30 Jahre Archäologische Gesellschaft in Sachsen-Anhalt e. V.

Thomas Weber | Ausgabe 4-2021 | Bürgerschaftliches Engagement | Geschichte

Exkursion der AGiSA zum Museumsdorf Düppel (Stadtmuseum Berlin). Foto: Archiv AGISA.
Kieswerk Rogätz, Faustkeil von der Überkornhalde des Abbaugebietes „Auwiesen“, gefunden bei der AGiSA-Exkursion 2013. Foto: Thomas Weber.
Artefaktsuche auf den Überkornhalden der Fa. CEMEX, Kieswerk Rogätz (Gemarkungen Angern, Bertingen und Rogätz). Foto: Archiv AGISA.
Festung Magdeburg, Ravelin 2. Foto: Archiv AGISA.

Am 15. Juni 2021 beging die Archäologische Gesellschaft in Sachsen-Anhalt e. V. pandemiebedingt „in aller Stille“ den 30. Jahrestag ihrer Gründung. Entstanden als erster Verein dieser Art in den „neuen Bundesländern“, macht die Gesellschaft nach der damals verabschiedeten Satzung „es sich zur Aufgabe, auf wissenschaftlicher Grundlage und in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen amtlichen Stellen in Sachsen- Anhalt die archäologische Denkmalpflege sowie die Erforschung der Ur- und Frühgeschichte zu fördern und deren Ergebnisse an breite Bevölkerungskreise zu vermitteln.“[1]. Waren es 1991 48 Gründungsmitglieder, so hat die Gesellschaft jetzt 340 aktive persönliche und neun korporative Mitglieder.

Die Traditionen ehrenamtlicher archäologischer und denkmalpflegerischer Tätigkeit reichen in Mitteldeutschland bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Damals entstanden zahlreiche lokale und regionale Naturschutz- und Altertumsvereine – vor den staatlichen Strukturen für Denkmalpflege und Archäologie, die so vom ersten Augenblick ihrer Existenz an auf das ehrenamtliche Engagement der Vereinsmitglieder zurückgreifen können.

In der DDR war diese Tätigkeit in der Gesellschaft für Heimatgeschichte des Kulturbundes zentral organisiert mit Fachgruppen für Ur- und Frühgeschichte in den Bezirken. Nach dem Beitrittsbeschluss 1990 zeigte sich, dass der Kulturbund als ehemalige DDR-Institution nicht fortexistieren würde. Die Leitung des Landesmuseums drängte auf die Gründung einer Vereinigung vor allem für die interessierte Öffentlichkeit. Die Bodendenkmalpflegeorganisation des 1992 gebildeten „Landesamtes für archäologische Denkmalpflege“ blieb daneben erhalten. Die Zusammenarbeit zwischen Amt und Gesellschaft kam schon dadurch zum Ausdruck, dass die Gesellschaft ihre „Geburtshilfe“ durch die Landesinstitution erhalten hat, als sie auf der Pflegertagung 1991 gegründet wurde. Noch sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft – die Gesellschaft kann durchaus Aufgaben übernehmen, für deren Erfüllung dem Amt Kapazitäten fehlen, z. B. bei der Pflege von Bodendenkmalen.[2]

Die Zeitschrift „Archäologie in Sachsen-Anhalt“ wirkt als Bindeglied zwischen Verein und Mitgliedern. Seit 1991 hatten wir in einer „alten Folge“ zehn Hefte herausgegeben, 2001 wurde nach dem Dienstantritt des neuen Landesarchäologen Harald Meller die gemeinsame Herausgabe der „neuen Folge“ vereinbart. Bisher sind neun repräsentative Bände erschienen, die einen umfassenden Überblick über die aktuellen Aktivitäten von Bodendenkmalpflege und Forschung geben, außerdem Sonderhefte zu speziellen Projekten.

Dem Zusammenhalt der Mitglieder dienen auch die seit der Erweiterung und „Verjüngung“ des Vorstandes 2003 sehr viel häufigeren gemeinsamen Aktivitäten – von Grabungs- und Ausstellungsbesuchen über die Wochenend-Jahrestagungen bis zu mehrtägigen Exkursionen zu deutschlandweit archäologischen „Highlights“. Vor allem Besuche auf laufenden Ausgrabungen, die sich ständig verändern und so unwiederholbare Einblicke ermöglichen, dürften den Teilnehmern in Erinnerung bleiben.

