Baum und Blume des Jahres 2019: Flatter-Ulme und Heidekraut

Von Eberhard Große | Ausgabe 3-2019 | Natur und Umwelt

Flatterulme. Foto: Gregor Aas, Universität Bayreuth, https://www.waldbesitzer.net/zentrum-wald-forst-holz/index.php/de/aktuell/454-tagung-baum-des-jahre- flatterulme, 9. 7. 2019 
Ulmus laevis PALL Zeichnung: U. Braun (Berlin). Pfeil = Hinweis auf wichtige Merkmale l———l  1 cm-Maßstab l ···········l  Zuordnungslinie
Rasterkarte der Flatter-Ulme. Auszug aus der Datenbank Blütenpflanzen, Teil Sachsen-Anhalt. Mit freundlicher Genehmigung des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt.
Rasterkarte des Heidekrauts. Auszug aus der Datenbank Blütenpflanzen, Teil Sachsen-Anhalt. Mit freundlicher Genehmigung des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt.
Heidekraut – Calluna vulgaris (L.) HULL | Zeichnung: Doz. Dr. E. Ladwig [Mühlhausen (Thür.)] | l ·······l  Zuordnungslinie
Heidekraut (Calluna vulagris) in der Osterheide bei Schneverdingen, Niedersachsen. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Calluna_vulgaris_005.jpg, Willow [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Die Flatter-Ulme

Von der Pflanzenfamilie Ulmengewächse (Ulmaceae MIRB.) kommen in Deutschland neben der zum Baum des Jahres 2019 ausgewählten Flatter-Ulme (Ulmus laevis PALL.) spontan noch die Feld- und die Berg-Ulme (U. minor MILL. und U. glabra HUDS.) vor. – Die Nomenklatur der deutschen und wissenschaftlichen Namen richtet sich nach JÄGER [5]. Aus etymologischer Sicht leitet sich der Gattungsname Ulme nach KLUGE ([6] S. 361) aus mittelhochdeutsch (mhd.) „ulmboum [ab], wofür meist mhd. ahd. [althochdeutsch] ëlmboum … gilt“ (vgl. [3] S. 667). Und PAUL ([11] S. 650) weist auf seine Entlehnung aus „lat. ulmus“ hin und nennt auch die „andere Bezeichnung [dieser Baumart] Rüster“. Nach MARZELL ([8] S. 903) bedeutet die Nachsilbe -ter von Rüster „Baum“. Der lat. Artname laevis heißt „glatt, eben“ ([12] S. 297). Der deutsche Artname leitet sich von „spätmhd. vladern“ ab und bedeutet in „übertragenem Sinne ‚unbeständig hin und her schwanken‘ “([11] S. 193). In der Altmark ist der mundartliche Name Äpe für die Flatter-Ulme nachgewiesen ([1] Bd. 1 S. 225, vgl. [8] S. 906). Diesen Hinweis und die folgenden, bisher noch nicht veröffentlichten mundartlichen Namen aus unserem Bundesland teilte freundlicherweise U. WENNER dem Verf. mit [13]. Während im Gesamtgebiet von Sachsen-Anhalt der Name „Rööster“ verstreut und „Ulme“ dort vereinzelt als mundartlicher Ausdruck gesprochen wird, tritt im heutigen Salzlandkreis das Wort „Ruust“ vereinzelt für die Gattung Ulme allgemein auf.

