Vom Trafoturm zur Wohlfühloase für Fledermäuse und Co.

Die erste Stele der Biodiversität® für Sachsen-Anhalt im Naturpark Unteres Saaletal

Johanna Majchrzak und Oliver Arndt | Ausgabe 2-2021 | Natur und Umwelt

Beginn der Malerarbeiten im Sommer 2020. Foto:  Oliver Arndt
Der neu gestaltete Trafoturm in Zellewitz. Foto: Johanna Majchrzak

Viele ursprünglich Felswände und Höhlen bewohnende Tierarten fanden seit vielen Jahrhunderten in und an von Menschenhand geschaffenen Bauwerken Lebensräume. Hierzu zählen auch bestimmte kulturfolgende Säugetier-, Vogel- und Insektenarten, welche die Gebäude als Brutplätze, Sommerquartiere oder Versteckmöglichkeiten nutzen. Durch Sanierungen oder Abriss dieser Gebäude ist bundesweit ein starker Rückgang der gebäudebewohnenden Arten zu verzeichnen.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, auch in Zukunft diesen Spezies geeignete Lebensräume vorzuhalten. Gerade im Interesse der uns nachfolgenden Generationen kann so ein Beitrag zum Erhalt dieser Arten erbracht werden.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts galten Trafohäuser in den Dörfern als ein deutliches Zeichen für den Einzug des Fortschritts auf dem Lande. Viele dieser Zeugnisse der Elektrifizierung in der ländlichen Kulturlandschaft blieben auch nach ihrer Nutzungsaufgabe erhalten und fristen manchmal im Dorfbild ein eher trauriges Dasein. In einigen Orten des Naturparks Unteres Saaletal ging man schon in den 1990iger Jahren daran, ehemalige Trafotürme als Habitate für Vögel und Fledermäuse zu gestalten. In letzter Zeit ergaben sich durch die Mitwirkung mehrerer Akteure wiederum neue Möglichkeiten, derartige Kulturlandschaftselemente durch eine professionelle Umgestaltung in „Leuchttürme der Artenvielfalt“ zu verwandeln.

In Zellewitz im Salzlandkreis befindet sich ein solcher ehemaliger Trafoturm. Dieser wurde in einem innovativen Artenschutz- und Umweltbildungsprojekt durch den Verband Artenschutz in Franken® und den Naturpark Unteres Saaletal, mit Unterstützung der Gemeinde Könnern, dem Förderverein Bildung und Arbeit e. V. aus Bernburg sowie der Deutschen Postcode Lotterie in eine Stele der Biodiversität® [1] verwandelt. Damit wurde ein Beitrag zum Erhalt der regionalen Biodiversität in einer zunehmend „ausgeräumten Umwelt“ geleistet.

Bestandteil des Projektes in Zellewitz war neben der großzügigen Schaffung von Fortpflanzungs- und Rückzugsräumen für kulturfolgende Arten auch die optische Gestaltung der Fassade. Mit den aufgebrachten Grafiken wurde ein umweltpädagogisch hochwertiger Blickfang geschaffen, der dazu dient, dem breiten Publikum das Thema Artenschutz und dessen Bedeutung für die Gesellschaft bewusst näher zu bringen.

 

Doch wie wird ein ehemaliger Trafoturm eigentlich zur Stele der Biodiversität®?

Nachdem ein geeigneter Trafoturm gefunden wurde, kommt der fachlichen Bewertung, für welche Arten das Bauwerk potenziell einen Lebensraum darstellen könnte, eine wichtige Bedeutung zu. Dabei werden Arten ausgewählt, die gezielt durch die Umgestaltung des Trafoturms gefördert werden sollen. Für diese werden dann spezielle Maßnahmen kreiert.

