Kulturdenkmal des Jahres 2022 – Mühlen und Hammerwerke

Pflege und Erhaltung eines alten Kulturguts – Impressionen aus der Tätigkeit des Arbeitskreises Mühlen Sachsen-Anhalt e. V. (Mühlenland Sachsen-Anhalt, Teil 12-1)

Henry Bergmann | Ausgabe 1-2022 | Bürgerschaftliches Engagement | Kulturlandschaft

Bild 1 Alte Turmwindmühle und neue „Windmühlen“ bei Alleringersleben. Foto: Henry Bergmann.
Bild 2 Helmut Notzke in der Mühle Plössnitz. Foto: Martina Baumann.
Bild 3 Rainer Westphal in der Mühle Chörau. Foto: Henry Bergmann.
Bild 4 Historisches Gebäude der Wassermühle Chörau. Foto: Henry Bergmann.
Bild 5 Wasserkraftwerk in der ehemaligen Papierfabrik Dr. Lange in Bernburg. Foto: Henry Bergmann.
Bild 6 Ansicht der ehemaligen Saalemühle Bernburg mit neuem Wasserkraftwerk. Foto: Henry Bergmann.
Bild 7 Getriebe- und Generatoransicht im Gebäude der ehemaligen Saalemühle. Foto: Henry Bergmann.

Angelehnt an das Jahresthema der so genannten Europäischen Landesdekade (DALE) hat der der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU) zusammen mit seinen Mitgliedsverbänden historische bzw. erhaltene Mühlen und Hammerwerke zum Kulturdenkmal 2022 gewählt. Mühlen und Hammerwerke gehören seit rund 2000 Jahren zu den Technologien, die den Menschen prinzipiell die Arbeit erleichterten bzw. viele Tätigkeiten erst lohnenswert möglich machten. Leider sind die Zeugnisse dieses technischen Fortschritts zumeist verschwunden, mitunter dominieren im Landschaftsbild neue „Windmühlen“ ihre Vorläufer (Bild 1), was im weiteren Sinne auch für die Stahl- und Schmiedewerke des 19. und 20. Jahrhunderts gilt, die moderneren weichen mussten. Im heutigen Sachsen-Anhalt bemüht sich u. a. der Arbeitskreis Mühlen Sachsen-Anhalt e. V., der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung DGM ist, seit vielen Jahren um Bewahrung und Erinnerung an das technische Erbe.

Von den Anfängen des Vereins

Die Bewahrung der Mühlen im weitesten Sinne beginnt nicht erst mit der politischen Wende 1989/90. Bereits davor bemühten sich viele Interessierte, dieses alte technische Kulturgut zu erhalten und in der DDR-Zeit gelang es zuweilen, den Verfall von Mühlen aufzuhalten. So ließ der Kulturbund u a. die noch vorhandenen Wind-, Wasser- und Motormühlen in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts erfassen. Diese Angaben bilden in aktualisierter Form die Basis einer Datenbank mit 1.156 Mühlen in Sachsen-Anhalt.

Der Arbeitskreis Mühlen Sachsen-Anhalt e. V. ist über die Website https://muehlen-sachsen-anhalt.de/ im Internet vertreten. Er wurde im Jahr 1990 gegründet, um landesweit allen Mühleninteressierten eine neue organisatorische Heimat zu bieten. Mitglieder des Vereins sind Mühlenbesitzer, lokale Vereine und Einzelpersonen. Er trifft sich in Versammlungen zweimal im Jahr an unterschiedlichen Mühlenstandorten. Zu seinen Aufgaben gehören die fachliche und organisatorische Unterstützung von Mühlenerhaltungsmaßnahmen und deren Bekanntmachung, aber auch die geschichtliche Erforschung. Alljährlich wird am Pfingstmontag mit Mühlenöffnungen zur Besichtigung der bundesweite Mühlentag der DGM unterstützt. Turnusmäßig, so auch 2022, wird die DGM-Jahreshauptversammlung in unserem Bundesland organisiert.

