Spielend auf dem „Pfad der Geschichte“ durch Brehna
Katja Münchow | Ausgabe 1-2021 | Bürgerschaftliches Engagement
COVID-19 hält seit mehr als einem Jahr unsere Gesellschaft fest im Griff und auch die Heimat- und Geschichtsvereine unseres Landes müssen sich fragen, wie sie unter diesen Bedingungen noch wirken können. Die Eindämmungsmaßnahmen haben 2020 in Brehna – wie überall – viele schöne Pläne vereitelt. Wir Brehnaer hatten im vergangenen Jahr ein großes Fest geplant: „800 Jahre Stadt Brehna“. Viele Brehnaer und Brehnaerinnen, Vereinsmitglieder und Nicht-Vereinsmitglieder, waren monatelang mit den Vorbereitungen für die Feierlichkeiten beschäftigt. Die Mitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins Brehna (HGV Brehna) haben sich in die Arbeit des Festkomitees aktiv eingebracht. Wir entwarfen eine Festschrift, konzipierten eine Ausstellung zu den Höhepunkten Brehnaer Geschichte und organisierten einen historischen Festumzug – doch dann war klar, es wird im Sommer 2020 kein Volksfest in Brehna geben. Nirgendwo! Ähnliche Geschichten können sicher viele Mitglieder des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt erzählen.
Wie gelingt es unter solchen Bedingungen, kulturelles Erbe zu bewahren und erlebbar zu machen? „Neue Wege wagen“, das war die Forderung der Zeit und es gibt im ganzen Land viele schöne Beispiele dafür. Der HGV Brehna hat 2020 ebenfalls einige interessante Projektideen entwickelt. Über eine dieser Ideen berichte ich hier: ein Spiel zum „Pfad der Geschichte in Brehna“.
Den „Pfad der Geschichte“ gibt es in Brehna ganz real. Es handelt sich um 15, in das Gehwegpflaster zwischen Kirche und Rathaus eingelassene Jahreszahlen zu Höhepunkten der Brehnaer Geschichte. Diese Pflastersteine wurden 2009 auf Initiative des HGV Brehna verlegt. Im Ort gibt es drei große Infotafeln, auf denen man sich über die Bedeutung der Zahlen informieren kann. Zudem haben wir zu den Zäsuren unserer Stadtgeschichte einen Flyer entwickelt und bieten Stadtführungen auf dem „Pfad der Geschichte“ an. Eine neue, wunderbare Möglichkeit, zu erfahren, was es mit den Jahreszahlen auf sich hat, ist das Brettspiel, das wir 2020 entwickelt haben.
Die Spielidee ist ganz einfach. Auf einem Spielplan „spaziert“ man mit seinen „Figuren“ vom Startfeld auf dem „Pfad der Geschichte“ durch Brehna. Unterwegs passieren die Spieler einige Sehenswürdigkeiten und „Ereignisfelder“. Hier erhalten sie – sozusagen im Vorbeigehen – Informationen über Brehnaer Denkmale und Ereignisse sowie Handlungsanweisungen.
Großen Wert legten wir auf eine ansprechende Gestaltung des Spielplanes. Es lag nahe, dass ein „Spaziergang“ auf dem „Pfad der Geschichte“ in Brehna an Sehenswürdigkeiten vorbeiführt, die man tatsächlich im Ort findet. Die Verwendung von Fotos wäre eine Option gewesen, doch hatten wir das große Glück, dass wir die Malerin Rosi Voigt für unser Spiel-Projekt gewinnen konnten. Sie wohnt nicht in Brehna, hat aber bereits an einigen unserer Projekte mitgewirkt. Gerade hatten wir Rosi Voigt dafür begeistern können, für die zum Stadtjubiläum geplante Ausstellung einen Bilderzyklus zu den Höhepunkten unserer Ortsgeschichte zu malen. Unter den Entwürfen gab es mehrere Zeichnungen von Brehnaer Sehenswürdigkeiten. Das war der Grundstein für die Illustrierung des Spielfeldes. Unsere Vereinsfreundin Anja Gehrmann übernahm es, den Spielplan am PC zu gestalten. Das ist ihr wunderbar gelungen.