Die einheimische Flatter-Ulme ist ein sommergrüner, tiefwurzelnder, über 30 m Höhe erreichender Laubbaum. An dem annähernd aufrecht wachsenden Hauptstamm befindet sich eine breite Krone. Die Flatter-Ulme ist raschwüchsig und erreicht ein maximales Alter von rund 200 Jahren. Bereits junge Bäume besitzen eine raue, braungrau gefärbte Borke, die in flachen Schuppen abblättert. An den Zweigen wachsen meist wechselständig, zweizeilig angeordnete, ungeteilte Laubblätter, die etwa 9 cm lang und bis circa 6 cm breit sind. An deren doppelt gesägtem Rand befinden sich nach vorn gerichtete Blattzähne. Vom Mittelnerv gehen nach beiden Seiten zwischen 12 und 19 Seitennerven ab. Die eiförmige bis rundliche, unterseits kraushaarige Spreite ist an ihrem Grund stark asymmetrisch. An langen Stielen hängen unscheinbare zwittrige Einzelblüten, die sich aus einem Perigon, 6 – 8 Staubblättern und den Fruchtblättern zusammensetzen. Als Früchte entwickeln sich einsamige, flach gedrückte, etwa 1 cm lange und ± rundliche Nüsse. Diese sind ringsherum von einem häutigen, zottig bewimperten und an der Spitze eingeschnittenen Flügel umgeben (vgl. [2] S. 262 f.).

Von März bis April blühen die an vorjährigen und älteren Trieben ausgebildeten, büschelig angeordneten Einzelblüten. Deren Bestäubung erfolgt sowohl durch den Wind als auch durch Pollen sammelnde Insekten. Während der Reifung der Früchte beginnt der Blattaustrieb. Im Mai sind die Flügelnüsse reif und „flattern“ an ihren 1 bis 2 cm langen Stielen im Wind. Als sog. Scheibenflieger werden die Früchte durch den Wind, aber auch durch Fließgewässer verbreitet. – Derweil sich Feld- und Berg-Ulme kreuzen und diverse Übergangsformen entstehen, hybridisiert die Flatter-Ulme dagegen nicht.

Im 20. Jh. trat in Europa einige Male eine Krankheit, das Ulmensterben auf, die durch einen Schlauchpilz verursacht und durch den Ulmensplintkäfer verbreitet worden ist. Während die Populationen der Berg-Ulme durch diese Krankheit fast verschwunden waren und ausgewachsene Feld-Ulmen kaum noch zu finden sind, traten unter den Flatter-Ulmen wegen ihrer höheren Resistenz nicht so gravierende Verluste auf. Trotzdem sind die spontanen Vorkommen in sieben Bundesländern inzwischen in der Roten Liste als gefährdet und in Nordrhein-Westfalen als stark gefährdet eingestuft worden. Deshalb ist sie 2019 zum Baum des Jahres erklärt worden, um sie im Bewusstsein der Bevölkerung bekannt zu machen.

Die in der Hartholzaue mit Stiel-Eiche, Gemeiner Esche und Feld-Ulme vergesellschaftete Flatter-Ulme verträgt Überflutungen von über 100 Tagen im Jahr. Dabei werden die von ihr ausgebildeten Brettwurzeln als Anpassung an die wassergesättigten Bodenverhältnisse angesehen. Gegenüber verdichteten Böden besitzt sie eine hohe Toleranz.

Das Verbreitungsgebiet der Flatter-Ulme erstreckt sich von West nach Ost von Zentraleuropa bis zum Ural. Ihr Areal reicht im Norden von Südfinnland bis nach Bosnien und dem Kaukasus im Süden (vgl. [10] Karte 124 a und [15]).

Im östlichen Teil unseres Bundeslandes tritt die hygrophile Art verbreitet im Tal der Elbe und Saale einschließlich ihrer Zuflüsse auf, im Westen kommt sie dagegen zerstreut vor.

Durch anthropogene Zerstörung von Lebensräumen, wie „zeitweise überflutete Auen-, Laubmisch- u. BruchW[älder]“ ([5] S. 481) sind spontane Bestände der Flatter-Ulme sehr dezimiert worden und damit wird auch die genetische Vielfalt gefährdet.