Geochronologisch ältestes Ziel war die „Steinrinne“ bei Bilzingsleben – heute ein Freilichtmuseum im Norden Thüringens, besucht auf der Sonntagsexkursion zur Jahrestagung in Sangerhausen 2018. Inzwischen konnte (im Rahmen der virtuellen Tagung der Hugo-Obermaier-Gesellschaft) nachgewiesen werden, dass der Fundhorizont in die Holstein-Warmzeit vor mehr als 400 000 Jahren gehört. Wenn auch der Artefaktcharakter mancher Flint- und Nicht-Flint-Funde neuerdings in Zweifel gezogen wird, so besteht doch mit den Schädelresten des fossilen Menschen an dessen Auftreten kein Zweifel.

Das Artefaktsammeln auf den Überkornhalden des Kieswerks Rogätz mit seinen bis in die Saale-Eiszeit zurück datierten Artefakten erbrachte zahlreiche Neufunde im Rahmen der Exkursion zur Jahrestagung Bertingen 2013 und bei einem Besuch 2019. Funde aus bis zu 18 Metern Tiefe unter dem Grundwasserspiegel, darunter auch Faunenreste von eiszeitlichen Wild- und holozänen Wild- und Haustieren sowie Keramikscherben vom Neolithikum bis zum Mittelalter, zeigen, dass wir es mit Flussablagerungen von der Eiszeit bis in die Neuzeit zu tun haben.

Zu den historisch jüngsten Zielen gehörte 2019 der Magdeburger Festungs-Sanierungsverein „Ravelin 2“, der sich um ein Stück Festungs-Westfront aus dem Jahr 1873 kümmert und diesen Anlagen nach jahrzehntelangem Leerstand durch eine neue Nutzung neues Leben einhauchen will. Im Inneren der mächtigen „Doppelkaponniere“, die Belagerer der Festung vom Überqueren des Grabens abhalten sollte, werden Ausstellungen zur Militärgeschichte Magdeburgs gezeigt.

Mehrtägige Wochenend-Exkursionen führten uns in den letzten Jahren u. a. nach Rüdersdorf, Berlin und Ziesar, ins Altmühltal und zuletzt 2018 nach Franken.

Die Vielfalt unserer Auseinandersetzungen mit Archäologie und Geschichte beschränkt sich nicht auf das „Konsumieren“ an interessanten Grabungsorten. 2019 konnten wir das Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie besuchen und erhielten spannende Einblicke in dessen Arbeit. In einer Zeit interdisziplinärer Zusammenarbeit sollten ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger die Möglichkeiten überblicken, die sich aus der wissenschaftlichen Bearbeitung ihrer Funde ergeben. Dabei kann die Gesellschaft „mitspielen“: Mit dem „Förderpreis Archäologie“ werden aus Spendenmitteln Arbeiten der Ur- und Frühgeschichtsforschung unterstützt: von der Kostenübernahme für Sondierungsgrabungen bis zur Finanzierung naturwissenschaftlicher Proben, wie neuerdings der 14C-Datierung eines Schildkrötenpanzers, der im Kieswerk Barleben-Adamsee entdeckt wurde, in die letzte Eiszeit!

Interessenten sind bei uns jederzeit willkommen und können sich informieren im Internet unter www.agisa.de, bei Facebook über http://www.facebook.com/pages/Archaeologische-Gesellschaftin-Sachsen-Anhalt-eV/230957430284172. Per Email erreichen Sie uns über kontakt@agisa.de

 

Literatur:

Mechthild Klamm, Anna Weide 2021: Der Schneebeere zu Leibe rücken. Pflegearbeiten der archäologischen Gesellschaft in Sachsen-Anhalt e.V. (agisa e.V.) an ausgewählten archäologischen Denkmalen in der Dölauer Heide, Stadtkreis Halle Sachsen-Anhalt-Journal 2, 17 – 21.

Satzung 1991: Archäologische Gesellschaft in Sachsen-Anhalt. Archäologie in Sachsen-Anhalt (alte Folge) 1, 4 – 6.

[1] Satzung 1991, S. 4.

[2] Klamm und Weide 2021.