Der Rotmilan: Erforschung und Artenschutz

Ein echter Europäer und heimlicher Wappenvogel Sachsen-Anhalts

Martin Kolbe | Ausgabe 3-2022 | Natur und Umwelt

Rotmilan beim Segelflug. Foto: Christoph Robiller.
Rotmilan frontal. Foto: Carsten Linde.

In engen und weiten Kreisen über Wiesen und Felder und manchmal über den Dörfern fliegend, so haben ihn alle schon gesehen: den Rotmilan. Auch wenn nicht jeder sofort weiß, welcher Vogel das ist, kann man ihn an seiner rostroten Farbe und an seinem markanten gegabelten Schwanz leicht erkennen. Diese beiden, auch ohne Fernglas sehr gut erkennbaren Merkmale, haben ihm auch seine Namen beschert: einerseits natürlich „Rotmilan“ oder „Roter Milan“, aber auch die ältere, heute nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung „Gabelweihe“. Durch sein charakteristisches und leicht einzuprägendes Flugbild, zusammen mit seiner Färbung und dem eleganten Gleiten in der Luft, ist er kaum mit einer anderen heimischen Vogelart, außer dem nah verwandten Schwarzmilan, zu verwechseln. Bei genauem Hinsehen und mit ein bisschen Übung lassen sich aber auch die beiden Milan-Arten leicht unterscheiden. So fehlt dem Schwarzmilan der Gabelschwanz und die Färbung des Gefieders ist weniger kontrastreich, sondern einheitlich dunkelbraun.

Von den einheimischen Greifvogelarten, abgesehen von den seltenen Adlern, hat der Rotmilan mit 140 bis 165 cm die größte Flügelspannweite. Gleichzeitig ist sein Körper im Verhältnis dazu relativ klein. Das macht ihn zu einem perfekten Segelflieger mit großer Flügelfläche und besonders viel Auftrieb im Wind. Diese spezielle Eigenschaft im Körperbau spiegelt sich auch in seiner Lebensweise wider. Während andere Greifvögel viel Zeit auf Sitzwarten verbringen und von dort aus nach Nahrung suchen, segelt der Rotmilan durch die Luft und sucht mit dem Blick nach unten Futter. Damit kann er in kurzer Zeit eine große Fläche nach Nahrung absuchen, die er für sich oder seine Jungen benötigt. Der Speiseplan ist dabei sehr vielfältig gestaltet und enthält alles, was keine pflanzliche Kost ist. Angefangen bei Insekten und Regenwürmern werden auch Frösche, Eidechsen, Schlangen, Fische, kleine Säugetiere wie Mäuse und junge Hasen erbeutet. Dazu kommen Kleinvögel und ein weiterer, sehr wichtiger Bestandteil der Nahrung: Aas. Je nachdem, was der jeweilige Lebensraum hergibt und welche Beute besonders gut verfügbar ist, wird der Speiseplan entsprechend angepasst. Auf jahreszeitliche Veränderungen im Nahrungsspektrum kann sich der Rotmilan flexibel einstellen.

Der Rotmilan benötigt bei der Ausstattung seines Lebensraumes zwei sehr wichtige Kriterien, um brüten und damit für den Fortbestand der Art sorgen zu können: es muss ein geeigneter Nistplatz vorhanden und genügend Nahrung für die Jungvögel verfügbar sein. Am liebsten nistet der Rotmilan in Baumreihen, Feldgehölzen und am Rand von größeren Wäldern. Seine gute Anpassungsfähigkeit zeigt der Milan dadurch, dass durch ihn inzwischen auch Friedhöfe und Parkanlagen in direkter Nachbarschaft zu Wohnhäusern als Nistplatz angenommen werden. Die Wahl des Nistplatzes und der Nestbau erfolgen kurz nach der Rückkehr aus den Überwinterungsgebieten in Spanien und Frankreich im März. Schon Anfang April werden 2 – 3 Eier gelegt. Seine Nahrung findet er meistens in der offenen Landschaft, aber auch am Rand von Ortschaften. Strukturen wie Hecken und Baumreihen, aber auch kleine Gewässer werden ebenso wie Wiesen und Felder nach Beute abgesucht. Bis die letzten Jungvögel groß genug sind und das Nest verlassen, dauert es meist bis Anfang Juli.

So regelmäßig wir den Rotmilan in Sachsen-Anhalt am Himmel kreisen sehen, ist dies nicht überall der Fall. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Süd-Schweden bis Italien und von Portugal bis nach Polen, die Slowakei und Ungarn. Außerhalb Europas ist er weder zur Brutzeit im Sommer noch im Winter anzutreffen. Er bleibt, obwohl er ein Zugvogel ist, das ganze Jahr über in Europa und ist somit ein echter Europäer. Innerhalb Europas ist der Rotmilan keineswegs überall so häufig wie in unseren Gefilden. Mit ca. 15.000 Brutpaaren beherbergt Deutschland fast die Hälfte des Weltbestandes. Doch auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede, was die Häufigkeit des Rotmilans angeht. Insbesondere im Nordwesten und Südosten ist er relativ selten anzutreffen, während sich der Schwerpunkt der Verbreitung auf die Mitte Deutschlands konzentriert. In den Vorländern des Harzes, der Magdeburger Börde und im Thüringer Becken ist der Rotmilan besonders häufig. Der Bestand in Sachsen-Anhalt wird aktuell auf ca. 2.200 Brutpaare geschätzt. Bezogen auf die Fläche ist es damit das Bundesland mit dem größten Rotmilanvorkommen. Folglich resultiert daraus auch eine besondere Verantwortung, die Sachsen-Anhalt für den Erhalt dieser charismatischen Vogelart trägt. Sollte es einmal dazukommen, dass für Sachsen-Anhalt ein neues Wappentier gesucht wird, wäre der Rotmilan bestens dafür geeignet.