Mühlenland Sachsen-Anhalt,Teil 11: Die Mühlen der Elbestadt Aken
Henry Bergmann (Federführung), Mirko Bauer. Mit Dank an C.-D. Bielstein sowie posthum an O. Benecke, Max Rosenthal, Max Sonnenburg, Paul Rockstroh u.v.a. | Ausgabe 2-2021 | Kulturlandschaft
Gelegen nahe der ehemaligen Burgsiedlung Glotheworp (Gloworp, Glewerp, Glentetorp, Glorup, Glock, Glorf, Lorf) erhielt die neue Stadt Aken (Aachen, Acken – erster urkundlicher Nachweis 1162) wohl ihren Namen um 1250, als Albrecht der Bär Rheinländer und Flamen ansiedelte, die über sehr gute wasserbauliche Kenntnisse verfügten [1]. Die Stadt war zunächst in sächsisch-askanischem Besitz und ging 1389 an den Bischof von Magdeburg über. Aken gehörte als Teil des Herzogtums Magdeburg zum Kurfürstentum Brandenburg und zu den Königreichen Preußen und Westfalen. Ab 1806 war es in der Provinz Sachsen ein Teil Preußens. In der DDR war Aken Teil des Kreises Köthen/Anhalt. Heute gehört Aken zum Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. 2021 leben ca. 8.000 Einwohner in Aken und den umliegenden Ortsteilen Kleinzerbst, Mennewitz, Susigke und Kühren. Die Bezeichnung Kühren soll auf das Wort Querne = Mühle zurückgehen.Um 1300 hatte Aken seine Blütezeit erreicht, wovon auch die Angaben aus den Schöffenbüchern der Stadt zeugen. In diesen wird übrigens schon 1266 eine rosmole erwähnt. Um 1288 bestand der Rat der Stadt aus dem Bürgermeister, dem Kämmerer, dem Ziegelherrn und dem Mühlherrn, was auf die Bedeutung der Mühle(n) hinweist. 1377 nahmen Zünfte wie die der Fischer, Schiffer, Müller an der Verwaltung der Stadt teil. Auf den Märkten der Stadt wurden Mühlsteine gehandelt. Neben Getreide, Holz und Salz wurden über Akens Hafen auch Mühlsteine ins Anhaltische geliefert.
Die Akener Schiffmühlen
Auf der Elbe existierten Schiffmühlen nachweislich seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. In der Literatur [2] und in Museumsunterlagen finden sich Details zu den hiesigen Schiffmühlen, von denen einige hier aufgeführt sind: Bereits 1332 gab es eine Schiffmühle in Aken, 1472 bestätigte der Magdeburger Erzbischof Johannes den Betrieb einer weiteren Schiffmühle auf der Kanlake, einem Elbearm, der lange vor 1700 versandete. Diese Mühle musste das benötigte Mehl für den Erzbischöflichen Hof in Aken mahlen. Auch 1528 sind zwei Schiffmühlen in städtischem Besitz nachweisbar. Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges transportierten 1631 österreichische Soldaten eine Schiffmühle nach Schönebeck, um damit einen Flussübergang auszubauen. Anschließend wurde sie verbrannt. Die zweite Schiffmühle war zum Kriegsende zwischenzeitlich eingegangen. 1684 brannte die Schiffmühle ab, wurde aber mit kurfürstlicher Unterstützung wieder aufgebaut. 1704 erhielt Jacob Oege die königliche Erlaubnis zum Bau einer privaten Schiffmühle. Wegen des größeren Konkurrenzdrucks musste die Stadt den Müllern der parallel existierenden Windmühlen (s. u.) die Erbpacht reduzieren.
Eine weitere Schiffmühle genehmigte die Königliche Kammer 1792. 1828 wurde die Mühle des Müllers Gottfried Heenemann von Barby nach Aken umgesetzt, 1846 die Schiffmühle 38 aus Magdeburg nach Aken transportiert. In den frühen 1850ern waren es sechs Schiffmühlen, fünf noch im Jahre 1868 und 1878 nur noch zwei.
1733 reichte Ratsmüller Johann Bernd Jürgens eine Beschwerde beim Gericht in Zerbst ein zwecks Verbots der Mahlgutannahme am anderen Elbufer, um seine Mühle nicht ans Zerbster Ufer umsetzen zu müssen. 1749 sank Jürgens’ Mühle in einer Nacht. Die sich an Bord befindlichen Personen wurden gerettet wie auch das noch nutzbare Material sowie Mehl, Körner und Malzschrot. Wegen der hohen Reparaturkosten bat der Müller um Flusssteuerermäßigung in Höhe von 34 Talern.
