Wenn das Herz über die Vernunft siegt – Die Rettung der Alten Pfarre in Möckern

von Kamilla Bühring | Ausgabe 3-2019

Pfarrhaus vor der Sanierung. Erika Kumpert
Während der Sanierungsarbeiten. Erika Kumpert
Während der Sanierungsarbeiten.Erika Kumpert
Während der Sanierungsarbeiten.Erika Kumpert
Pfarrhaus vor der Sanierung. Erika Kumpert

Man könnte sagen, so hat das Vorhaben der Rettung der Alten Pfarre in Möckern im Jerichower Land begonnen.

Die Alte Pfarre mit ihren Wirtschaftsgebäuden, der Scheune, den Viehställen, der Waschküche und dem Plumpsklo, war im Jahr 1641 im Dreißigjährigen Krieg abgebrannt und wurde 1666 in Fachwerkbauweise wieder aufgebaut. Eine Feldsteinstadtmauer umschließt den dazugehörigen ehemals sehr schönen Bauerngarten. Schlosspark, Schloss, St. Laurentius-Kirche und das alte Schulgebäude vervollständigen die unmittelbare Nachbarschaft dieses in seiner Komplexität in Sachsen-Anhalt einmaligen historischen Areals – ein Kleinod!

Im Besitz der Kirche wurde das Pfarrhaus bis zum Jahr 1995 zuletzt als Wohnung für die Gemeindeschwester und für den Religions- und Musikunterricht genutzt. Dem Verfall der Gebäude wurde jedoch kein Einhalt geboten, die Alte Pfarre war gewissermaßen von der Kirche aufgegeben. Der Garten glich einem durch Brombeeren und Brennnesseln undurchdringlichen Urwald, der durch die zerbrochenen Fenster und Risse der Wände bereits Besitz von dem Pfarrhaus genommen hatte.

Aus einer seit Jahrhunderten in Möckern ansässigen Familie stammend und in der oben genannten Schule 1944 eingeschult, hatte ich mich seit 1990 um den Erhalt des Anwesens bei der Eigentümerin, der Kirche, eingesetzt – als ein lebendiges Beispiel der Lebensformen unserer Vorfahren. Aber als Nichteigentümerin hatte ich keine Chance.

Folgendes habe ich daraus gelernt:

  1. Man braucht einen langen Atem.
  2. Man muss in einer Position sein, in der man auf Augenhöhe mit den Verantwortlichen reden kann – als Vorsitzende des Verbandes der Kirchbauvereine Sachsen-Anhalt hatte ich diese Möglichkeit.

Mit dieser Strategie und dem unbeirrbaren Ziel, das Pfarrhaus zu retten, wurde ich 2016 Eigentümerin und verfolge seitdem zuversichtlich das Ziel mit der Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Stadt Möckern, tüchtigen Handwerkern und Freunden, dem Ort ein historisches Kleinod zu retten.

Seit Beginn der Sanierungsarbeiten wurden unter Berücksichtigung der denkmalschutzrechtlichen Richtlinien bereits verschiedene Bauabschnitte in Angriff genommen. Um den ganzen Arbeiten ein solides Fundament zu geben, wurde dieses mit Feldsteinen erneuert. Das Fachwerk war in sehr großen Teilen verrottet und musste an diesen Stellen ersetzt werden. Anschließend konnten die Gefache mit Lehmsteinen ausgemauert werden. Die komplett neue Dachdeckung erfolgte mit Biberschwanzziegeln und der Schornstein wurde ebenfalls neu aufgebaut. Noch stehen viele weitere Arbeiten an. Die Putzarbeiten an der Fassade müssen noch folgen sowie der gesamte Innenausbau, mit Fußböden, Wandverkleidungen, Heizung und Sanitär. Fenster und Türen werden nach historischem Vorbild möglichst genau nachgebaut und der Einbau muss noch folgen. Für die Innengestaltung wurden bereits viele museale Stücke gesammelt.

Nachdem der Pfarrgarten vom Wildwuchs befreit war, konnten dort zahlreiche Obstbäume gepflanzt und bereits die ersten Kirschen geerntet werden. Die sich ebenfalls im Garten befindende Grabanlage des in diesem Pfarrhaus im 19. Jahrhundert lebenden und wirkenden Pfarrehepaares wurde restauriert. Gemeinsam mit den Vertretern der Denkmalsbehörden freuen wir uns über die Entdeckungen im Haus, wie Reste schöner alter Tapeten oder einen freigelegten, aus Ziegeln gemauerten, offenen Kamin. Eine besondere Freude ist es aber zu sehen, wie so ein Projekt zum Anschieber eines anderen wird: Für den umgebenden Schlosspark hat sich ein Förderverein gegründet und seine sehr engagierten Mitglieder planen gemeinsam mit mir, dem historischen Stadtkern von Möckern wieder ein Gesicht zu geben und für zukünftige Generationen zu bewahren.

Allen Menschen, die sich in Fördervereinen oder privat auf den Weg machen, ein Denkmal zu retten, möchte ich am Beispiel der Alten Pfarre in Möckern Mut machen. Ohne Hartnäckigkeit gewinnt man keine Schlachten – und dieser Spruch stammt nicht von mir. Eine gute Vernetzung mit „Erfahrenen“ und Fachleuten und die Vermittlung der Wege zu möglichen Fördermittelgebern, wie sie z. B. der Landesheimatbund oder speziell für Kirchbauten der Verband der Kirchbauvereine Sachsen-Anhalt vermitteln kann, erleichtert die ersten tastenden Schritte.

Ist das Werk dann vollendet, erwartet uns das nächste große Problem: Wie soll es genutzt werden? Darauf gibt es keine schnelle Antwort oder – nur schon leicht abgenutzt – etwas aus dem Bereich Musik und Ausstellungen. So habe auch ich mich bei dieser Frage zur Nutzung erstmal herausgemogelt.

Und jetzt die erfreuliche Entwicklung. Die gelungene Sanierung weckt schon in ihrer Entstehungsphase bei den Menschen Ideen und Phantasien, das heißt aber auch, man muss den Menschen von Anfang an Zutritt gewähren. Zum Beispiel am Tag des Offenen Denkmals oder einfach durch das Hereinbitten Vorübergehender. So kann ich jetzt meinen ersten Erfolg vorstellen: Ein ortsansässiger Maler und Bildhauer hat in der Pfarrscheune eine Werkstatt eingerichtet.

Und so hoffe ich, dass beim Anblick des riesigen, so schön gelegenen Pfarrgartens sich auch ein „Gärtnerherz“ mit helfender Hand einfangen lässt. Zwei idyllische Sitznischen an der Stadtmauer laden schon jetzt zum Träumen ein.

Es wäre mir eine große Freude, interessierten Besuchern am Tag des Offenen Denkmals am 8. September 2019 mein im Werden begriffenes Projekt „Alte Pfarre“ in der Kirchstraße 22 in 39291 Möckern vorstellen zu können.