Nachnutzung von Industrieanlagen in Aschersleben

Bernhard Lohe | Ausgabe 4-2022

Das 1911 von Stadtbaurat Dr. Hans Heckner errichtete Hauptgebäude des Unternehmens Bestehorn mit Vier-Bogen-Tor und Wasserturm. Foto: Bernhard Lohe.
Im Neubau hinter dem Hauptgebäude der OPTIMA hat vor allem die Grafikstiftung Neo Rauch ihren Platz gefunden. Foto: Bernhard Lohe.
Der ehemalige VEB WEMA Aschersleben. Die „Alte Hobelei“ wurde zu einem Veranstaltungsort umgebaut. Foto: Bernhard Lohe.
Der vormalige VEB Rohrleitungsbau geht auf die 1916 gegründete Firma Thieme zurück. Foto: Bernhard Lohe.

Nach der friedlichen Revolution stellte sich schnell die Frage nach dem Umgang mit den nun aufgegebenen riesigen Industriearealen im Osten Deutschlands, zumal wenn es sich dabei auch um Baudenkmale handelte. Fokussiert auf Sachsen-Anhalt gibt es sehr heterogene Ergebnisse aus den letzten ca. 30 Jahren. Einige Städte weisen immer noch große Industrieruinen auf, andere haben den Transformationsprozess weitgehend gemeistert. Dazu zählt die älteste Stadt Sachsen-Anhalts, Aschersleben.

 

Zur industriellen und demographischen Entwicklung[1]

Ab circa 1860 siedelten sich in Aschersleben Unternehmen des Maschinenbaus und der Papierindustrie an, daneben wurde Kalibergbau betrieben, in der DDR-Zeit überwogen Maschinenbau und Papierverarbeitung.

Als für den Bezirk Halle wichtiger Industriestandort, der aber im westeuropäischen Vergleich wenig wettbewerbsfähig war, trafen die wirtschaftlichen Umbrüche nach 1989 Aschersleben besonders hart – etwa 9.000 Industriearbeitsplätze bei einer Einwohnerzahl von 29.700 im Jahre 1995 gingen verloren. Große Industriebrachen prägten die Innenstadt. Heute sind in Aschersleben insbesondere Firmen der Fließstoffherstellung und des Maschinenbaus angesiedelt.

Mit der bereits erwähnten Industrialisierung wuchs die Einwohnerzahl rasant; lebten um 1800 wohl etwa 9.000 Menschen in Aschersleben, waren es 1900 bereits 27.000. Durch Vertreibung und Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte sich die Einwohnerzahl 1950 auf über 39.000. Zur Wendezeit 1989 waren es noch 34.000 Einwohner.

Die bereits erwähnten wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen Umbrüche führten zu einer für Aschersleben beispiellosen, für Sachsen-Anhalt aber leider „normalen“ Abnahme der Einwohnerzahl. So lebten 2005 noch 25.600 Menschen in Aschersleben, also etwa 8.400 weniger als 1989. Inzwischen wird die Gesamtstatistik durch 11 Eingemeindungen verbessert, der Rückgang der Einwohnerzahl der Kernstadt stagniert. 2021 lebten in Aschersleben ca. 26.300 Menschen.

 

Nachfolgend werden drei „aufgegebene“ Industrieareale vorgestellt:

  • die ehemalige Firma Bestehorn, dann Optima
  • die ehemalige Firma Billeter und Klunz, dann VEB WEMA im Werkzeugmaschinenkombinat Fritz Heckert
  • und der ehemalige VEB Rohrleitungsbau.

 

Firma Bestehorn, dann Optima

1831 wurde in Aschersleben Heinrich Christian Bestehorn geboren, 1861 eröffnete er einen kleinen Betrieb zur Herstellung von Tüten, bald darauf zählte auch Briefpapier zum Sortiment.

1872 kam nach bedeutenden Erweiterungen und technischen Neuerungen in der Firma der Alleinvertrieb von Telegrammformularen im Deutschen Reich hinzu. Schließlich wurde Heinrich Christian Bestehorn zum Geheimen Kommerzienrat ernannt.

Ihm und seiner Familie verdankt Aschersleben viele stadtbildprägende Baudenkmale: die Villen auf der Herrenbreite und vor allem das 1911 von Stadtbaurat Dr. Hans Heckner errichtete Hauptgebäude des Unternehmens mit Vier-Bogen-Tor und Wasserturm. Viele staugeplagte AutofahrerInnen kennen den abgenutzten Koloss noch aus der Zeit der alten F6 / B6, als man sich von Halle in den Harz quälte.

