Glocken für die Marienkirche in Sangerhausen
von Helmut Loth | Ausgabe 3-2017 | Bürgerschaftliches Engagement
Um 1350 wurde die Marienkirche als Gotteshaus der „Vorstadt Neuendorf“ erbaut. Sie ist heute das zweitälteste Kirchengebäude von Sangerhausen. Seit 1539, der Einführung der Reformation in Sangerhausen, war die Marienkirche für drei Jahrhunderte ausschließlich Friedhofskirche. Von 1555 bis 1999 gehörte sie zur „Stiftung Armenkasten“, deren Stiftsinspektoren immer der Bürgermeister und der Superintendent waren. Seit 1857 nutzt die Kirche die Altlutherische Gemeinde (heute Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche – SELK), die hier 1858 ihren ersten Gottesdienst feierte.
1977 musste die Marienkirche wegen starker baulicher Schäden gesperrt werden. Lange fristete sie ein unbeachtetes Dasein. Die inzwischen gegründete „Gesellschaft für Denkmalpflege in Sangerhausen“ startete 1987 erste öffentliche Aufrufe zur baulichen Sicherung des Gebäudes. Aber erst ab 1990 war es möglich, tiefgreifende Anstrengungen zur Kirchenrettung durch bürgerschaftliches Engagement zu unternehmen. Der 1994 gegründete „Initiativkreis Armer Kasten“ schlug vor, die „Stiftung Armenkasten“ aufzulösen und die Marienkirche in das Eigentum der Stadt zu übergeben. Dem stimmte der Stadtrat 1994 einstimmig zu.
Aufgrund der Lage der Marienkirche im „Sanierungsgebiet Kernstadt Sangerhausen“ wurden ab 1993 in fünf Bauabschnitten umfangreiche statisch-konstruktive Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an Dächern, Fassaden und Fenstern vorgenommen. Vorangegangen waren schon erste Notinstandsetzungen durch die Stadt mit Hilfe von Fördermitteln.
Im Jahr 2000 konstituierte sich der aus dem „Initiativkreis Armer Kasten“ hervorgegangene „Kulturverein Armer Kasten e.V.“, in dessen Vorstand die Stadt Sangerhausen und die SELK Sitz und Stimme haben. Von 2003 an berieten Stadt, Kulturverein und Kirchengemeinde über die künftige Nutzung und Innenraumgestaltung, so dass 2013 ein Nutzungsvertrag zwischen der Stadt Sangerhausen und dem „Kulturverein Armer Kasten e.V.“ abgeschlossen werden konnte. Inzwischen hat sich die Marienkirche durch die Initiativen des Kulturvereins und der SELK als ein kulturelles Zentrum von Sangerhausen mit der Möglichkeit der sakralen Nutzung etabliert.
Die Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten in der Marienkirche sind aber noch nicht abgeschlossen. Seit einigen Jahren liegen zwei private Spenden als finanzieller Grundstock zweckbestimmt für die Anschaffung von Glocken für die Marienkirche bereit. Bisher ließ allerdings der bauliche Zustand der Kirche, insbesondere des Turmes, eine Verwendung dieser Mittel nicht zu. Erst mit der 2016 abgeschlossenen Turmsanierung in Verbindung mit dem Glockenstuhleinbau durch die Stadt Sangerhausen aus Mitteln des Städtebaulichen Denkmalschutzes wurde das Thema wieder aktuell. Das Reformationsjubiläum 2017 ist ein würdiger Anlass, das Vorhaben der Glockenanschaffung zu verwirklichen.
Der „Kulturverein Armer Kasten e.V.“, der „Verein für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e.V.“ und die Lutherische Gemeinde der SELK wollen das Vorhaben gemeinsam realisieren. Es sollen vier Glocken gegossen werden, um ein volles Geläut zu erhalten. Zwei davon wurden am 19. August 2017 öffentlich in der Marienanlage von der Firma „Glocken & Kunstguss Hermann Schmitt“ aus Brockscheid (Eifel) gegossen, ähnlich wie dies im Jahr 2013 für die St. Gangolf-Kirche in Hettstedt geschah.
Es gibt noch einen weiteren Anlass für diese Aktion: 1367, also vor 650 Jahren, wurde die Marienkirche erstmals urkundlich erwähnt. Und in der damaligen Kirche läuteten Glocken …
Ein Kuratorium aus Vertretern des Kulturvereins, des Geschichtsvereins und der SELK hat sich der Aufgabe seit 2015 angenommen und dafür eine Spendenaktion initiiert. Die Gesamtkosten werden sich auf ca. 65.000 Euro belaufen. Zurzeit werden noch fleißig Spenden gesammelt, flankiert von zahlreichen Aktionen. Auch der „Lions-Club Rosenstadt Sangerhausen“ beteiligt sich und hat zu Spenden für die Glocke 3 aufgerufen.
Die zukünftigen Glocken der Marienkirche werden sein:
Glocke 1 (Bronzeglocke)
Ton as’ 950 mm ca. 550 kg (aus zweckbestimmten Nachlass)
Glocke 2 (Bronzeglocke)
Ton b’ 870 mm ca. 410 kg (aus zweckbestimmten Nachlass)
Glocke 3 (Bronzeglocke)
Ton ces” 820 mm ca. 350 kg (Lions-Club Rosenstadt Sangerhausen)
Glocke 4 (Bronzeglocke)
Ton des” 760 mm ca. 280 kg (Bürgerglocke)
Mehrere besondere Aktionen sind nach dem Gießen der Glocken geplant. Am 9. September 2017 werden zur 15. Denkmalnacht in Sangerhausen ab 18 Uhr von der Marienkirche aus die vier neuen Glocken durch die Altstadt gefahren. Dabei sind interessante Informationen zu den vorhandenen Sangerhäuser Glocken und ihrer Geschichte zu hören. Am Tag des offenen Denkmals am 10. September werden die Glocken ab 14 Uhr in der Marienkirche geweiht. Und am Vormittag des 31. Oktober 2017 werden die neuen Glocken erstmals vom Kirchturm erklingen und mit ihrem Geläut um 10 Uhr einen ökumenischen Gottesdienst in der Marienkirche am Reformationstag begleiten. Der Klang der neuen Glocken wird dann das vorhandene Geläut in der Stadt bereichern.