Deutsches Forum Immaterielles Kulturerbe

Christian Marlow | Ausgabe 2-2021 | Lebendiges Kulturerbe

Brühtrogpaddeln in Roßdorf: Der „Tüftleralarm“, eine Konkurrenz phantasievoll gestalteter Wasserfahrzeuge, ist seit 2005 eine weiterer Wettbewerb und Attraktion des Brühtrogrennens, hier: „Der Schulbusfährt bereits um 6:10 Uhr“ (Foto: Verein Roßdorf, 2017)

Dem Immateriellen Kulturerbe (IKE) wird gemeinhin nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie dem Materiellen (Welt-)Kulturerbe, das jeder kennt. In Sachsen-Anhalt gehören dazu beispielsweise der Stiftsberg, Schloss und die Altstadt von Quedlinburg, das Wörlitzer Gartenreich und das Bauhaus in Dessau. Um auch das Immaterielle Kulturerbe, die lebendigen kulturellen Ausdrucksformen wie mündlich überlieferte Traditionen, Handwerkskünste oder gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste, mehr in das Bewusstsein der Menschen zu bringen, bedarf es einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit.

Um diese voranzubringen, gründeten der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. (LHB) und der Bund Heimat und Umwelt (BHU) am 28. August 2020 in Magdeburg das Deutsche Forum Immaterielles Kulturerbe. Auf der Website des BHU heißt es dazu: „Das Deutsche Forum Immaterielles Kulturerbe unter dem Dach des BHU vernetzt, bildet weiter und verstärkt das Engagement der vielen, die sich für Immaterielles Kulturerbe einsetzen. Es ist ein Forum für die Engagierten und Initiativen, die sich zusammentun wollen, aber auch für den Kontakt der Aktiven mit Expertinnen und Experten, mit Organisationen und Politik“.[1] Dementsprechend trafen sich in Teilen erstmals auf der begleitenden Tagung unterschiedliche Traditionsträger des IKE aus verschiedenen Bundesländern zum Gedankenaustausch.

Übergeordnetes Thema des 1. Forums war „Wasser und Landschaft“. Seit Jahrtausenden nimmt das Wasser, gemeinhin Flüsse und Seen, eine besondere Stellung in der vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft ein. Im Laufe der Zeit entstanden viele Arbeitstechniken und Traditionen in Verbindung mit dem flüssigen Element, die in Teilen bis heute gepflegt werden. Sachsen-Anhalt ist reich an solchen Traditionen. Einige konnten auf dem 1. IKE-Forum vorgestellt werden. In diesem Heft haben wir eine kleine Auswahl der Beiträge aufgegriffen und es dem Thema „Menschen am Fluss“ gewidmet.

Antonia Beran berichtete von einem Fest, dass es erst seit 30 Jahren gibt, aber mittlerweile einen festen Platz im Festkalender der Region eingenommen hat: das Brühtrogpaddeln in Roßdorf (siehe Beitrag).

Eine alte Tradition in Bezug auf Wasser wird gerade im Süden Sachsen-Anhalts nachhaltig wiederbelebt: das Flößen. Frank Thiel und seine Mitstreiter vom Förderverein Elsterfloßgraben e.V. wollen den Elsterfloßgraben, ein technisches Denkmal, dessen Wurzel auf das aus dem 16. Jahrhundert zurück gehen, sukzessive reaktivieren und wieder durchgängig flößbar machen. Der Verein und seine vielen – auch europaweiten – Partner haben gerade bei der UNESCO einen Antrag, das Flößen als Immaterielles Weltkulturerbe anerkennen zu lassen, eingereicht (siehe Beitrag).

In einem kurzen Beitrag brachte Martin Zepke den Zuhörern das Grabenfischen in Reinstedt näher. Bei diesem Pfingstbrauch fangen Männer, auf den Knien rutschend, mit einem Kescher Forellen in einem von der Selke gespeisten Mühlgraben (siehe Beitrag).

Der Heimatforscher Wolfgang Ermisch berichtete in seinem Vortrag über die Torfkahnschleuse bei Mützel/Genthin, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts den Torftransport von Fienerode nach Genthin in den Plauer Kanal absicherte. Über die Elbe wurden die Salinen in Schönebeck mit dem im Fiener Bruch gewonnen Torf versorgt. Der Torfabbau endete dort um 1890. Von den ehemals 20 Bauwerken des Torfschifffahrtsgrabens ist die Torfkahnschleuse das einzig erhaltene, technische Denkmal.

Auch aus anderen Bundesländern stellten Engagierte ihre Aktivitäten vor. Aus Mecklenburg-Vorpommern referierte Helmut Risch von der IG „Holzboote bewahren und segeln“ über die Tradition der Zeestboote, meist ca. 10 m lange Haffboote, die mit ihrem flachen Rumpf und Segeln vor allem für flache, geschützte Gewässer geeignet ist. Die Zeestboote sind seit dem 15. Jahrhundert als Fischerkähne nachgewiesen.

Über eine alte landwirtschaftliche Technik berichtete Johannes Mohr aus Bayern. Bei Forchheim in Franken haben sich so genannte Wässerwiesen erhalten. Dabei handelt es sich um ein jahrhundertealtes Bewässerungssystem, das den Bauern ertragreiche Wiesen sicherte. Die alten, noch vorhandenen Wehr- und Kanalsysteme müssen gepflegt und gewartet werden. Dazu hat sich in Forchheim eine Bewässerungsgenossenschaft gegründet, um diese Tradition zu erhalten.

Neben den genannten Beiträgen gab es noch weitere spannende Referate, die auf dem Einladungsflyer nachgelesen werden können: https://bhu.de/veranstaltung/deutsches-forum-immaterielles-kulturerbe-2020/.

Das 1. Deutsche Forum IKE war durch die rege Beteiligung und interessanten Diskussionen ein voller Erfolg. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese wichtige Veranstaltung bei den IKE Trägern und Interessierten verstetigt.

[1] Vgl. dazu https://bhu.de/veranstaltung/deutsches-forum-immaterielles-kulturerbe-2020/. Zugriff am 26.4.2021.