Bei der Spielentwicklung verfolgten wir die Grundidee, dass der Spielplan allein genügt, um zu spielen. Alle Angaben findet man direkt auf dem Blatt. Spielregeln müssen nicht erklärt werden, denn die Spielidee ist einfach erkennbar und jede Spielerrunde kann sich auf eigene zusätzliche Regeln einigen. „Spielsteine“ findet man überall (notfalls im Kies) und in der heutigen Zeit, in der nahezu jeder ein Smartphone besitzt, lässt sich sogar der für das Spiel erforderliche Würfel leicht durch eine WürfelApp simulieren. Die für das Spiel benötigten Informationen und Handlungsanweisungen zu den „Ereignisfeldern“ stehen auf einer „Urkunde“ am rechten Rand des Spielplanes. Hat man ein Smartphone zur Hand, findet man über QR-Codes Erläuterungen zu den abgebildeten Sehenswürdigkeiten auf der Website der Stadt Sandersdorf-Brehna.
Unser Ziel war es, mit einem Spiel – trotz der durch die Coronapandemie bedingten Verschiebung des Jubiläumsfestes – noch 2020 auf das Ortsjubiläum aufmerksam zu machen sowie Kinder und Familien anzuregen, sich spielerisch mit der Geschichte Brehnas zu beschäftigen. Momentan hat das Spiel als Brettspiel vor allem den Vorteil, dass es zu Hause gespielt werden kann, wo keine Ansteckungsgefahr besteht. Ein Spiel kann – gerade unter den aktuellen Bedingungen – Freude und Spaß in die Familien und in den Ort bringen. Das war für alle, die beim Entwickeln des Spielplanes mitgewirkt und dafür viel Zeit investiert haben, ein ganz entscheidender Beweggrund. Als Mitglieder eines Vereines, der sich seit vielen Jahren dafür engagiert, die interessante Geschichte Brehnas publik zu machen, ging es uns aber selbstverständlich auch darum, Wissen zu vermitteln. Über QR-Codes erhält man Daten zur Bau- und Nutzungsgeschichte der abgebildeten Sehenswürdigkeiten. Die „Ereignisfelder“ stehen für historische Zäsuren in der Brehnaer Geschichte. Die damit verbundenen Handlungsanweisungen sind zum Teil an Wissensfragen gekoppelt. Nach drei bis vier Spielrunden kennt wahrscheinlich jeder unsere 15 Zahlen und ihre Bedeutung. Dann weiß man, wann Brehna erstmals urkundlich erwähnt wurde, wann in einer Urkunde zum ersten Mal von der „Stadt Brehna“ die Rede war, dass es Grafen von Brehna gab oder wann Katharina von Bora, die spätere Lutherin, im Brehnaer Kloster lebte. Wenngleich nicht vordergründig zu diesem Zweck entwickelt, so ist unser Spiel im Grunde ein großer Flyer zur Brehnaer Geschichte und das Wissen um diese besondere Geschichte macht stolz auf den Heimatort.
Wir möchten mit unserem Spiel viele Menschen erreichen, Kinder und Erwachsene, Einheimische, Fortgezogene wie auch Besucher aus nah und fern. Jeder soll Freude und kleine Aha-Erlebnisse auf dem „Pfad der Geschichte“ in Brehna haben.
Aus diesem Grunde war es uns von Anfang an wichtig, dass alle, die sich dafür interessieren und vor allem die Kinder, das Spiel
kostenlos erhalten. Um dies zu ermöglichen, haben wir Unterstützer gesucht – und gefunden. Der Ortschaftsrat von Brehna hat einen großzügigen Betrag aus den Brauchtumsmitteln zur Verfügung gestellt. Für die in das Spiel durch QR-Codes integrierten Informationen dürfen wir die Website der Stadt Sandersdorf-Brehna nutzen. Die Brehnaer Firma „Project 66 IT-Systemhaus“ hat dank ihrer Erfahrungen den professionellen Druck organisiert und so konnten wir letztlich viel mehr Spielpläne drucken, als anfangs gehofft. So viel Hilfsbereitschaft gab uns ein großartiges Gefühl und wir danken allen Helfern ganz herzlich.