Die Flatter-Ulme wird als Straßenbaum oder in Parks angepflanzt. Ihr sehr zähes Holz wurde „für den Bau von Gerätschaften mit hoher Beanspruchung – für Mühlen, Glockenstühle, Räder, Karren, Kutschen“ verwendet [14]. Da niemand weiß, ob und wenn ja, wann das Ulmensterben abklingen wird, gewinnt die Flatter-Ulme große Bedeutung als Ersatz für die beiden anderen bedrohten einheimischen Ulmen-Arten [ebenda].

 

Das Heidekraut

In der Pflanzenfamilie Heidekrautgewächse (Ericaceae JUSS.) sind verschiedene Sträucher (wie Berglorbeer) und Zwergsträucher (z. B. Heidekraut oder Heidelbeere) systematisch zusammengefasst worden. Der deutsche Name Heidekraut leitet sich vom spätmhd. heidekrut ab ([11] S. 282). GENAUST ([3] S. 118) meint über den lat. Gattungsnamen Calluna, dass er eine „unklare Bildung [sei], wohl zu gr.[iech.] kallýnein <schön machen, putzen, reinigen, ausfegen> (zu kállos <Schönheit>; wegen der Verwendung zum Besen)“. Darauf bezieht sich auch der zweite Name der Art: Besenheide. Nach MARZELL ([7] S. 730) gibt es für das Heidekraut den mundartlichen Namen „Heedicke, Helicke*“ in der „Gegd. östl. der Mulde zwischen Bitterfeld u. Düben, Gegd. um Düben, Schmiedeberg (Halle a. S.)“ sowie „Hedorn“ in Anhalt. Im Mittelelbischen Wörterbuch Bd. 2 werden u. a. folgende mundartlichen Namen aufgeführt: „Heide“ besonders in der Altmark (S. 90) und „Heidekrut“ für Anhalt, den nördlichen Bördekreis und für das Jerichower Land [13]. Es soll darauf hingewiesen werden, dass häufig Calluna fälschlicherweise als Erica bezeichnet wird. Zur Gattung Erica (= Heide) gehören die Arten Glocken-, Grau- und Schnee-Heide.

Das Heidekraut ist ein immergrüner Zwergstrauch, dessen Sprossachse zwischen 0,20 und 1 m lang wird. Von den dünnen, niederliegenden und wurzelnden, graubraunen Stämmchen gehen viele aufrechte Zweige ab. An diesen befinden sich vierzeilig angeordnete, 1 – 4 mm lange, schuppenförmige, lineal-lanzettliche und nach oben eingerollte Laubblätter. Der traubige, einseitswendige Blütenstand setzt sich aus vielen kleinen zwittrigen Blüten zusammen, deren Außenkelch grün, der Kelch und die Krone rotlila gefärbt sind.

Die sehr anspruchslose Art wächst auf sauren, nährstoffarmen Böden. Ihre Blütezeit dauert vom Juli bis zum Oktober. Die Bestäubung übernehmen sowohl Insekten (besonders Bienen) als auch der Wind. Als Früchte treten Kapseln auf. Unabhängig davon vermehrt sich das Heidekraut auch vegetativ durch Ausläufer. Der Verbiss durch Schafe fördert die Verjüngung des Zwergstrauches.

Das Heidekraut ist ein „ozeanisch mittel- bis nordeuropäisches Element“ ([10] S.181). Sein Areal erstreckt sich wie ein breites Band von Island über Großbritannien und Frankreich bis Portugal im Westen über Mitteleuropa und Skandinavien bis in das sarmatische Gebiet und endet in Westsibirien. Isolierte Vorkommen finden sich z. B. im nördlichen Kleinasien und nördlich des Schwarzen Meeres (vgl. Karte 331 b in [10]).

Während die Art nach der Rasterkarte von Sachsen-Anhalt noch flächendeckend auftritt, sind dagegen ihre spontanen charakteristischen Lebensräume gefährdet und stehen deshalb unter Naturschutz. Ihre Hauptlebensräume bilden die Bestände der Zwergstrauchheiden (z. B. in der Altmark oder um Halle) und der Waldgesellschaften, in denen die Besenheide vergesellschaftet ist (wie im Harz). Ursache für die Gefährdung dieser Pflanzengesellschaften sind Stickstoffeinträge, der Strukturwandel im ländlichen Raum sowie das Ausbleiben der extensiven Beweidung in den Heidegebieten.

