300 Jahre Kursächsische Postmeilensäulen

Martin Beitz | Ausgabe 3-2022 | Geschichte

Postmeilensäule Zörbig. Foto: Martin Beitz.
Postmeilensäule Zörbig, Detail. Foto: Martin Beitz.
Viertelmeilenstein Bad Lauchstädt. Foto: Martin Beitz.
Jahreszahl Halbmeilensäule Wolfen. Foto: Martin Beitz.
Wolfen, Kursächsische Halbmeilensäule. Foto: Martin Beitz.

Bis zum Wiener Kongress 1815 gehörten größere Teile Sachsen-Anhalts zum Königreich Sachsen. Dies trifft insbesondere auf den heutigen Burgenlandkreis und den Landkreis Wittenberg, aber auch auf Teile des Saalekreises, der Kreise Mansfeld-Südharz und Anhalt-Bitterfeld sowie des Jerichower Landes zu. Vor mittlerweile 300 Jahren entschied sich der sächsische Kurfürst August der Starke, nach römischem Vorbild entlang der Poststraßen seines Reiches Postmeilensäulen aufzustellen. Dafür mussten diese Straßen zunächst vermessen werden, was einige Zeit in Anspruch nahm.

Diesen Vermessungsprozess konnte man besonders schön am westlichen Stadttor von Leipzig sehen, wo eine Distanzsäule aus dem Jahr 1722 vor dem Ranstädter Tor die Entfernung zu den Orten entlang der Straße nach Weißenfels und darüber hinaus angab, für die Strecke über Merseburg und Freyburg nach Südwesten aber nur die Angabe „St.“ vermerkte. Dieses Kürzel bezeichnete die damals gängige Wegstunde, ein Längenmaß, das einer halben sächsischen Meile (4,5 Kilometer) entsprach.

Dazu kamen noch die Distanzsäulen, zu deren Errichtung alle Städte verpflichtet waren. Ob dies alle Städte umgesetzt haben, ist bis heute nicht restlos geklärt. Dennoch kann man belegen, dass es einst auch im heutigen Sachsen-Anhalt dutzende Postmeilensäulen gab. Anlässlich des 300jährigen Jubiläums des Beginns der Setzung der Entfernungsanzeiger lohnt daher die Frage, wo diese abgeblieben sind.

Postmeilensäulen unterschieden sich in vier Haupttypen, von denen drei entlang der Straßen standen: die Ganzmeilensäulen immer dort, wo eine volle Meile vollendet war, die Halbmeilensäulen auf halber Strecke zwischen ihnen und die Viertelmeilensteine an den Positionen der Viertel- und der Dreiviertelmeile. Der vierte Typ war die Distanzsäule, die mit Abstand am prächtigsten ausgestattet wurde: die Obelisken besaßen Wappen und an mehreren Seiten umfangreiche Inschriften, die nicht nur die Entfernung zu anderen Orten angaben, sondern auch Posthäuser und Grenzen sowie abzweigende Straßen deutlich machten. Dies erleichterte das Reisen enorm und machte Entfernungen für Reisende nachprüfbar.

Die Messung für die Poststraßen des Kurfürstentums Sachsen erfolgte von Leipzig und Dresden aus, so dass alle kursächsischen Postmeilensäulen entlang der Straßen eine Reihennummer erhielten, die jeweils dort begann. Betrachten wir alte Stadtpläne Leipzigs, dann sehen wir zahlreiche Poststraßen, die dort ihren Ursprung haben. Als Messestadt zog Leipzig den Verkehr förmlich an und nicht selten waren die Poststraßen Teil einer viel weiter führenden Fernverbindung. So führte eine wichtige Straße über Köthen nach Magdeburg. An dieser stehen heute wieder zwei Distanzsäulen: die von Landsberg und Zörbig.

Aus historischen Dokumenten, die im Landesarchiv von Sachsen-Anhalt aufbewahrt werden, wissen wir, dass hier auch 20 Jahre nach dem Ende der sächsischen Herrschaft noch zahlreiche Post meilensäulen zu finden waren, denn damals entschied man, sie endgültig zu entfernen. Die Schreiben in der Akte „Wegschaffung der vormals sächsischen Postsäulen“ (C 50 Bitterfeld A, Titel I Nr. 27) aus dem Jahr 1833 berichten von Standorten im nun preußischen Kreis Bitterfeld. Genannt werden Säulen bei Zörbig sowie entlang der heutigen Bundesstraße 2, von denen nur noch die Distanzsäule in Kemberg, eine Halbmeilensäule in Eisenhammer und ein im Museum in Wittenberg aufbewahrter Viertelmeilensteinrest vorhanden sind.

