spielt hier eine wichtige Rolle. Auf diesen Grundlagen lassen sich Vermittlungsansätze auf verschiedenen Ebenen und für alle Bevölkerungskreise entwickeln.
Das Veröffentlichen von Wissen über Kulturlandschaften in Buchform liegt nahe und ist für das untere Saaletal inzwischen umfänglich geschehen.[8] Für seine Besucher betreibt der Naturpark in Bernburg zudem ein kleines Informationszentrum zur Geologie, Fauna und Flora des Gebiets. Mitarbeiter des Naturparks vermitteln ihr Wissen im Rahmen von Vorträgen sowie durch Mitwirkung bei verschiedenen Qualifizierungsangeboten, darunter die Fachausbildung „Natur- und Gewässerschutz“ für die Kinder und Jugendlichen der DRK-Wasserwacht Bernburg und die vom Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. angebotene Weiterbildung „Kulturlandschaft – erfahren, erfassen, vermitteln“.[9] Hinzu treten verschiedene Vermittlungsansätze in der Kulturlandschaft selbst. So können Schulklassen den Naturpark unter Einsatz von „Entdeckerwesten“ erkunden, die mit Exkursionsmaterialien wie Becherlupe, Bestimmungshilfen und Kompass ausgestattet sind.[10] Herzstück der Vermittlungsstrategie sind schließlich die fünf, unterschiedlichen Themen gewidmeten Lehrpfade, die eigenständig oder unter Führung von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern des Naturparks begangen werden können. Die inhaltliche Vermittlung erfolgt anhand von Informationstafeln im Gelände sowie je einem Flyer.[11]
Der neueste Naturlehrpfad durch die Porphyrlandschaft zwischen Wettin und Gimritz wurde unlängst am 22. April 2017 eingeweiht. Der Geopfad Wettin existiert dagegen bereits seit 2014. Er stellt ein thematisch orientiertes Wander- und Bildungsangebot für geologisch und bergbaulich interessierte Besucher des Naturparks Unteres Saaletal dar. Als Rundweg erschließt der Geopfad das Gebiet nordwestlich der Stadt. Unterwegs werden auf zehn Tafeln die abwechslungsreichen geologischen Verhältnisse erläutert und Zeugnisse des historischen Bergbaus auf Steinkohle, Kupferschiefer und Kalisalz beschrieben. Sie verdeutlichen die Jahrhunderte lange Montangeschichte der Gegend. Darüber hinaus gibt es Informationen zur Entstehung der Oberflächenformen und zu den Veränderungen von Saale-Tal und Saale-Lauf in geologischer und historischer Zeit. Der Geopfad ist 9 km lang, weist nur mäßiges Gefälle auf und führt zumeist über Feldwege. Er ist für Wanderer und Radfahrer geeignet. Zu Fuß benötigt man ca.3 Stunden. Auf der Hälfte des Weges lädt eine Schutzhütte zur Rast ein. Ein Flyer informiert über den Wegeverlauf und die Standorte der Informationstafeln.[12] Ein Begleitheft zum Geopfad ist in Vorbereitung.
Der Rundweg beginnt und endet an der Gaststätte „Jagdhütte Wettin”. Dort bietet die Tafel 1 eine geologische Übersicht. Tafel 2 an der Halde “Großer Landschatz” befasst sich mit der Steinkohle, die hier vom 15.bis 19.Jahrhundert gewonnen wurde und ein kleinteiliges Haldenrelief hinterlassen hat. Tafel 3, nördlich der Lowitzer Berge, markiert einen Aussichtspunkt mit Blick auf das Salzspiegeltal der Wettiner Saale-Aue und das sich unterhalb von Friedeburg und Dobis anschließende Durchbruchstal. Tafel 4 befasst sich mit der neuzeitlichen Kupferschiefererkundung von 1952, die sich durch zwei langstreckte Halden bemerkbar macht. Am Feldweg nach Dobis erläutert die Tafel 5 die Entstehung des Kupferschiefers und die Technologie seines Abbaus im Mittelalter, der hier eine Kleinhaldenlandschaft hinterlassen hat. Das Mundloch des Dobiser Stollens, die Wasserhaltung im Steinkohlenbergbau und der Ausbau der Saale im 20. Jahrhundert sind Themen der Tafel 7. Am Ufer des llau-Teiches wird mit Tafel 6 die Entstehung der Flusslandschaft im Pleistozän und ihre Veränderung durch natürliche Prozesse und den Menschen in historischer Zeit erklärt. Tafel 8, am Hang der Lowitzer Berge, erläutert den Unteren Buntsandstein. Die Tafel 9 am Steilhang bei der Pögritzmühle weist auf die hier anstehenden Gesteine im Übergangsbereich vom Rotliegenden zum Zechstein hin und erläutert den Schutz dieses wertvollen Geotops. Vom Standort der Tafel 10 bietet sich ein Blick zum westlichen Saalehang mit der Kalihalde Johannashall. Hier werden die Entstehung der Lagerstätte und ihre Abbaugeschichte beschrieben.