1845 bat Müller Körting um die Genehmigung für einen neuen Winterplatz, da der jetzige Platz ungünstig bzw. ungeeignet zum Schutz gegen Eisschollen sei. Auch Schiffmüller Leberecht Trübe wünschte einen neuen Winterliegeplatz. Beide Eingaben wurden am 19.6.1846 positiv beschieden. 1864 beschädigte das Dampfschiff Preußen mehrere Schiffmühlen, 1879 wurde eine Schiffmühle durch einen Schlepper beschädigt; 1894 kappte ein Lastkahn die Ankerkette einer Mühle und rammte sie. 1900 endete die Zeit der Schiffmühlen in Aken. Der preußische Staat kaufte die letzten beiden Schiffmühlen auf und legte sie still (Bild 2). Die Müller Albert Trübe und Carl Christoph Küster bzw. dessen Sohn Christian Heinrich Paul stellten der Stadtverwaltung ihre Winterliegeplätze zur Verfügung.
Die Akener Bockwindmühlen
Aus dem Jahre 1489 erfährt man in der Chronik von Pfeffer [3], dass der Dekan Sebastian Walstorf „den hoff mit dem huße dar ynne der molnberch lith an dem orde uff vnser fryheit“ für 12 rheinische Gulden an den Pfarrer Harmann von Groß-Paschleben verkaufte. Der Verweis auf den Mühlenberg lässt vermuten, dass es sich hierbei um eine frühe Bockwindmühle gehandelt hat. 1528 besaß der Rat neben den zwei Schiffmühlen auch vier Windmühlen, wahrscheinlich Bockwindmühlen, die jeweils 2,5 Wispel Roggen als Pacht zu entrichten hatten.[1] Zum Ende des Dreißigjährigen Krieges waren die Bockwindmühlen verpfändet. Näheres lässt aber erst ab 1665, 1693, 1696 und 1699 über die vier Windmühlen erfahren, die bis ins 20. Jahrhundert existierten. Als erste Müller werden Hans Stotterheim, Hans Schultze (2 ×) und Georg Schirmer erwähnt. Auch im Bild 3. um 1818 sind die vier Erbpachtmühlen (1 bis 4) im Süden, zwischen der heutigen Straße am Wasserturm und der Saulache, eingetragen.[2] Die Errichtung der Bockwindmühle 5 mit Mahl- und Graupengang wurde 1816 dem Müller Schultes erlaubt, der zuvor bis zum Brand im Jahre 1814 eine Ross-, Öl- und Graupenmühle betrieben hatte. Der Neubau wurde angeblich zum Schutz der Erbpachtmüller zunächst verweigert, aber auf der Basis des Mühlenedikts vom 18.10.1810 schließlich genehmigt. Die zuletzt noch vorhandene Bockwindmühle in Aken (Bilder 4 und 5, Abriss 1935) war die von Max Koch auf einem prähistorischen Grabhügel. Im Inneren der Mühle fand sich am Mittelschaft, dem Hausbaum, die Inschrift:
Joh = And = Wagner
diese Mühle gebauet
Aō · 1749 · d · 27 · Aug
Das Grundstück von Müller Otto Koch wurde 1928 an die Stadt für den Bau des Wasserturms verkauft. Die Mühle war bereits ca. 1926 abgerissen worden.
Im heutigen Ortsteil Kleinzerbst wurde schon 1786 eine Mühle des Johann Heinrich Schröter erwähnt. Am 17. August 1929 brannte die Mühle der Familie Pfannenberg auf dem Mühlberg nach einem Blitzschlag nieder. Auch im heutigen Ortsteil Kühren existierte im 19. Jahrhundert eine Bockwindmühle.
Der Schiffer und Müller Franz Regeler kaufte am 8.11.1905 an der Straße nach Susigke eine Bockwindmühle (Bild 6), die ursprünglich 1848 als Kappenwindmühle mit Mahl- und Graupengang errichtet wurde. Im Volksmund hieß sie die Jungfernmühle. Um 1934 wurde sie abgebrochen und Regeler baute eine Motormühle auf.