Einst wurden aus den Zweigen Besen hergestellt (Name des Zwergstrauches) oder sie dienten als Einstreu bei der Stallhaltung. Als kultivierte Zierpflanze wird Heidekraut in Gärten, Anlagen oder auf Friedhöfen gepflanzt.

 

Literatur:

[1] Bischoff, K. (Begründer), Kettmann, G. (Hrsg.), Bader, H.-J., Möhring, J. (nur Bd. 2)
u. Wenner, U. (Bearb.): Mittelelbisches Wörterbuch. Bd.1: A – G. Berlin 2008, Bd. 2: H – O. Berlin 2002.
[2] Conert, H. J., Hamann, U., Schultze-Motel, W. u. Wagenitz, G. (Hrsg.): Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Bd. III T. 1: Pteridophyta, Spermatophyta. – Angio­spermae, Dicotyledones 1. Hrsg. von Wagenitz, G. 3., überarb. u. erw. Aufl. Nachdruck d. 2. Aufl. Berlin u. Hamburg 1981. 504 S. S.246 – 263.
[3] Genaust, H.: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Hamburg 2005. 701 S.
[4] Hegi, G: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Bd. V T. 3. 2. Aufl. 1966, unveränd. Textnachdruck Berlin u. Hamburg 1975. S. 1689 – 1699.
[5] Jäger, E. J. (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit zahlreichen Fachleuten: Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 20., neu bearb. u. erw. Aufl. Heidelberg 2011, 920 S. S. 480 – 481 u. 620 – 627.
[6] Kluge, F.: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 4., verb. Aufl., Straßburg 1889. 453 S.
[7] Marzell, H. unter Mitwirkung von Wissmann, W.: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen.1. Bd. Leipzig 1943, Nachdruck Köln 2000, 1437 S., S. 729 – 737.
[8] Marzell, H.: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. 4. Bd. Aus dem Nachlass herausgegeben von H. Paul. Stuttgart/Wiesbaden 1979, Nachdruck Köln 2000, 1412 S., S. 901 – 909.
[9] Meusel, H., Jäger, E. u. Weinert, E. (Hrsg.): Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora. T. 1 Jena 1965.
[10] Meusel, H., Jäger, E., Rauschert, St. u. Weinert, E. (Hrsg.): Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora. T. 2 Jena 1978.
[11] Paul, H.: Deutsches Wörterbuch. Bearb. von A. Schirmer. 7. Aufl Halle (Saale) 1960. 782 S.
[12] Schubert, R. u. Wagner, G.: Pflanzennamen und botanische Fachwörter. 8., neu bearb. u. erw. Aufl. Leipzig, Radebeul 1984, 624 S. S. 297.
[13] Wenner, U.: Antw.: Baum und Blume des Jahres 2019. E-Mail vom 13. 02. 2019.
[14] www.baum-des-jahres.de/flatter-ulme/…
[15] www.euforgen.org/fileadmin/templates/euforgen.org/upload/Countries/Austria/Ulmus_laevisAUT.pdf

 

Zeichnungen aus Jäger, E. J., Müller, F., Ritz, C., Welk, E. u. Wäsche, K. (Hrsg.): Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Bd. 3. Gefäßpflanzen: Atlasband. 12.,
neu bearb. u. erw. Aufl. Springer Spectrum, 2016. – Der Abdruck wurde freundlicherweise von den Herausgebern gestattet.

Die Rasterkarten der Flatter-Ulme und des Heidekrautes sind ein Auszug aus der Datenbank Blütenpflanzen, Teil Sachsen-Anhalt. – Die Datenbank im Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt hat freundlicherweise den Abdruck erlaubt.