Von lebendigen Kulturlandschaften und engagierten Dorfgemeinschaften
Kulturerbe-Netz Sachsen-Anhalt
Ulrike Dietrich | Ausgabe 3-2020 | Bürgerschaftliches Engagement
Es ist keine neue Idee des Landesheimatbundes, ein Kulturerbe-Netz zu entwickeln: bereits seit 10 Jahren gibt es dieses ambitionierte Vorhaben. Beginnend mit dem länderübergreifenden EU-Projekt „Vital Landscapes “ (2010 – 2013), über „DemografieFit“ (2015 – 2017), den „Vereinsdialogen“ (2016) und „LandAktiv – Vereine engagieren sich nachhaltig!“ (2018) ist beim LHB und seinen Mitgliedern bereits ein Erfahrungs- und Wissensschatz zum bürgerschaftlichen Engagement der Vereine gesammelt worden, der bewahrt, erweitert und in Netzwerktreffen, Beratungen und anderen Veranstaltungsformaten weitergegeben wird.
Seit 2017 manifestierte sich die Vision, ein Bündnis für das kulturelle Erbe in Sachsen-Anhalt aufzubauen. Während eines Workshops im Herbst 2017 in Ostrau (Saalekreis), zu dem sich 14 Vereine von der Altmark bis zum Burgenlandkreis präsentierten und drei Diskussionsrunden gestalteten, wurde die Idee des Kulturerbe-Netzes Sachsen-Anhalt geboren. Diskutiert wurden die möglichen Wege und Hauptziele für ein erfolgreiches und nachhaltiges Zusammenarbeiten. Maßgeblich waren der Wunsch nach Erfahrungsaustausch und Weiterbildung für Vereine und Engagierte und der Transfer des Knowhows und Wissens, welches in den Dörfern und Gemeinschaften bewahrt wird. Es folgte ein Antrag auf eine dreijährige Förderung, dem das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung im Februar 2019 zustimmte.
Ein vierköpfiger Beirat* steht dem Kulturerbe-Netz zur Seite. Seine Mitglieder unterstützen das Netz mit ihren Erfahrungen aus ihren umfänglichen Vereinstätigkeiten; der Denkmalpflege, Verwaltung und Politik.
Am 17. Mai 2019 fand in Reesen, einem Ortsteil der Stadt Burg (Landkreis Jerichower Land) mit knapp 30 Vereinen die Auftaktveranstaltung für das Kulturerbe-Netz statt. Alle anwesenden Vereine präsentierten sich in Wort und Bild in sogenannten Vereinsporträts, tauschten Erfahrungen aus und erfuhren Wertschätzung und Anerkennung von kommunalen Akteuren und der Politik.
Im zweiten Teil der Veranstaltung standen dann aktuelle Herausforderungen von Lesestuben und Bibliotheken im ländlichen Raum im Fokus. Allein die richtige Verwendung der Begriffe ist bedeutsam. So ist es nicht egal, ob ein Verein eine Lesestube oder eine Bibliothek eröffnen und betreiben will. Eine Bibliothek erfordert wesentlich umfassendere Maßnahmen und Genehmigungen als eine Lesestube oder Leseecke im Dorfgemeinschaftshaus. Und doch kann eine Lesestube den richtigen Zweck erfüllen: Engagierte und Nachbarn ins Gespräch und an einen Tisch zu bekommen bzw. den Austausch über alle Generationen hinweg anzuregen. Neben Erfahrungsberichten und wertvollen Tipps für die Entwicklung, Erhaltung und Belebung von Lesestuben entstand eine lebhafte Diskussion zu Bildungsmöglichkeiten bzw. -chancen und zum lebenslangen Lernen auf dem Land in Sachsen-Anhalt.
