Ehrenamt stiftet Identität

Ein Gespräch mit Helmut Qual, Engagementbotschafter Kultur des Landes Sachsen-Anhalt

Interview: John Palatini | Ausgabe 1-2017 | Bürgerschaftliches Engagement | Interview

Helmut Qual in seiner Heimatstadt Sangerhausen, Foto: John Palatini
Helmut Qual auf der ITB 2017, Foto:  Landestourismusverband Sachsen-Anhalt
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Als Engagementbotschafter Kultur des Landes Sachsen-Anhalt werden seit 2013 Bürgerinnen und Bürger des Landes berufen, die im Kulturbereich, zum Beispiel in der Museumsarbeit, im Bibliothekswesen, in der Traditions- und Heimatpflege, der Soziokultur, der kulturellen Bildung oder auf dem Gebiet der Förderung von Musik und Literatur, ehrenamtlich tätig sind. Die Berufung ist eine Auszeichnung für ehrenamtliche Arbeit und zugleich selbst ein Ehrenamt. Die aktuell fünf Botschafter repräsentieren bei zahlreichen Anlässen das ehrenamtliche Engagement im Kulturbereich und stehen Politik und Verbänden beratend zur Seite.

Einer der durch Kulturminister Rainer Robra am 23. September 2016 berufenen Engagementbotschafter ist Helmut Qual aus Sangerhausen. Vorgeschlagen vom Tourismusverband des Landes Sachsen-Anhalt vertritt er die Bereiche kulturelles Erbe und Tourismus.

Zur Person:

Helmut Qual war bis zum Erreichen des Rentenalters für den Landkreis Mansfeld-Südharz tätig, seit 1990 unter anderem als Leiter des Ordnungsamtes sowie als Fachdienstleiter Kreisentwicklung und Tourismus. Von 2002 bis 2006 vertrat er die FDP im Landtag von Sachsen-Anhalt. Neben seinem politischen Engagement widmet er sich aktiv dem kulturellen Leben. Ein besonderes Anliegen ist ihm dabei der Erfolg der Straße der Romanik, der er seit ihrer Gründung 1993 eng verbunden ist.


Herr Qual, seit September 2016 sind Sie als Engagementbotschafter Kultur in Sachsen-Anhalt unterwegs. Wo konnten Sie sich bereits einbringen?

Eingeladen wurde ich beispielsweise von der Biederitzer Kantorei zu zwei großartigen Konzerten nach Magdeburg. Einbringen konnte ich mich in die Erarbeitung eines Tourismuskonzepts für den Landkreis Mansfeld-Südharz und bei einer Ehrenamtsveranstaltung der Stadt Sangerhausen habe ich eine Laudatio für eine Preisträgerin gehalten. Ob mit oder ohne Einladung sehe ich meine hauptsächliche Aufgabe darin, bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Ehrenamtlicher für das Ehrenamt zu werben und dieses zu würdigen.

Im nächsten Jahr feiert die Straße der Romanik ihr 25jähriges Bestehen – ein Projekt, das Sie von Beginn an begleitet haben und das Ihnen besonders am Herzen liegt. Wie bringen Sie sich ein?

Zum einen wirke ich als Jurymitglied an der jährlichen Verleihung der Romanikpreise mit. Eine besondere Aufgabe, die mir durch den Landestourismusverband übertragen wurde, war die ehrenamtliche Mitarbeit an einem Qualitätscheck bei insgesamt 37 Objekten der Straße der Romanik von Oktober 2015 bis März 2016.

An anderer Stelle sprachen Sie in diesem Zusammenhang von einer „Intensiv-Tourismustour“.

Der Besuch von 37 Objekten war natürlich ein ambitioniertes Programm. Ziel war es, mit den Augen eines Besuchers die touristische Präsentation der Objekte zu überprüfen. Gleichzeitig hatten meine Frau und ich so die Möglichkeit, wirklich großartige kulturhistorische Eindrücke zu gewinnen und viele engagierte Menschen zu treffen.

Engagement ist hier ein wichtiges Stichwort, denn die Straße der Romanik ist ein Projekt, das ganz wesentlich davon lebt.

Richtig! Ehrenamtliche unterstützen zum einen hauptamtliche Mitarbeiter bei der Betreuung der Kirchen, Klöster, Burgen und Schlösser. Eine ganze Reihe der kleineren Objekte wird jedoch ausschließlich durch Ehrenamtliche betreut. Das hat mich immer wieder sehr beeindruckt. Ein Projekt wie die Straße der Romanik, das Touristen nach Sachsen-Anhalt führt und ein Wirtschaftsfaktor ist, wäre ohne bürgerschaftliches Engagement nicht denkbar.

Sie engagieren sich nicht nur für die Straße der Romanik. Die Zahl der politischen und kulturellen Ehrenämter, die Sie in den letzten Jahren ausgeübt haben, ist beeindruckend. Lange Zeit waren Sie Kreisvorsitzender der FDP, saßen im Kreistag und im Stadtrat, aktuell arbeiten Sie im Vorstand mehrerer Vereine, engagieren sich für den Erhalt von Orgeln, die Pflege der Orgelmusik und sind in der evangelischen Kantorei Sangerhausen aktiv. Was treibt Sie an?