Die Kappenwindmühlen
Neben der Susigker Holländerwindmühle war bereits 1757 im damaligen Kolonistendorf Kühren eine Holländerwindmühle mit interessanter Vorgeschichte entstanden. Der Müller Christoph Andreas Krüger hatte nämlich kurzzeitig eine Wassermühle betrieben, was aber durch Anstau des Grabens zur Vernässung um das Köthener Tor führte. Der Müller erhielt daher als Entschädigung, mit dem Recht, eine neue Mühle zu bauen, 20 Morgen der städtischen Hutung bei Kühren, die zu Acker verwandelt wurden. Nach den 15 Freijahren waren ab 1772 jährlich 10 Taler Erbzins an die Kämmereikasse in Aken zu zahlen. 1816 unternahm der Müller Christian Riede einen neuen Versuch, eine Wassermühle zu errichten, was aber aus denselben Gründen abgelehnt wurde. Im Jahre 1899 baute Müller Karl Trübe in Kühren eine steinerne Turmwindmühle, die bis 1952 genutzt wurde und heute als Wohnhaus dient (Bild 7).
Die Turmwindmühle von 1817, die am Ortseingang links der Köthener Straße stand (A in Bild 3 und rechte Mühle in Bild 8 um 1890), war die erste Kappenwindmühle im direkten Stadtgebiet von Aken. Sie brannte 1819, 1825 und 1850 aus. Nach jedem Brand wurde die Mühle, jeweils um einen Boden reduziert, wieder aufgebaut. 1850 wurde ein dritter Mahlgang zur Öl-, Graupen- und Weizenmühle einbaut. Nach dem tödlichen Unfall des Müllers Christian Schultes erwarb 1891 Wilhelm Regeler sen. (1864 – 1933) die Turmwindmühle. 1902 wurde die Mühle von Pionieren abgetragen und an der Kleinzerbster Straße westlich des Mühlgrabens, der auf das Südtor der Stadt zufließt, neu aufgebaut (D in Bild 3 und Bild 9). Sie existierte aber nur bis 1921, denn Regeler baute in der Mühlenstraße 1 eine Motormühle, deren Gebäude heute noch steht.
Die in Bild 8 links dargestellte Achtkant-Holländerwindmühle mit zwei Mahlgängen von Franz Käsebieter (C in Bild 3) entstand 1872 aus der 1871 untergegangenen Schiffmühle des Müllers Pflug. Als Pflug 1873 starb, heiratete Käsebieter die Witwe und betrieb die Mühle ab 1926 bis 1936 mit Motorantrieb. Ab 1958 wurde die Mühle stückweise abgerissen.
Eine dritte Turmwindmühle, die mit dem Namen Wilhelm Regeler in Verbindung steht, befand sich hinter dem Ende der alten Mühlenstraße (B in Bild 3, Mühle im Hintergrund von Bild 5). Sie wurde 1860 von Friedrich August Trittel erbaut und 1937 von Wilhelm Regeler jun. evtl. aus Konkurrenzgründen erworben; ihre Reste existierten bis 1982.
Es ist erwähnenswert, dass die Turmwindmühle des Müllers Paul Küster sen., die von 1901-1920 vor den Sandbergen existierte, ebenfalls aus einer Schiffmühle entstand (Bild 10). Daneben errichtete Küster ein Wohnhaus mit Bäckerei, deren Backwaren in der Stadt verkauft wurden. Offenbar infolge mangelnder Rentabilität wurde das Anwesen zweimal weiterverkauft und schließlich 1920 abgerissen. Zuvor hatte ein Sturm 1913 die Kappe der Mühle stark beschädigt. Küsters Bruder, Franz Küster, betrieb noch eine Zeit lang eine Motormühle.