Ein Leben für die Mühlen – Helmut Notzke

Für 14 Jahre wurde der Arbeitskreis Mühlen Sachsen-Anhalt e. V. von einem Vorsitzenden geleitet, der nun Ehrenvorsitzender des Vereins ist. Geboren am 25. 4. 1931 in Pommern, besuchte Helmut Notzke zunächst vier Jahre die Schule in Lanzig, danach ebenfalls vier Jahre die Oberschule in Köslin. Lanzig war auch der Standort der familieneigenen Windmühle – einer Bockwindmühle, die zur Paltrockwindmühle umgebaut wurde. Daher war es logisch, dass er nach der Schule eine Lehre zum Muller auf der Windmühle begann. Die Kriegswirren verhinderten zunächst einen Abschluss, dann brannten 1946 durch Fremdeinwirkung das Gehöft und die Mühle ab; die Notzkes flohen ins Thüringische nach Apolda. Um die Familie mitzuernähren, arbeitete er zunächst in einem Bauerngut in Obertrebra. Sein Vater vermittelte ihm anschließend in der Turmwindmühle Oberreisen bei Erwin Heide die Fortsetzung seiner Ausbildung, die er 1948 abschloss. Im Anschluss arbeitete er bis 1952 in der Wassermühle Hörnitz bei Zittau und später im Nahrungsmittelkombinat Albert Kuntz in Wurzen. Ab 1953 setzte er seine Qualifizierung in der Müllerschule Dippoldiswalde fort. Nach seinem Abschluss als Mühleningenieur zog es ihn 1956 kurzzeitig in den Betrieb VEB Kaffee und Tee Radebeul und im Jahre 1957 in die Schokoladenfabrik Halle. Hier arbeitete er bis zur Verrentung 1996 als Hauptmechaniker, technischer Direktor und zeitweise als amtierender Direktor. Nach 1990 erwarb er die Bockwindmühle Plössnitz, die er wieder mit Flügeln versah, wartete und der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Helmut Notzke übernahm 2002 den Vorsitz des Arbeitskreises von Holger Bönisch, später folgten ihm Wilhelm Gille und Ludgar Eckers. In seiner Amtszeit setzte Helmut Notzke neue Impulse, vermittelte altes Wissen, wirkte aktiv in der Mühlenerhaltung und gestaltete viele Mühlentage mit.

Von der Rettung der historischen Wassermühle in Chörau

Auf dem heutigen Territorium Sachsen-Anhalts existierten früher an den Flüssen und Bächen hunderte Wassermühlen, die für verschiedene Zwecke genutzt wurden. Einige davon sind heute noch als technische Denkmale erhalten, andere werden zumindest noch zu Wohnzwecken genutzt. In der Altmark, wo 1880 noch 310 Windmühlen und 92 Wassermühlen existiert haben sollen, wurde vor Jahren für touristische Zwecke der Altmärkische Mühlenweg kreiert. Zumeist sind die Wassermühlen früherer Zeiten aber abgetragen bzw. verschwunden.

Eine besondere Geschichte rankt sich um die Wassermühle Chörau im Osternienburger Land. Hierher soll sich 1547 der anhaltische Fürst Wolfgang von Anhalt-Kothen und Bernburg auf der Flucht vor den Kaiserlichen nach der Niederlage bei Mühlberg im Schmalkaldischen Krieg gerettet haben. Der Müller Hildebrandt tarnte ihn als Gesellen und täuschte damit die Häscher – so die Volkslegende. Alle Söhne, die später in der Mühle geboren wurden, sollen den Namen Wolfgang erhalten haben.

Noch vor wenigen Jahren bot der Vierseitenhof mit der Mühle ein Bild des Jammers. Das historische Mühlengebäude drohte auseinander zu fallen, das Dach brach bereits ein. In nur wenigen Jahren gelang es jedoch dem Dessauer Vereinsmitglied Rainer Westphal (Bild 3), der das Grundstuck gekauft hatte, mit vielen Helfern die Gebäude zu sanieren und den Verfall zu stoppen (Bild 4). Inzwischen wurde auch die Mühlentechnik neu aufbereitet; sie kann wie zuletzt mit einem alten Motor zu Demonstrationszwecken angetrieben werden. Geplant ist auch die Inbetriebnahme eines neuen Wasserrads, wie es schon früher, vor der Nutzung einer Ossberger-Turbine, verwendet wurde. Die Restaurierung der Wassermühle Chörau kann natürlich nur beispielhaft und stellvertretend für viele andere Wassermühlen hier aufgeführt werden.