Landschaften eine mehr oder minder große und unmittelbare Schönheit zuzubilligen, sie zu durchwandern und zu durchfahren, um diese Schönheit zu genießen, das ist das Eine. Historisch gewachsene Kulturlandschaften haben jedoch weit mehr zu bieten. Sie sind Archive menschlichen Wirkens in der Zeit, weshalb ihnen ein hoher Bildungswert zukommt. Und dies gilt auch für solche Gebiete, die in der Gegenwart von landwirtschaftlichen Nutzflächen dominiert werden. Der Geopfad Wettin vermag dies auf exemplarische Weise zu vermitteln.
[1] Vgl. Bernd Reuter, Gerd Villwock, Annette Schneider-Reinhardt, Acker, Flurgehölz und Wiese. Kulturlandschaftselemente der Agrarflur. Halle 2014 (Zur Erfassung von Kulturlandschaftselementen ; 7).
[2] Vgl. Eckhard Oelke, Gerd Villwock, Gruben, Halden und Salinen. Kulturlandschaftselemente des historischen Bergbaus. Halle 2015 (Zur Erfassung von Kulturlandschaftselementen ; 8)
[3] Franz Höchtl u. Ronald Olomski, Zur Zukunft von historischen Kulturlandschaften in Niedersachsen, in: Mitteilungen aus der NNA 27 (2016), H.1, URL: http://www.nna.niedersachsen.de/download/109233 (01.05.2017), 5-12, hier: 5
[4] Höchtl/Olomski, 7.
[5] Günther Schönfelder, Bergbau und Landeskunde, in: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 8 (2012), URL: http://www.denkstroeme.de/heft-8/s_104-130_schoenfelder (01.05.2017). Zu erwähnen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu 40 anderen Staaten bisher nicht beabsichtigt, die Konvention, an deren Erarbeitung sie maßgeblich beteiligt war, zu unterzeichnen. Vgl. dazu: Till Kemper, Der Schutz historischer Kulturlandschaften nach deutschem Recht im Lichte der Europäischen Landschaftskonvention, Diss. Tübingen 2015, URL: https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/66551/Doktorarbeit-Kemper.pdf?sequence=6&isAllowed=y (01.05.2017), 72f.
[6] http://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/0900001680080630 (01.05.2017).
[7] KLEKS – Das Kulturlandschaftswiki, URL: https://www.kleks-online.de (01.05.2017).
[8] Das untere Saaletal. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme zwischen Halle und Bernburg. Hrsg. v. Gerd Villwock und Haik Thomas Porada. Köln, Weimar, Wien 2016 (Landschaften in Deutschland ; 75).
[9] Siehe hier: http://lhbsa.de/wp-content/uploads/2017/04/Flyer_KuLa_F%C3%BChrer_2017.pdf (01.05.2017).
[10] Siehe hier: http://naturpark.unteres-saaletal.de/files/6014/3930/6746/w-Flyer_Entdeckerwesten.pdf (01.05.2017).
[11] Siehe hier: http://naturpark.unteres-saaletal.de/infothek/downloads (01.05.2017).
[12] Siehe hier: http://naturpark.unteres-saaletal.de/files/9914/3930/6921/w-Flyer_Geopfad_Wettin.pdf (01.05.2017).