Die soziale Lage der Müller
Bis zur Gewerbefreiheit für die Müllerbranche zu Beginn des 19. Jahrhunderts besaß der Rat über die Pachtverträge entscheidenden Einfluss auf die Schiff- und Windmühlen. Entsprechende Abgaben waren regelmäßig, z.B. zur Hälfte zu Jacobi bzw. Weihnachten, später zu Martini zu leisten – in Form von Getreidelieferungen bzw. ab 1837 auch wahlweise in Geld. Die Erbpacht war den Predigern in den Kirchen und den Lehrern, dem Stadtmusikus und dem Polizeidiener zu zahlen. Der größte Anteil stand dem Oberprediger, zuletzt Herrn Dr. Romershausen, mit einem Wispel zu. Aus den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts ist ein Rechtsstreit der vier Erbpachtmüller bekannt, der die Abschaffung oder zumindest Abmilderung der Erbpacht zum Ziel hatte. Diese betrug typischerweise nach 1700 ein Wispel plus 6,75 Scheffel guten Roggens, d.h. mehr als ein Pfund Silber bzw. rund 35 preußische Taler. Dazu muss man wissen, dass die jährlichen Lebenshaltungskosten einer vierköpfigen Familie auf einer Bockwindmühle inklusive Feuerversicherung und Steuern ca. 250 Taler betrugen. Der Kaufpreis einer Mühle mit Grundstück konnte mitunter über 1.000 Taler betragen. Die Einnahmen wurden hauptsächlich durch die Metze erzielt. Die Müller beklagen in ihren Eingaben, dass auf den Schiffmühlen die Erbpacht deutlich geringer sei, dass generell das Geschäft wegen verstärkten Kartoffelanbaus zurückgegangen sei und zudem die Kunden ausblieben, weil sie wegen der finanziellen Situation der Erbpachtmüller eine schlechtere Mehlqualität erwarteten. Interessant ist auch zu erwähnen, dass die vier Erbpachtmüller erkannten, dass ihre Mühlen überflüssig geworden waren, denn allein die vier Schiffmühlen und die neu hinzugekommenen drei Windmühlen seien ausreichend, um die Stadt mit ihren 1.600 Einwohnern zu versorgen. Die kleinen Bockwindmühlen mit zumeist einem Mahlgang waren somit nicht mehr konkurrenzfähig. Um 1910 existierten insgesamt noch zehn Windmühlen, aber um 1912 wurden allein drei Bockwindmühlen niedergelegt, die Mühle in Susigke um 1933/34. Die kleinen Bockwindmühlen, zum Beispiel die von Riede, mahlten ca. 50 Wispel im Jahr; bei 200 Tagen pro Tag 330 kg bzw. 6,6 Zentner. Damit war eine Bockwindmühle um Größenordnungen von der Produktivität der Mittel- und Großmühlen ihrer Zeit entfernt[3].
Insgesamt besaß Aken in Laufe seiner Geschichte im Stadtgebiet mehrere Schiffmühlen, Windmühlen, eine Wassermühle, Rossmühlen, Ölmühlen, eine Dampfmühle, die von C. Hannemann im Küstergarten vor dem Dessauer Tor errichtet wurde, eine Dampfsägemühle und ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Graupenmühle in der Burgstraße. Kurzzeitig hatte noch die Sägemühle Paul Naumann, die so genannte Schlappenmühle, in der Nähe des heutigen Wasserturms existiert. 1967 war es nur noch die Familie Regeler, die in kleinem Umfang gewerbemäßig das Müllerhandwerk in der Motormühle an der Ecke Mühlenstraße/Köthener Chaussee und eine Futtermittelhandlung betrieb.
Zusätzliche Informationen:
Bei Getreide betrug in Preußen 1 Wispel gleich 24 Scheffeln bzw. 384 Metzen, umgerechnet 1319,07608 Litern.
Ab 1750 hatte ein preußischer Taler mit 22,272g ein Silberfeingewicht von 16,704 g. Die sogenannten Vereinstaler (900er Silber) besaßen ab 1857 ein Gesamtgewicht von 18,519 g.
Als Metze wird auch der dem Müller zustehende Anteil am Mahlgut bezeichnet. Die Größe war amtlich festgelegt. Die Mahlgäste verdächtigten den Müller oft, beim Metzen zu betrügen.
Literatur
[1]Zahn, W., Die Burk in Aken, in: GbllMagd 25, 1890, S. 335 – 346.
[2] Gräf, D., Boat mills in Europe from early medieval to modern times, Jütte-Messedruck, Leipzig 2006.
[3]Pfeffer, F.G.C., Chronik der Stadt Aken an der Elbe, gedruckt bei Johann Gottfried Heinrich Alter, Zerbst 1821.
[1] Wegen der Wartungskosten vergab die Stadt die Mühlen i.d.R. in Erbpacht. Die damit verbundenen Zahlungen stellten für die Müller mit den Jahren eine immer größere Belastung dar.
[2] Die Akener Mühlen um 1818. Daneben finden sich noch spätere Mühlen – eine Windmühle 5 (bis 1913, zuletzt Müller Riede) westlich des Mühlenkanals sowie fünf Kappenwindmühlen (A bis E).
[3] Zuvor war Konkurrenz vor allem durch die Dampfmühlen, später durch Motormühlen entstanden. Die Schiffmühlen mit ihrem gleichmäßigeren Antriebsenergieangebot dürften vielleicht um den Faktor Vier besser als die Windmühlen gewesen sein.