Gärtnern, dass es summt und brummt

Der Garten des mischKultur e. V. in Gniest

von Claudia Paula Passin | Ausgabe 2-2019 | Bürgerschaftliches Engagement

Staudenbeet für Insekten, Foto: Paula Passin
Sitzplatz für Workshops am Gewächshaus, Foto: Paula Passin
Amselkind, Foto: Paula Passin

Der Anbau im eigenen Garten war in unserer Region insbesondere zu DDR-Zeiten sowohl in den Dörfern als auch in den Schreber­gärten der Städte für viele eine Selbstverständlichkeit. Die Menschen verfügten über reiche Kenntnisse und gaben diese von Generation zu Generation weiter. Die Gärten waren vielfältig mit nektar- und pollenreichen Stauden, Sommerblumen und Gehölzen bepflanzt. Auch das Halten von Tieren sowie das Imkern waren weit verbreitet. Dadurch konnte so manche Versorgungslücke ausgeglichen und gesundes Obst, Gemüse, Fleisch, Honig, Eier u.v.m. genossen werden.

In den Jahren nach der Wiedervereinigung sind jedoch viele Gemüsebeete gepflegten Rasenflächen und Zierpflanzen ge­wichen und die Tiere wurden meist abgeschafft. Die farbenfrohen Südfrüchte und Produkte in den Geschäften lockten und versprachen hohen Genuss, Vielfalt, Gesundheit und bequemes Konsumieren ohne aufwendige Arbeit im Garten.

Seit wenigen Jahren begreifen jedoch immer mehr Menschen, dass viele Lebensmittel arm an Vitalstoffen, dafür aber reich an Fetten und Zucker sind. Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht und Diabetes bereits bei Kindern lassen aufhorchen. Dazu kommen aufrüttelnde Berichte zu Glyphosat, Antibiotika und zu anderen nachweisbar schädlichen Zusatzstoffen in unseren Lebensmitteln. Auch erkennen immer mehr Menschen, dass sie den Bezug zur Natur verloren haben.

Einen Ausweg aus dieser Situation sehen viele zunehmend darin, selbst tätig zu werden und zumindest einen Teil ihrer Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Kräuter anzubauen. Ob nun auf dem Land oder in der Stadt finden sich vermehrt wieder Hobbygärtner, die begeistert Gurken auf Balkonen, Kohlrabis und Möhren in Kisten auf städtischen Brachflächen und Salatköpfe in vertikalen Wandgestellen anbauen. Dachterrassen werden zu Gemüsegärten, Innenhöfe zu ertragreichen Oasen und Dorfgrundstücke zu Kleinstfarmen. Es werden Gemeinschaftsgärten gegründet, Projekte mit Kindergärten und Schulen initiiert und Parkflächen in ertragreiche Beete umgestaltet. Ganze Gemeinden werden essbare Städte. Junge Leute probieren sich aus, Ältere erinnern sich und geben ihr Wissen weiter.

Eigene Gärten oder auch nur ein kleiner Balkon, eine bepflanzte Baumscheibe oder ein Hochbeet im Gemeinschaftsgarten können wichtige Lernorte für das lebenslange Lernen zu Themen der Nachhaltigkeit sein. Indem Menschen gärtnern, können sie die natürlichen Prozesse beim Wachstum der Pflanzen, den Wechsel der Jahreszeiten und die damit verbundenen Kreisläufe beobachten, wahrnehmen und verstehen lernen. Damit können Gärtner einen intensiveren Bezug zur Natur und mehr Achtsamkeit im Umgang mit Pflanzen, Tieren und sich selbst entwickeln. Die natürliche Umwelt kann dadurch als schützenswert begriffen werden, was optimalerweise in aktivem Tätigwerden für mehr Nachhaltigkeit münden kann. Diese Gedanken lagen der Vereinsgründung des mischKultur e. V. zugrunde, verbunden mit dem Anliegen, einen Ort für Austausch und lebenslanges Lernen zu Themen wie Nachhaltigkeit, Biodiversität und ressourcensparendem Anbau zu schaffen.

 

Der mischKultur e. V.

Unser Verein wurde 2013 gegründet. Der Name mischKultur e. V. ist Programm, denn die Mischkultur ist eine Anbaumethode im naturnahen Gartenbau, die die interessante Beobachtung nutzt, dass sich Pflanzen auf vielfältige Weise in Wachstum, Gesundheit und Geschmack unterstützen können. Dieses Prinzip der gegenseitigen Bereicherung legen wir dem mischKultur e.V. zugrunde. Seit 2014 bieten wir jährlich ca. 18 Workshops an, die vorrangig von Menschen aus dem Landkreis Wittenberg und Nordsachsen im Alter von 14 bis 84 Jahren besucht werden. Unsere Themen umfassen die Bereiche biologisches Gärtnern und Selbstversorgung, die Nutzung von Heil- und Wildpflanzen im Alltag sowie das Erlernen alter Handwerkstechniken.

Wir möchten Menschen dazu anstiften, wieder mehr selbst anzubauen und herzustellen und nicht nur zu konsumieren. Dem beziehungslosen Kaufen, Gebrauchen und Wegwerfen wollen wir sparsamen Gebrauch und Wertschätzung für das selbst Angebaute und Hergestellte entgegensetzen und dazu anregen, die eigene Ernährungs- und Gesundheitssouveränität schrittweise zurückzuerobern.