Die Säule von Kemberg zeigt das relativ typische Schicksal der Distanzsäulen in der preußischen Provinz Sachsen: Sie wurden teilweise gezielt abgebaut und die Steine durch die Städte, die sie ursprünglich auch errichtet hatten, entweder verkauft oder umgenutzt. Während in Zörbig ermittelt werden konnte, dass die Distanzsäule von 1730 im Dezember 1833 abgebaut wurde, kann man das im Fall von Kemberg nur vermuten. Aus dem Jahr 1833 existiert eine weitere Akte im Landesarchiv, die den Titel „Die Wegschaffung der sächsischen Postsäulen betreffend“ (C 50 Schweinitz, Teil I Nr. 1565) trägt und sich dem preußischen Kreis Schweinitz (heute Teile der Landkreise Wittenberg und Elbe-Elster) widmet.

Derartige Schreiben sind bisher für andere Kreise zwar nicht bekannt, aber in Kemberg (damals Kreis Wittenberg) wurde im Jahr 1835 eine Schule errichtet und als man diese in den Jahren 1934 und 1935 abriss, fand man als Teil des Fundaments Schriftblock & Sockel der Säule wieder. Man brachte diese auf den Marktplatz und im Jahr 1979 wurde die Anregung der „Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen“ umgesetzt und die Distanzsäule unter Verwendung eines Reststücks wieder hergestellt.[1] Zudem ist für die Stadt Wittenberg, die einst drei Distanzsäulen besaß, belegt, dass der Landrat 1833 die Entfernung der Postmeilensäule anordnete, so dass wohl auch hier ein Abbaubefehl für den ganzen Kreis bestand.[2]

Auch im benachbarten Gräfenhainichen wurden Reste der Distanzsäule als Teil einer Schule wiederentdeckt, eine Tatsache, die ausreichend belegen dürfte, dass die Säulen weiterhin im Besitz der Gemeinden geblieben waren und neuen Nutzungen als Bauspolien zugeführt wurden. Dort entdeckte man sie bereits 1896 als Teil der Schultreppe wieder und stellte den Säulenrest zunächst im Schulhof auf. In den Jahren 1971 und 1972 wurde sie in Dessau wieder hergestellt und steht seitdem wieder auf dem Marktplatz.[3] In Landsberg entdeckte man Reste der Distanzsäule in einer Stallwand. Sie wurden ausgebaut und ins Museum gebracht. Im Jahr 1989 wurde eine Kopie aufgestellt.[4]

In Brehna blieb die Distanzsäule hingegen stehen, obwohl es in den Bereich des preußischen Kreises Bitterfeld gehörte. Dies ist ein wichtiger Beleg dafür, dass zwar 1833 der Wille vorhanden war, die Säulen zu entfernen, dieser Befehl aber nicht in jedem Fall umgesetzt wurde. Erst im Jahr 1912 fiel die Säule, als ein Sturm sie umriss, doch selbst dann entfernte man sie nicht, sondern stellte sie zehn Jahre später wieder her. Einen weiteren Schaden erlitt sie im April 1963 durch einen Traktor, so dass man sich schließlich entschloss, eine Kopie anzufertigen, die seit dem 31. Jahrestag der DDR, dem 7. Oktober 1980, an ihrer heutigen Stelle steht.[5] Etwas später, im Jahr 1989, erhielt auch Zörbig eine neue Distanzsäule.[6]

Sehr viel stärker als die prachtvollen Distanzsäulen waren die zahlreichen Entfernungsanzeiger entlang der Poststraßen, von denen es vier pro Meile gab, von dem Abbau betroffen. Doch auch hier lässt sich nicht mit endgültiger Sicherheit belegen, dass dies gezielt geschah. Vermutlich verschwanden einige mit dem fortschreitenden Ausbau der alten Straßen zu Chausseen, andere blieben unbeachtet an den alten Verläufen der Straßen stehen. So wurde der Viertelmeilenstein von Bad Lauchstädt im Jahr 1960 wieder freigelegt. Bis dahin war nur ein Teil von ihm sichtbar gewesen. Im Jahr 1968 wurde er geborgen und 1980 nach einer Restaurierung wieder aufgestellt.[7]

Durch die lange Zeit, die seit dem Abbau vergangen war, gingen aber einige wichtige Informationen verloren. Der Lauchstädter Stein gehörte zur Poststrecke Merseburg-Querfurt-Sangerhausen, die ihren Ursprung aber in Leipzig hatte. In diesem Abschnitt zwischen Merseburg und Leipzig hat sich in Göhren der Rest einer Säule erhalten, der sich an der Ganzmeilenposition befand. Diese Ganzmeilensäule stand für die Entfernung von zwei Meilen von Leipzig, in Merseburg war die dritte und in Kleinlauchstädt die vierte Meile erreicht, so dass der Lauchstädter Stein die Reihennummer 17 (4,25 Meilen von Leipzig) getragen haben müsste. Dass die anderen 15 Steine nicht mehr vorhanden sind, zeigt, wie viele Säulen verschwunden sind. Wann der Lauchstädter Stein aufgestellt wurde, ist nicht bekannt, aber der Stein von Göhren trägt die Jahreszahl 1732, so dass dieses Jahr hier wohl als frühester Zeitpunkt angenommen werden darf.[8]

