Das Kriegsende in Magdeburg 1945*

Zum 75. Jahrestag

Helmut Menzel | Ausgabe 2-2020 | Geschichte

Das Vorrücken der amerikanischen 		Truppen auf Magdeburg vom 14. April 1945. Grafik: H. Menzel
Im Tiefflug aufgenommenes Luftbild der zerstörten Innenstadt von Magdeburg. Penfold (Fg Off), Royal Air Force official photographer, https://t1p.de/fbim  
Soldaten der 30. US Infanterie-Division vor Magdeburg
Vor dem Magdeburger Justizpalast. The U.S. National Archives and Records Administration (NARA) Washington  
US-Panzer in der Kepplerstraße. The U.S. National Archives and Records Administration (NARA) Washington  

Mit Beginn des Jahres 1945 stand Deutschland vor seiner totalen Niederlage. Die „Ardennen-Offensive“ war vom Dezember 1944 bis Januar 1945 zusammengebrochen. Schwere Verluste erlitt die Deutsche Wehrmacht durch die „Weichsel-Oder-Offensive“ der Sowjetarmee, die auf die eindringlichste Bitte Winston Churchills terminlich vorverlegt wurde. Noch kampffähige Verbände der Wehrmacht wurden in aller Eile von der Westfront in Richtung Osten und Südosten abgezogen. Immer wieder rollten auch durch Magdeburg Truppentransporte. Doch die starken Verluste des Feldheeres an der Ostfront durch die Sowjetarmee konnten nicht mehr ersetzt werden. Während an der Ostfront die deutschen Truppen den vorrückenden sowjetischen Einheiten erbitterten Widerstand leisteten, ließ dieser an den westlichen Frontabschnitten im Frühjahr 1945 merklich nach. Die Front verlief hier Ende März an der Rheinlinie. Durch den massierten Einsatz ihrer weit überlegenen Luftstreitkräfte gelang es den kampfstarken Verbänden der britischen und amerikanischen Armee Anfang April, schnell in den mitteldeutschen Raum vorzudringen. Im Vorfeld, am 16. Januar 1945, wurde Magdeburg in einem der schwersten Luftangriffe zu 60 Prozent zerstört. Tausende Tote waren zu beklagen. Bis zum Kriegsende sollten noch 14 weitere Luftangriffe folgen.

Nach der Liquidierung des Ruhrkessels stellte sich den Westalliierten bis zum Erreichen der Elblinie kein nennenswerter Widerstand entgegen. Beginnende Auflösungserscheinungen auf deutscher Seite sollte mit Standgerichten und Erschießungskommandos gestoppt werden.

Noch im Februar 1945 wurden die erreichbaren männlichen Jugendlichen Magdeburgs der Jahrgänge 1929 und 1930 zu 14tägigen Lehrgängen in das HJ-Bann Ausbildungslager, Schule am Sedanring, einberufen. Sie wurden auf dem Schulsportplatz und in den Diesdorfer Sandgruben am Sturmgewehr 44 und an der Panzerfaust ausgebildet. In den letzten Märztagen lief in den Betrieben der zerstörten Elbestadt die Produktion aus. In der Stadt herrschte eine spannungsgeladene Stimmung. Und mitten hinein warfen die britischen und amerikanischen Bomber bei Tag und bei Nacht weiter ihre Bomben. An einem der letzten Tage im März passierten in den Abendstunden abgedunkelte Fahrzeuge die schwer beschädigte Große Diesdorfer bzw. die Poltestraße. Ihr Ziel war die Encke-Kaserne – nun Befehlsstand für die Verteidigung der Stadt Magdeburg. Hier wurden bereits die Kommandeure der hiesigen Truppenteile der Polizei, die führenden Funktionäre der NSDAP und der Stadtverwaltung erwartet. Der zum Kampfkommandant von Magdeburg ernannte Generalleutnant Adolf Raegener, vormals Verteidiger von Küstrin, hatte den Verteidigungsrat der Stadt zusammenberufen. Jetzt wurden die Maßnahmen für die Verteidigung Magdeburgs beraten. Da die 12. deutsche Armee, Hitlers letzte Hoffnung, noch im Aufbau war, mussten die amerikanischen Streitkräfte hier aufgehalten werden. Ihr Ziel war, noch vor der Roten Armee in Berlin einzumarschieren. Am 7. April 1945 wurde Magdeburg offiziell zur „Festung“ erklärt.