 

Unser Garten – ein vielfältiger naturnaher Lernort

Der Garten des Vereins mischKultur e. V. befindet sich auf einem ca. 4000 qm großen Privatgrundstück in Gniest bei Kemberg. Die Besitzer stellen uns den Garten und das Seminarhaus zur Verfügung, um sie als Lernort zu nutzen. Hier können Menschen zusammenkommen, um gemeinsam und voneinander zu lernen, wie ein nachhaltigeres Leben gelingen kann.

Das Grundstück wird seit Beginn 2002 konsequent biologisch und im Einklang mit der Natur bewirtschaftet. Dies bedeutet, dass auf chemisch-synthetische Dünger, Pestizide und Torf verzichtet wird. Bodenaufbau und -verbesserung durch Kompost, Wurmhumus, Mulchen, Mischkultur, Gründüngung und die Unterstützung von Nützlingen sind hier seit langem gängige Praxis. Aus diesem Grund wurde 2015 der Garten als Erster im Landkreis Wittenberg als Naturgarten der Aktion „Natur im Garten“ zertifiziert.

Der Garten und das große Gewächshaus dienen dem biologischen Anbau von Obst, Gemüse, Kartoffeln und Küchenkräutern. Dabei wird besonders großer Wert darauf gelegt, alte samenfeste Sorten zu erhalten sowie Wildobstsorten wie z. B. Weißdorn, Kornelkirschen, Felsenbirnen, Vogelbeeren u.a. anzubauen. Wildblumen und Wildkräuter sind wichtiger Bestandteil des Gartens, sie werden gezielt angepflanzt, unterstützt und genutzt. Heute beherbergt der Garten insgesamt fast 200 verschiedene essbare Kultur- und Wildpflanzen, jeweils über 100 Heil-, Bienen- und Schmetterlingspflanzen sowie ca. 50 Färberpflanzen.

Es wurden viele „Wilde Ecken“ geschaffen, Reisig-, Totholz-, Laub- und Steinhaufen aufgeschichtet und diverse Nistmöglichkeiten geschaffen, um die große Anzahl der Vögel, Insekten, Schlangen, Amphibien und Säugetiere im Garten zu unterstützen.

Dass unsere einheimische Tier und Pflanzenwelt massiv bedroht ist, füllt derzeit unsere Medien. Das und insbesondere die kürzlich veröffentlichten Statistiken zum Insektensterben haben uns dazu veranlasst, uns noch mehr als bisher für den Erhalt der biologischen Vielfalt und um größere Nachhaltigkeit zu kümmern. Immer neue Anregungen dazu entnehmen wir aus der sich ständig vergrößernden Permakulturszene, lassen uns z. B. vom Drei-Zonen-Modell von Markus Gastl inspirieren und sind faszinierte Bewunderer und Nachahmer des großartigen Engagements von Reinhardt Witt und dem Naturgarten e. V.

Somit diskutieren wir derzeit sehr intensiv verschiedene Möglichkeiten, noch besser als bisher Kreisläufe im Garten zu schaffen, noch mehr Energie und Wasser zu sparen und Abfälle zu vermeiden. Was können wir konkret in unserem Garten tun, um die Vielfalt zu erhöhen, Vernetzungen zu fördern und Nutzen mit Schönheit in Einklang zu bringen?

Einige Beispiele, die wir gerade oder demnächst umsetzen, seien genannt:

–  Wir experimentieren mit verschiedenen Wasser sparenden Anbaumethoden und wollen unsere Regenwasserspeicher weiter ausbauen.

–  Im Rahmen seines Freiwilligen Ökologischen Jahres errichtet unser FÖJler einen „Käfergarten“. Er gestaltet dazu ein Areal unseres Gartens mit stehenden und liegenden Totholzstämmen, Wildsträuchern und -stauden, um Insekten zu unterstützen, die im und vom Totholz leben und sich vermehren.

–  Darüber hinaus werden wir unseren im letzten Herbst angelegten Teich mit vorwiegend einheimischen Pflanzen gestalten. Schon jetzt haben sich Teichmolche, Wasserläufer, Libellen und Wasserspinnen eingefunden. Ein zweiter Teich und ein Sumpfbeet sind in den „Traumkatalog“ aufgenommen.

–  Inspiriert durch das o. g. Drei-Zonen-Modell wollen wir unsere Pufferzone aus einheimischen Sträuchern als Lebensraum vieler Tierarten weiter ausbauen. Darüber hinaus wollen wir eine Hot­spotzone schaffen. Sie beinhaltet einen oder mehrere Bereiche des Gartens, in denen sich auf abgemagerten Böden eine große Vielfalt an einheimischen Stauden, ein- und zweijährigen Sommerblumen und Kräutern entwickeln kann. Von ihr lebt das Gros unserer einheimischen Insekten, die wiederum wichtige Bestäuber und Nahrung für viele andere Tiere sind.

–  Blühstreifen vor unseren Wildgehölzhecken sollen das ganze ergänzen.

–  Wir bauen eine Komposttoilette, die gänzlich auf eine Wasserspülung verzichtet und kein Abwasser produziert.

–  Weitere Nisthilfen für Vögel, Insekten aber auch Fledermäuse sind in Planung.

–  Wir wollen einen Solarkocher und einen Solartrockner zum Trocknen von Obst, Gemüse und Kräutern bauen.

Summen soll es bei uns, aber auch quaken, hopsen, flattern, eben kreuchen und fleuchen – in einem lebendigen, vielfältigen Garten!

Weitere Informationen unter: www.misch-kultur.de