Die Ziegelei Hundisburg – ein technisches Denkmal arbeitet und lebt

Ton – Kalk – Gips

von Gerd Srocke | Ausgabe 3-2016 | Lebendiges Kulturerbe

Die Ziegelei vor 1989 © Hundisburger Baustoffmanufaktur
Die Ziegelei heute © Hundisburger Baustoffmanufaktur
Der Zugang zu den Brennkammern © Hundisburger Baustoffmanufaktur
Das Ablöschen des gebrannten Kalksteines © Hundisburger Baustoffmanufaktur
Der Feldbrandofen beim Gipsbrand © Gerd Srocke
Schloss Wernigerode © Gerd Srocke
Der Bergfried der Burg und Festung Regenstein bei Blankenburg  ©Gerd Srocke

Die Ziegelei Hundisburg findet man in Sachsen-Anhalt im Landkreis Börde ca. 35 km westlich der Landeshauptstadt Magdeburg und ca. 8 km südlich der Kreisstadt Haldensleben. Das Dorf Hundisburg zeichnet sich durch einen bedeutenden Denkmalbestand aus. Im Besonderen ist hier die barocke Schlossanlage zu nennen. Die im Ursprung mittelalterliche Burganlage wurde im Verlauf der Geschichte mehrfach zur heutigen barocken Anlage umgestaltet. An die Schlossanlage schließt sich eine barocke Gartenanlage an.
Die Ziegelei Hundisburg als technisches Denkmal von besonderer Bedeutung findet ihren Ursprung in der Gründung eines Handwerksbetriebes und dem Bau eines Ringofens im Jahr 1882. Die handwerkliche Ziegelproduktion wurde im Jahr 1903 in eine industrielle Fertigung überführt. In den folgenden Jahren erfolgte bis zum Jahr 1937 ein stetiger Ausbau der Ziegelproduktion. Im Jahr 1938 konnte das Produktionsprinzip grundlegend verändert werden. Der frühere Ringofen wurde durch einen moderneren Zick-Zack-Ofen ausgetauscht. Mit dieser Anlage konnte in Hundisburg bis 1990 eine ganzjährige Ziegelproduktion sichergestellt werden. In den letzten Jahren wurden jährlich 3,2 Mio. Ziegel produziert.
Mit der politischen Wende und den damit verbundenen wirtschaftlichen Änderungen konnte ein wirtschaftlicher Betrieb der „historischen Ziegelproduktion“ nicht mehr aufrechterhalten werden. In der darauffolgenden Abwicklung der Ziegelei haben engagierte Menschen in Hundisburg mit Unterstützung des damaligen Landkreises aber auch eine Chance gesehen. Mit viel Anstrengung schaffte man es, die Produktionsanlage von 1938 zu erhalten und in ein technisches Denkmal zu überführen.
Neben der Schaffung eines technischen Denkmals bestand und besteht aber auch die Aufgabe, mit den Möglichkeiten der früheren Produktionsstätte eine „kleine Produktion“ aufrecht zu halten. Mit der Hundisburger Baustoffmanufaktur, die vom Förderverein Technisches Denkmal Ziegelei Hundisburg getragen wird, kann der Museumsbetrieb unterstützt werden.

Der Baustoff Ton
Auch in heutiger Zeit spielt der Baustoff Ton noch eine wichtige Rolle. Die verantwortlichen Personen in der Ziegelei Hundisburg sind bemüht, die technische Funktionsfähigkeit der Ziegelei mit der Produktion von Ziegelsteinen unter Beweis zu stellen. Und es gelingt bis heute. Neben den Ziegelsteinen ist auch die Herstellung von Bodenplatten eine kleine Nische geworden. Die Kammern des Zick-Zack-Ofens müssen ja gut gefüllt sein.
Neben der Herstellung von Baumaterialien kommt auch die Kunst im Umgang mit dem Baustoff Ton in Hundisburg nicht zu kurz. Mit dem internationalen Projekt „Terra Arte“ wird Künstlern die Möglichkeit gegeben, mit Ton zu gestalten und diesen im Zick-Zack-Ofen zu brennen.
In der Keramikwerkstatt haben Besucher der Ziegelei die Möglichkeit, sich unter fachlicher Begleitung im Umgang mit Ton auszuprobieren. Ein Angebot, das auch gerne von kleineren Gruppen angenommen wird. Eine Altersbegrenzung besteht natürlich nicht. Und wer für das Gestalten mit Ton mehr Zeit benötigt, hat in der Ziegelei die Möglichkeit, in einem der Gästezimmer zu übernachten.

Der Baustoff Kalk / Löschkalk
Die überlieferte Tradition der Betreibung von Ziegeleien belegt, dass Kalk als Mörtel für die Ziegel mit hergestellt und angeboten wurde. In der Ziegelei Hundisburg hat man sich auch dieser Auf­gabe gestellt. Auf Grundlage der Erfahrungen beim Brennen von Ziegelsteinen wurde ein Feldbrandofen nach historischen Vorgaben errichtet und Kalkstein bei sehr hohen Temperaturen gebrannt und anschließend gelöscht. Der so entstehende Löschkalk wird in separaten Kalkgruben mindestens zwei Jahre gelagert.
Wie vor über tausend Jahren entsteht so ein traditionell hergestellter Baustoff, der aber auch in unserer heutigen Zeit sehr geschätzt wird. Löschkalk wird insbesondere in der Denkmalpflege und beim baubiologischen Bauen verwendet.

Der Baustoff Gips
Neben der Belebung der sehr alten Baustofftechnologie zur traditionellen Herstellung von Ziegelsteinen/Backsteinen und Löschkalk bat die Denkmalfachbehörde die Betreiber der Ziegelei Hundisburg, nach Möglichkeiten und Techniken zu suchen, den historisch verwendeten Gipsmörtel wieder herzustellen. Dieser Baustoff, den wir heute als Hochbrandgips bezeichnen, stellte ein weiteres Mal eine besondere Herausforderung dar. Alte Literatur musste gesucht, gefunden und studiert werden, bis es im Jahr 2002 gelang, in einem weiteren Feldbrandofen Gipsgestein bei hohen Temperaturen zu brennen. Ein deutschlandweites Alleinstellungsmerkmal, auf das die Hundisburger Baustoffmanufaktur stolz sein kann.
Dieser Hochbrandgips wurde seit vielen tausend Jahren bei der Errichtung einer Vielzahl von Bauwerken verwendet. Auch bei uns in Sachsen-Anhalt sind diese Gebäude zu finden. (Bild 4 – 7)
Die Wiederbelebung dieser sehr alten Baustofftechnologie war erforderlich, da in der jüngeren Vergangenheit bei Sanierungsarbeiten mit zementhaltigen Sanierungsmörteln erhebliche Bauschäden festgestellt wurden. Diese Sanierungsschäden beruhen auf Materialunverträglichkeiten zwischen dem sehr alten Gipsmörtel und unseren modernen zementhaltigen Mörteln. Eine Tatsache, die bereits seit vielen Jahren bekannt ist, aber leider auch heute noch nicht die notwendige Beachtung findet.

Die Ziegelei Hundisburg hat somit einen besonderen musealen Wert in der anschaulichen Präsentation der früheren Ziegeleigeschichte. Gleichzeitig trägt die Hundisburger Baustoffmanufaktur mit der Produktion von Baustoffen nach historischen Überlieferungen dazu bei, unseren historischen Gebäudebestand fachgerecht zu sanieren, altes handwerkliches Wissen zu bewahren und bei einem Besuch kann man sich weiter über das Wirken in Hundisburg überzeugen.