Ein dritter Stein bei Merseburg erhärtet diesen Verdacht, denn dieser befand sich einst zwischen Niederbeuna und Großkayna, bis man ihn im Jahr 1926 nach Merseburg brachte. Leider ist dieser Stein seit 1977 verschollen, doch trug auch er die Jahreszahl 1732. Sein später Abbau belegt zwar den Erhalt am Straßenrand, allerdings dürfte es sich um einen ähnlichen Fall wie in Bad Lauchstädt handeln, bei dem man den Stein schlichtweg vergaß. Er gehörte zu der anfangs erwähnten Route, die an der Distanzsäule am Ranstädter Tor, dem Stadttor Leipzigs Richtung Westen, noch ohne Entfernungsangaben beschrieben wurde. Von diesem aus erhielt 1722 die Via Regia, die Verbindung von Leipzig nach Frankfurt (Main), ihre Postmeilensäulen. So wurden auch im heutigen Sachsen-Anhalt solche gesetzt, denn die Via Regia führte unter anderem über Lützen, Weißenfels und Naumburg.[9]

Südlich von Naumburg hat sich ein weiterer Säulenrest erhalten. Ungeklärt ist, zu welcher Straße er gehörte, da Naumburg und Merseburg als Städte mit mehreren Poststraßen dazu verpflichtet waren, eine Distanzsäule nicht nur an einer bedeutenden Wegekreuzung wie dem Markt zu errichten, sondern vor jedem Stadttor, durch das ein Poststraße ging. In Naumburg gab es daher allein sechs Distanzsäulen, in Merseburg vermutlich vier. Der Naumburger Stein war aber Teil einer Straßensäule und hat keine hilfreichen Inschriften mehr.[10]

Ähnlich verhält es sich in Zeitz, wo die Situation aber etwas komplizierter war: Nachdem man zunächst sechs Distanzsäulen errichten sollte, wurde ein Kompromiss ausgehandelt. Danach wurden nur vor drei Toren die besonders kostspieligen Distanzsäulen aufgestellt, vor zwei weiteren Toren dagegen wurden nur Ganzmeilensäulen aufgebaut. Die Säule vor dem Badstubentor wurde ganz erlassen. Der zeitversetzte Abbruch (1835, 1840) dürfte belegen, dass nicht überall in der Provinz Sachsen Abbaubefehle erlassen wurden. Vielmehr fielen sie hier dem Ausbau der Straßen durch Preußen zum Opfer, das eigene Meilensteine entlang der neuen Staatschausseen aufstellte.

Seit 1967 hat Zeitz zumindest wieder eine Postmeilensäule. Allerdings handelt es sich bei ihr um die Kopie einer Halbmeilensäule, die im nahen Tröglitz stand und deren Reste im Museum in Zeitz aufbewahrt werden. Immer wieder finden wir Hinweise darauf, wie viele Postmeilensäulen es einst im heutigen Sachsen-Anhalt gab. So hat man in Freyburg (Unstrut) ein Textfeld der ehemaligen Distanzsäule als Torpfosten des Pfarrhauses wiederentdeckt, die Halbmeilensäulen in Wolfen und Eisenhammer tragen jeweils die Reihennummer 18, die in Zeitz die Nummer 54 und die Ganzmeilensäule in Mühlanger die Nummer 52.[11] Jede von ihnen gehörte zu einer anderen Poststraße, allerdings haben die beiden mit den hohen Nummern ihren Anfangspunkt in Dresden.

So haben sich nach 300 Jahren nur klägliche Reste des einst umfangreichen Systems erhalten. Die sechs Distanz- und acht Straßensäulen können aber dennoch viel aus der Geschichte und von dem Umgang mit Hinterlassenschaften der Vorfahren erzählen.

[1] Vgl. LKP (Franke, Jörg, Lexikon Kursächsische Postmeilensäulen, Berlin 1989), S. 266.

[2] Vgl. LKP, S. 403.

[3] Vgl. LKP, S. 238.

[4] Vgl. LKP, S. 275 und Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, Nr. 5: Saalekreis, Halle 1997, S. 76

[5] Vgl. LKP, S. 182.

[6] Vgl. Schlenker, Gerlinde, Auf den Spuren der Wettiner in Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 1999, S. 236.

[7] Vgl. LKP, S. 278.

[8] Vgl. LKP, S. 411-412.

[9] Vgl. Beitz, Martin, Meilenstein-Standorte im Raum Leipzig Teil 1, in: Meilenstein-Journal 42 (2022) 83, S. 21 – 26.

[10] Vgl. LKP, S. 303 bzw. 313.

[11] Vgl. LKP, S. 403, 407 – 408, 309 – 310.