In der Zwischenzeit liefen fieberhaft alle Vorbereitungen dazu an. An den Ausfallstraßen nach Süden, Westen und Norden sowie auch in der Innenstadt wurden Panzersperren errichtet und 8,8 cm Flak-Geschütze in Erdkampfstellungen aufgestellt. Mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln hatten die Verteidiger ein tief gegliedertes System von Straßensperren, Panzerfallen und befestigten Häusern errichtet.

Am 5. und 6. April 1945 drückten die Amerikaner den von Einheiten der XI. deutschen Armee gehaltenen Weser-Brückenkopf ein. Weiter nördlich erreichten Truppen der 9. US-Armee die Weser bei Holzminden und Bodenwerder und überwanden den Fluss. Am 7. April hatte auch die 1. US-Armee die Weser erreicht. Kassel wurde am 4. April besetzt, Göttingen fiel am 7. April, Seesen und Duderstadt am 9. April. Damit standen die US-Truppen vor den Toren des Harzes, bereit zum Vorstoß an die Elblinie, mit dem Fernziel Berlin!

Inzwischen stießen Truppen der 9. US-Armee in das nördliche Harzvorland hinein und schlossen Braunschweig ein. Die Stadt kapitulierte am 12. April. Die Amerikaner hatten ihren Vormarsch in Richtung Osten und Magdeburg dessen ungeachtet fortgesetzt. Bereits am Morgen des 11. April erreichten US-Einheiten Wernigerode und gegen Mittag Halberstadt. Gegen 15 Uhr erhielt Magdeburg die Nachricht über den Einmarsch amerikanischer Streitkräfte in Oschersleben. Gegen 17 Uhr verkündete ein lang anhaltender Sirenenton das Signal „Feindalarm“ für das Stadtgebiet Magdeburg. Somit begannen für Magdeburg die dramatischen Tage bis zum Kriegsende im Frühjahr 1945.

Einheiten der 2. US Panzer-Division rückten noch am Abend des 11. April bis Westerhüsen an der Elbe vor, mit der Zielstellung dort einen Brückenkopf zu bilden, der aber in den nächsten Tagen durch deutsche Truppen niedergekämpft wurde. Bei Barby gelang es dann die Elbe zu überschreiten. Magdeburg wurde von amerikanischen Truppen der 2. US Panzer-Division und der 30. US Infanterie-Division bis zum 17. April eingekreist und blockiert.

Nach einem mehrstündigen letzten Luftangriff begann am 17. April der Angriff auf die Elbestadt, der sich bis 18. und 19. April erstreckte. Die Führungsspitzen und Truppenteile der Verteidiger flüchteten auf das Ostufer der Elbe. Nahezu alle Elbbrücken wurden noch sinnlos in den letzten Tagen gesprengt. Magdeburg-West war nun amerikanisch besetzt. Erst am 5. Mai 1945 erreichten Truppen der 69. Roten Armee Magdeburg-Ost und das Ostufer der Elbe. Erst jetzt war für die Magdeburger der Krieg zu Ende. Das erlebte nicht nur die Magdeburger Bevölkerung, sondern auch viele tausende Flüchtlinge aus den Ostgebieten und Evakuierte, die in diesen Wochen vor der heranrückenden Roten Armee auf der Flucht waren. Hinzu kamen zigtausende ehemalige KZ-Häftlinge, alliierte Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, die ihre Freiheit erlangten.

 

Dieser kleine Überblick soll lediglich auf die neue, sehr umfangreiche Dokumentation zum Thema aufmerksam machen. Der Autor Helmut Menzel berichtet in seinem großformatigen Band „Das Kriegsende in und um Magdeburg 1945“ detailliert über das Kampfgeschehen und über die Eroberung der Elbestadt. In einem späteren zweiten Band soll die Besetzung durch die Sowjettruppen behandelt werden. Dem Autor standen sehr viele Militärdokumente aus amerikanischen Archiven und aus dem Militärarchiv der Russischen Föderation Moskau zur Verfügung. Außerdem gelang es dem Autor in etwa zwanzigjähriger Recherche noch zahlreiche Zeitzeugen zu interviewen.

* Das Buch wird Mitte 2020 erscheinen. Herausgeber wird der Kultur- und Heimatverein Magdeburg e. V. sein. Es erscheint in der Schriftenreihe zur Militär- und Garnisonsgeschichte Magdeburg.