Wassermühlen werden zu Elektrizitätswerken

Heute werden noch erhaltene Wassermühlen oft zur Gewinnung von Strom genutzt. Koppelt man eine Turbine oder ein Wasserrad einer kleinen Mühle im unteren Kilowatt-Leistungsbereich mit einem Generator zur Stromerzeugung, so geschieht das in der Regel aus Freude am Hobby. In früheren Jahren wurde zudem oft nebenbei in Mühlen Strom zur Beleuchtung erzeugt (Gröbzig, Schlossmühle Dessau, Jonitzer Mühle, Neugattersleben, Mägdesprung, Ilsenburg etc.), während die Turbinen hauptsachlich die Transmissionen bedienten. Anders sah und sieht es aus, wenn es gilt, die Wasserkraft größerer Flüsse zu nutzen, die mitunter in den Megawatt-Leistungsbereich reicht. So ist es nicht verwunderlich, dass nach der Wende oft an alten Mühlen- und Industriestandorten (neben Talsperren und Flusskraftwerken) neue Wasserkraftwerke entstanden. Beispiele finden sich an der Saale in Weißenfels, Halle (bis 1975, Kröllwitz in Planung), Rothenburg, Bernburg, Hadmersleben, Alsleben und Calbe. An der Mulde arbeiten Kraftwerke in Raguhn, Jeßnitz und Dessau (Jonitzer Mühle). Daneben existieren noch diverse Kleinanlagen an Graben und kleineren Flüssen. In Bernburg betrieb Mathias Mönchmeier bis zum Verkauf 2019 zwei Kraftwerke, die in der ehemaligen Papierfabrik Dr. Lange (drei Turbinen) und in der ehemaligen Saalemühle (fünf Turbinen) untergebracht waren. Die Bilder 5 bis 7 zeigen entsprechende Darstellungen.

Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie hat Erhalt und Wiederbelebung der alten Standorte nicht einfacher werden lassen, da die Durchgängigkeit für Fischwanderungen gewährleistet werden muss. Es müssen kostenaufwändig Fischtreppen hinzugebaut werden, die (besonders für kleinere Mühlen) eine starke ökonomische Belastung darstellen. Leider kann so die historische Gebäudesubstanz oft nicht in dem dafür notwendigen Maße erhalten werden.

Hammerwerke in Sachsen-Anhalt

Während Wind- und Wassermühlen allgemein gut bekannt sind, haben es die Hammerwerke weniger ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geschafft. Dabei ist das Auf und Ab eines mechanischen Hammers vielseitig einsetzbar. Es kann die schwere Arbeit des Schmiedens erleichtern, Materialien zerkleinern oder eine Presse unterstützen. Schmiedehämmer wurden verwendet, um Metallrohlinge zu bearbeiten – z. B. um Profilstähle zu erzeugen, aber auch um den Kohlenstoffgehalt im Eisen zu beeinflussen (Frischen). Entsprechend viele Nachweise, wenn auch heute nicht mehr erhaltene Werkstätten, sind für Hammerschmieden zu finden. Hammerwerke zum Zerkleinern von Rohstoffen, z. B. von Eisenerz vor dem Abrösten oder zum Abschlagen von Schlackeresten nach der Roheisengewinnung, sind oft mit dem Bergbau bzw. der Metallgewinnung verbunden. In unserem Bundesland wird seit Jahrhunderten Metallbergbau betrieben, insbesondere in der Harzregion und im Mansfeldischen. Er ist eng mit der Gewinnung von Eisen, Silber, Blei, Kupfer, Zinn und anderen Elementen verknüpft, die dem Hammer oft den entsprechenden Namen gaben. Karten zu Dutzenden alter Standorte von Bergwerken in der Harzregion finden sich bei Dobler (1999). Doch allein in Thießen im Fläming ist bis in unsere Tage ein kleiner Kupferhammer als Museum erhalten geblieben. Den Hammerwerken wird sich ein ausführlicherer Beitrag zu einem späteren Zeitpunkt widmen.

Literatur

Dobler, L.: Der Einfluss der Bergbaugeschichte im Ostharz auf die Schwermetalltiefengradienten in historischen Sedimenten und die fluviale Schwermetalldispersion in den Einzugsgebieten von Bode und Selke im Harz, Dissertation, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle 1999.