Engagement gehört für mich zum Leben dazu. Indem ich mich einbringe, bleibe ich ein Teil der Gesellschaft und mit der Welt, die mich umgibt, verbunden. Wichtig ist auch, dass ich viele Aktivitäten gemeinsam mit meiner Frau ausüben kann. Engagement fördert die Bindung an die Region und den Ort, an dem man lebt. Deshalb gilt: Ehrenamt stiftet Identität.

Zwischen Heimat und Engagement besteht also ein Zusammenhang?

Wer sich einbringt, sorgt nicht nur für die eigene Integration in die Gesellschaft, er bindet sich auch an die Umgebung, in der er aktiv ist, lernt sie anders kennen und sehen und kann darüber auch glaubwürdig reden. Was man kennt, kann man wertschätzen. Und wenn man etwas schätzt, wird man sich auch für seine sinnvolle Nutzung und Erhaltung einsetzen.

Neben den positiven Effekten für den Einzelnen, hat bürgerschaftliche Engagement gerade auch im kulturellen Bereich gesellschaftliche Bedeutung. Die Wichtigkeit bürgerschaftlichen Engagements wird von der Politik auch stets betont – zu Recht?

Selbstverständlich zu Recht, denn das Ehrenamt spielt für das Funktionieren der Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Insbesondere im ländlichen Raum wird das kulturelle Leben, von dem die Lebensqualität entscheidend abhängt, fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis realisiert. Deshalb ist es besonders wichtig, dass diese Kulturarbeit die notwendige Förderung und Anerkennung erfährt.

Mit Blick auf viele Kommunalhaushalte ist das oft keine leichte Aufgabe.

Das stimmt leider. Es ist ein Problem, dass die Unterstützung kultureller Aktivitäten als freiwillige Leistung oft dem Sparzwang zum Opfer fällt. Kleinste, unbürokratisch ausgeschüttete Beträge können oft viel bewirken. Stehen sie nicht zur Verfügung, lassen sich zum Beispiel im Vorfeld eines Festes keine Verträge schließen und die Veranstaltung fällt aus. Potentielles Engagement findet nicht statt, das kulturelle Leben ist beeinträchtigt, die Lebensqualität sinkt. Anders formuliert: Schon kleine Beträge haben oft hohen Mehrwert, wenn sie dazu führen, dass sich ehrenamtliches Engagement ereignen kann.

Sie sprachen gerade von Förderung und Anerkennung. Besteht nicht die Gefahr, dass beides gegeneinander ausgespielt wird?

Das Betonen der Wichtigkeit ehrenamtlichen Engagements darf zumindest nicht darauf zielen, unter dem Hinweis auf die knappen Kassen staatliches Handeln durch ehrenamtliche Tätigkeit zu ersetzen. Unbedingt erforderlich ist die kontinuierliche Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit durch professionelle Strukturen und Förderung. Der Eindruck, dass das Ehrenamt gefördert wird, während sich der Staat immer stärker aus der Kulturarbeit zurückzieht, wäre fatal.

Von einem Mitglied der FDP würde man eher erwarten, dass es jeden Rückzug des Staates begrüßt?

Kultur ist immer ein Zuschussgeschäft. Und viele Dinge sind auf einem guten Niveau nicht allein durch die Bürgerinnen und Bürger zu stemmen. Deshalb geht es ohne Staat an dieser Stelle nicht, und zwar gerade dort, wo starke Sponsoren oder Spender schlichtweg fehlen. Die Möglichkeiten Ehrenamtlicher können schnell erschöpft sein – zeitlich, finanziell und, wenn die Unterstützung der öffentlichen Seite fehlt, auch motivational.

Da kommt der Begriff „Anerkennungskultur“ wieder ins Spiel.

Natürlich ist Anerkennungskultur in Form von Ehrenamtsveranstaltungen und Auszeichnungen wichtig – schon als Signal, dass Engagement wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Ehrenamtscards, die Ermäßigungen einräumen, sind sicher auch sinnvoll, um Ehrenamtliche zu unterstützen. Anerkennungskultur ist jedoch nicht nur eine Aufgabe der Kommunen, Landkreise und des Landes. Auch die Bürgerinnen und Bürger sind hier in der Pflicht.

Anerkennungskultur ist also ein Thema, das alle betrifft?

Zusammen mit meiner Frau besuche ich jedes Jahr viele Dutzend Kulturveranstaltungen. Auch das fasse ich unter diesen Begriff. Jeder sollte ehrenamtlichen Leistungen Anerkennung zollen, zum Beispiel indem er Veranstaltungen besucht und im Rahmen seiner Möglichkeit spendet. Das gehört für meine Frau und mich dazu.

Welche Termine werden Sie in diesem Jahr als Engagementbotschafter Kultur noch wahrnehmen?

Natürlich steht das Reformationsjubiläum aktuell im Mittelpunkt. Teilnehmen werde ich deshalb an Veranstaltungen in Allstedt, Stolberg, Eisleben und Wittenberg. Ein besonderer Höhepunkt wird die Verleihung des Romanikpreises am 6. Mai sein. Hier bin ich im Vorfeld als Mitglied der Jury dabei.