In der zweiten Jahreshälfte 2019 wurden in allen Regionen Sachsen-Anhalts Vernetzungstreffen mit vielgestaltigen Fortbildungen durchgeführt. Die Vereine und Initiativen waren eingeladen, sich selbst und ihre Ideen und Visionen für das kulturelle Erbe in ihrem Ort vorzustellen. Dabei zeigte sich dessen große Bandbreite: Dorfgemeinschaftshaus und Kirche, Heimatstube und Schwimmbad, alte Schmiede, Schloss, Mühlgraben, Jugendclub, Festplatz, Park und Streuobstwiese – alles das vermittelt unsere mehrere Jahrhunderte alte, lebendige Geschichte und die Besonderheiten einzelner Landschafts- und Kulturräume. All das sind Objekte, die bürgerschaftlich Engagierte in Initiativen, Vereinen, Genossenschaften, Stiftungen oder gGmbHs erhalten, entwickeln und so Dörfer und Regionen lebendig gestalten und lebenswert erhalten. Die Akteure sensibilisieren in ihrem Umfeld Bürger, Kommunen und Verwaltungen für den Wert dieses bedeutenden kulturellen Erbes.
Über den Jahreswechsel produzierten Dominik Herold, zu diesem Zeitpunkt FSJler beim LHB, Lal Lucie Kreusch und Rosa-Lilli Dietrich, beide waren Praktikantinnen beim LHB, drei Imagefilme über und für die Vereine in Brachwitz (Saalekreis), Hainrode (Mansfeld-Südharz) und Hausneindorf (Landkreis Harz). Nach zahlreichen Gesprächen mit den Vereinsmitgliedern und Drehterminen vor Ort sind kurze, aber sehr authentische Filmzeugnisse von unseren Mitgliedsvereinen entstanden, die auf der Homepage des Kulturerbe-Netzes zu finden sind (www.kulturerbe.lhbsa.de).
2020 nun liegt der Schwerpunkt auf den Fortbildungsangeboten und dem Erfahrungsaustausch zwischen zwei bis fünf Vereinen und Initiativen in einer Region und der Entwicklung von digitalen Angeboten. Mit der digitalen Vereinssprechstunde und mithilfe kurzer Filme, die einzelne Vernetzungstreffen vor- bzw. nachbereiten, können die Netzwerkmitglieder direkt in die Themen einsteigen und schnell Kontakt zu anderen Vereinen aufnehmen.
Nun ist Halbzeit bei der Entwicklung und dem Aufbau des Netzwerkes und der LHB ist auf dem richtigen Weg:
- Die Engagierten und Gemeinschaften tauschen ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus, unterstützen sich und suchen sich die lokalen Experten aus, die vor Ort das kulturelle Erbe innovativ mitgestalten können.
- Die Projektleitung steuert mit zielgerichteten Angeboten und dem Ausbau der Homepage die weiteren Schritte und hat neben dem Ziel der Vernetzung und der Weiterbildung ein weiteres fest im Blick: Das Wissen der Vereine und Engagierten erfassen, sammeln und bewahren und in geeigneter Form allen zur Verfügung zu stellen. Dafür wird 2021 ein Onlinehandbuch veröffentlicht werden, welches im Zuge der Vergrößerung des Kulturerbe-Netzes immer weiter wächst und somit beständig seine Aktualität behält.
Im Kulturerbe-Netz Sachsen-Anhalt kann man auf vielfältige Weise mitwirken und sich beteiligen: Angefangen mit dem Besuch eines Vernetzungstreffens oder der Homepage auf www.kulturerbe.lhbsa.de, über die Präsentation des Vereins oder der Initiative mittels eines „Vereinsporträts“ auf der Homepage bis hin zur aktiven Teilnahme als lokaler Experte und auch als Bündnispartner oder Pate.
Der Aufbau des Netzwerkes zeigt, wie vermeintlich simpler Austausch von Informationen beachtenswerte Innovationen und positive Entwicklungen erzeugt. Beispielsweise wagen Vereine nun Fördermittelanträge zu stellen, neue Konzepte für das Dorfgemeinschaftshaus zu entwickeln, eine verwilderte Streuobstwiese zu pflegen und zu nutzen oder die Vernetzung in der Kommune oder im Landkreis selber in die Hand zu nehmen. Der Austausch von Ideen und Erfahrungen, guten wie schlechten, schafft Potential für Erneuerungen und bestärkt das Gemeinschaftsgefühl, dass das kulturelle Erbe unser Leben bereichert und ein Schatz ist, der vielerorts noch nicht gehoben wurde.