In Zellewitz wurde der durch das schwere Unwetter des Jahres 2011 zerstörte Dachstuhl des Trafoturms wieder instandgesetzt und zu einer sogenannten Fledermaus-Thermokammer umgestaltet. Dabei handelt es sich um den Ausbau des Dachinneren zu einem Fledermaus Sommer- und Zwischenquartier, das auch zur Anlage von Wochenstuben geeignet ist. Diese Thermo­kammer bietet optimale Quartierbedingungen, so dass der Dachstuhl ganzjährig durch Fledermäuse genutzt werden kann. In die Bauwerkfassade wurden spezielle Sekundärhabitate für Fledermäuse und Kleinvögel eingebracht. Solche Elemente, wie Niststeine oder Fassadenröhren, sind an mehreren Seiten der Außenfassade des Trafoturms befestigt. Die Brutvogelquartiere sind vor allem für Höhlen- und Halbhöhlenbrüter vorgesehen. So werden in Zukunft neben den Fledermäusen auch Arten wie der Feldsperling, die Blaumeise oder der Hausrotschwanz die Stele der Biodiversität® nutzen können.

In einem ersten Schritt wurde das Dach erneuert und die Thermokammer installiert, anschließend durch eine Firma aus Könnern die Fassade für die Bemalung vorbereitet und Nistkästen in die Fassade integriert. In einem letzten Schritt erfolgte die Bemalung durch den in Franken ansässigen Künstler Michael Horn, der bereits mehrere Wandgemälde an umgebauten Trafotürmen in höchster Qualität erstellt hat. Für den Trafoturm in Zellewitz wurde der Lebenszyklus der Fledermaus als Motiv gewählt. Auf den vier Seiten sind Bilder aus dem Lebenszyklus unterschiedlicher Fledermausarten zu sehen. Die roten Natursteine der nahe beim Trafoturm stehenden Kirche wurden bei der optischen Gestaltung als Motiv mit aufgegriffen, sodass sich der Turm hervorragend in das hiesige Landschaftsbild einfügt.

 

Umweltbildung als wichtiger Bestandteil des Projektes

Unweit des Trafoturms befindet sich der Naturhof Zellewitz, der vom Förderverein Bildung und Arbeit e. V. aus Bernburg betrieben wird. Diesem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass neben der Integration der Stele der Biodiversität® Zellewitz in die Arbeit des Naturparks Unteres Saaletal auch eine umweltpädagogische Nutzung durch den Naturhof erfolgt. Hier können vor allem Schulklassen viel über das Leben von Fledermäusen erfahren und am praktischen Beispiel erkennen, wie Lebensräume für diese häufig im Bestand gefährdeten, nachtaktiven Säugetiere im Siedlungsraum gestaltet werden können.

 

Und wie geht es weiter?

Die erste Stele der Biodiversität soll nicht die letzte für Sachsen-Anhalt bleiben. Der Naturpark Unteres Saaletal wird zusammen mit Artenschutz in Franken® einen weiteren Trafoturm in Wils in der Gemeinde Salzatal umgestalten. Das Projekt wird von der Gemeinde und der Deutschen Postcode Lotterie unterstützt. Hier ist der Projekt-Startschuss für April 2021 geplant.

Auch an diesem Standort wird der Baukörper durch die Einbringung wartungsfreier Habitatstrukturen, die speziell auf die Bedürfnisse der anzusprechenden Arten zugeschnitten sind, in die Lage versetzt, über viele Jahrzehnte dem Schutz der Artenvielfalt dienen zu können. Dazu wird unter anderem auch hier der Dachstuhl zu einer „Thermokammer“ für Fledermäuse umgestaltet. Ferner werden auf und in der Außenfassade sowie im Innenbereich störungsfreie Rückzugs- und Fortpflanzungsbereiche für Vögel und Säugetiere geschaffen. Eine ansprechende grafische Gestaltung wird auch dieses Projekt final abrunden und zu einem prägnanten Eyecatcher werden lassen.

 

[1] Beide Projektbausteine sind Bestandteile des Projekts „Stelen der Biodiversität®“, welches im Zuge der UN-Dekade 2011 bis 2020 bereits seit 2014 in verschiedenen Bundesländern „Leuchttürme der Artenvielfalt“ entstehen lässt. Ein mittelfristiges Ziel des Projektes ist es, in jedem Bundesland sichtbar zu werden und ungenutzte Objekte, vorrangig alte Trafotürme, zu lebendigen Elementen der biologischen Vielfalt werden zu lassen. Hierzu arbeitet der Verband Artenschutz in Franken® mit unterschiedlichen Partnern in ganz Deutschland zusammen.