Die kostenlose Verteilung unseres Spieles soll, so war der ursprüngliche Plan, zum Jubiläumsfest „800 Jahre Stadt Brehna“ erfolgen. Dies ist nun auf Juni 2021 verschoben. Doch wer möchte so lange warten? Als wir den Spielplan im Dezember in den Händen hielten, war klar, dass wir ihn unbedingt noch vor den Feiertagen in viele Familien bringen möchten. Jeder von Ihnen kann sich sicher an die Situation erinnern, als nach und nach klar wurde, dass die Familien wegen der Pandemie zu Weihnachten nicht wie gewohnt zusammenkommen können. Auf dem Brehnaer „Pfad der Geschichte“ kann man sowohl in großer Runde als auch zu zweit spielen. Vielleicht, so hofften wir, kann unser Spiel in den notgedrungen kleineren Familienkreis etwas Freude bringen und von den Sorgen ablenken.
Im Dezember 2020 boten wir daher öffentlich an, den von uns entwickelten Spielplan noch vor Weihnachten an alle Kinder bis 14 Jahre kostenlos und kontaktlos zu verteilen, sofern sie uns ein selbst gemaltes Bild, auf dem der Namen des Kindes, sein Alter und die Liefer-Adresse vermerkt sind, in den Briefkasten stecken. Mit Blick auf die Vorbereitung der Jubiläumsfeier 2021 baten wir, dass uns die Kinder auf ihren Bildern von ihrem Leben in Brehna erzählen und versprachen, dass wir alle eingereichten Zeichnungen zusammen mit dem Bilderzyklus „Höhepunkte Brehnaer Geschichte“ der Illustratorin des Spielplanes, Rosi Voigt, in der Jubiläumsausstellung „800 Jahre Stadt Brehna“ zeigen werden. Diese Aktion haben wir inzwischen bis zum Frühling 2021 verlängert und in mehrfacher Hinsicht erweitert. Wir bitten nun die Kinder um eine Zeichnung, ein Foto, eine Collage oder eine andere originelle, kreative Arbeit zum Thema „Mein Leben in Brehna“ oder „800 Jahre Stadt Brehna“. Gern darf diese Arbeit gemeinsam mit weiteren Familienmitgliedern und Freunden entstehen. Wir freuen uns über jedes Bild, das wir erhalten.
Inzwischen haben wir schon viele Exemplare unseres Spieles in Brehna und Umgebung verschenkt (und einige auch gegen Bilder „getauscht“). Viele Brehnaer haben uns erzählt, wie ansprechend sie die Spielplangestaltung finden und dass sie viel Vergnügen und Spaß beim Spielen und beim Lesen über die interessante Geschichte ihres Heimatortes hatten. Aus eigener Erfahrung und aus Berichten anderer wissen wir, dass das Blatt Lust weckt, zu spielen, genauer hinzuschauen und anschließend hinaus in den Ort zu gehen, um den realen „Pfad der Geschichte“ zu finden. Es wurden sogar schon Ideen entwickelt, wie man das Spiel im Freien, zum Beispiel direkt auf dem „Pfad der Geschichte“, umsetzen könnte. Eines Tages, wenn die Corona-Gefahr gebannt ist, wird auch das möglich sein.
„Spielend auf dem Pfad der Geschichte“ – angesichts einer gefährlichen Pandemie gehen wir in Brehna „neue Wege“ im wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben dabei viel Freude und ich hoffe, dass es mir gelungen ist, Ihnen unsere Begeisterung für das Brehnaer Spiel zu vermitteln. Gern empfehlen wir das Spielprojekt zur Nachahmung. Vielleicht konnte ich sogar Ihre Neugier auf Brehna wecken? Besuchen Sie uns, sobald die coronabedingten Mobilitäts-einschränkungen aufgehoben sind. Brehna und seine Geschichte sind eine Reise wert.