Nach 1945 wurde die Familie enteignet, der VEB OPTIMA entstand und produzierte u.a. Kartons für westliche Konservendosen und Waschmittel.

Nach 1990 übernahm eine ähnlich gelagerte Firma das Gebäude. Der OPTIMA erging es wie vielen anderen Großbetrieben der dahin gegangenen DDR. In die Hoffassade des Hauptgebäudes brach man große Löcher, um die brauchbaren Maschinen gen Süden abzutransportieren. Unzählige Male war ich vom Keller bis zum Dach der OPTIMA unterwegs. Die Szenerie wirkte so, als sei man vor einer heranrückenden Kriegsfront geflüchtet. Ab 2003 begann der Abriss der Industriegebäude bis auf den Hecknerbau und einige Nebengebäude.

Aschersleben bemühte sich früh um eine Revitalisierung der Innenstadt und die Umnutzung der riesigen Industriebrachen. Im Rahmen des Stadtumbauprogramms, der Internationalen Bauausstellung 2010 (in Aschersleben unter dem Motto „von außen nach innen“) und der Landesgartenschau 2010 wurde das gesamte Areal der OPTIMA umgestaltet. 2006 hatte das Stuttgarter Büro Lederer, Ragnarsdottir & Oei einen Architekturwettbewerb gewonnen.

Das denkmalgeschützte Hauptgebäude wurde instandgesetzt und wird heute von mehreren Schulen genutzt. Ein schmaler Anbau Richtung Altstadt leitet zum voluminösen Neubau über, der sich in Richtung der nördlich gelegenen Bestehornvillen und der Herrenbreite anschließt. Im Neubau hat vor allem die Grafikstiftung Neo Rauch ihren Platz gefunden. Der frühere Mitarbeitendenpark wurde in das Gelände der LAGA 2010 integriert.

 

VEB WEMA

Der ehemalige VEB WEMA Aschersleben geht auf eine Werkstattgründung der Unternehmer Billeter und Klunz im Jahre 1857 zurück. Nach der Verstaatlichung wurden Hobel- und Schleifmaschinen produziert. Zum VEB WEMA gehörte auch ein Werk im Nordwesten Ascherslebens an der Wilslebener Straße, welches allerdings nicht zu den hier beschriebenen Objekten gehört. Beide Werke zusammen beschäftigten zu DDR-Zeiten ca. 2.500 Menschen, damit war dieser VEB der größte in Aschersleben. Nachwendebemühungen, den Betrieb am Leben zu erhalten, scheiterten weitgehend. Nach der Wende standen die großen Werkhallen und Verwaltungsgebäude leer, der Boden war durch Schadstoffe schwer belastet. Weitgehend auf Initiative des damaligen Landrates und nachmaligen Präsidenten des Landesverwaltungsamtes, Thomas Leimbach, erlebte das in der Innenstadt von Aschersleben gelegene Areal seine Wiedergeburt.

Einige Bauten wurden abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Heute befinden sich auf dem Gelände, zu dem auch das „Viergiebelhaus“ des Aschersleber Stadtbaurates Dr. Hans Heckner zählt, das Berufsschulzentrum des Salzlandkreises, die Verwaltung der Stadtwerke Aschersleben, die Aschersleber Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH, einige kleinere Unternehmen und eine Veranstaltungsstätte, die „Alte Hobelei“. Die gesamte Anlage ist ein eingetragenes Baudenkmal.

 

VEB Rohrleitungsbau

Der vormalige VEB Rohrleitungsbau geht auf die 1916 gegründete Firma Thieme zurück. In der Heinrichstraße entstanden 1925 bis 1938 zwei langgestreckte Putzbauten, der linke als Produktionshalle, der rechte als Verwaltungsbau, in dem Treppenhaus und viele Innentüren erhalten sind. Architekt war auch hier der Stadtbaurat Dr. Hans Heckner, der während seiner Schaffenszeit nur wenige funktionalistische Bauten errichtete. Heute befindet sich in den denkmalgerecht wiederhergestellten Bauten der Bauwirtschaftshof der Stadt Aschersleben.

 

[1] Für diesen Absatz Vgl. Lohe, Bernhard: Aschersleben von außen nach innen – IBA als Instrument der Stadtentwicklung. In: Stadtbilder – Stadterzählungen. Herausgegeben vom Bund Heimat und Umwelt in Deutschland, Bonn 2015.