Orgeln im Magdeburger Dom – bürgerschaftliches Engagement für paradiesischen Klang

Barry Jordan, Ulrike Groß | Ausgabe 4-2022 | Bürgerschaftliches Engagement

Paradiesorgel im Dom-Nordquerhaus. Foto: Domorgeln Magdeburg e. V.
Neue Hauptorgel im Dom. Foto: Domorgeln Magdeburg e. V.
vor der neuen Remterorgel: Vorstand des Domorgeln Magdeburg e. V. | v.l.n.r.: Martin H. Groß, Barry Jordan, Ulrike Groß, Helge Scholz (Vorsitzender), Mirko Kraft, Helmut H. Seibert (Vorstandsmitglied bis 2013). Foto: Domorgeln Magdeburg e. V.

Der Magdeburger Dom ist ein ganz besonderer Ort. Errichtet 1209 bis 1520 zur Ehre Gottes als Kathedrale eines der wichtigsten Erzbistümer des Mittelalters, ist er der erste gotische Kirchenbau auf deutschem Boden und die Grablege von Kaiser Otto dem Großen. Er ist Pfarrkirche einer kleinen, aber lebendigen Gemeinde, Touristenmagnet und ein wichtiges Kulturzentrum. Mit seiner langen Chortradition und mit zwei neu errichteten Orgeln ist er auch Anlaufpunkt für Musikbegeisterte. Nun soll nach der Vorstellung des Vereins Domorgeln Magdeburg e.V. auch die 50 Jahre alte Paradiesorgel mit Hilfe von Spendern und Stiftern wieder zu neuem Glanz gebracht werden.

 

Die Paradiesorgel

Hoch über der „Paradiespforte“ auf einem Sims im Nord-Querschiff des Domes „schwebt“ die Orgel, die 1970 von der Firma Alexander Schuke Orgelbau Potsdam errichtet wurde. Nach der Beseitigung der Kriegsschäden im Dom bis 1955 kämpfte Landeskirchenmusikdirektor und Domorganist Gerhard Bremsteller leidenschaftlich, aber erfolglos für eine neue große Hauptorgel auf der Westempore. Die alte war kurz vor Ende des 2. Weltkrieges zerstört worden. Als Übergangslösung konnte zunächst aus der bereits wieder aufgebauten, dann aber 1959 gesprengten Heilig-Geist-Kirche die dortige Orgel im Dom-Südseitenschiff aufgestellt werden. Seitens der Staatsmacht der DDR, die für den Dom baulich verantwortlich zeichnete, war nicht an Unterstützung zu denken. So entschlossen sich der Gemeindekirchenrat und Bremsteller, eine kleinere Orgel in der Nähe des Hohen Chores bauen zu lassen und selbst zu finanzieren. Sie sollte die Funktionen sowohl der Westorgel als auch der Chororgel erfüllen. Das Gehäuse wurde vom Architekten Fritz Leweke aus Halle entworfen. Die Paradiesorgel hat 36 Register auf drei Manualen und im Pedal, wurde im neobarocken Stil konzipiert und eignet sich hervorragend zur Interpretation barocker und klassischer Orgelmusik. Dennoch musste sie immer als ein Provisorium gelten. Sie ist nur in der Lage, das Querschiff und die Vierung klanglich zu beherrschen. Seit langem machen ihr Materialprobleme zu schaffen. Der Wunsch nach einer raumfüllenden Orgel blieb seitens der Orgelliebhaber bestehen.

 

Die Orgeln der Vergangenheit

Ein berechtigter Wunsch. Denn der Magdeburger Dom ist seit Jahrhunderten ein Zentrum der Kirchen- und Orgelmusik. So hatte er bereits im 14. Jahrhundert eine erste Orgel. Mehr wissen wir über eine Barockorgel auf der Westempore, die 1604/05 von Heinrich Compenius aus Halle errichtet wurde (42 Register) und deren Prospekt mit vergoldeten beweglichen Figuren bis ins 19. Jahrhundert viel Bewunderung erregte. 1856 erhielt der Dom hinter einem neogotischen Prospekt eine neue große Orgel (88 Register) von Adolph Reubke aus Hausneindorf, die bereits 1905/06 durch einen noch größeren Neubau von Reubkes Nachfolger, Ernst Röver, ersetzt wurde (100 Register). Die Röver-Orgel wurde im Februar 1945 durch einen Bombentreffer in den Turmbereich des Domes fast vollständig zerstört. Mehr als 60 Jahre lang stand die Westempore des Magdeburger Domes leer.

Gerhard Bremsteller hatte bereits in der schweren Nachkriegszeit für den Remter, dem bis 1955 einzig nutzbaren Gottesdienstraum am Dom und bis heute Winterkirche der Gemeinde, eine repräsentative Orgel konzipiert. Sie wurde 1949 von der Orgelbauanstalt Alexander Schuke, Potsdam, vor die Nordwand des Remters gebaut (28 Register). Die alte Remterorgel wurde bis in die 1990er Jahre viel gespielt, war dann aber materialbedingt in schlechtem Zustand und wurde 1997 stillgelegt. Sie konnte 2007 dem Orgelmuseum in Valley/Oberbayern übergeben werden, von wo sie 2010 an eine katholische Gemeinde in Trzebinia bei Krakow (Polen) vermittelt wurde und so weiter gespielt wird.

 

2008: Eine neue Hauptorgel im Dom

Als Barry Jordan 1994 Domorganist wurde, rückte der Wunsch nach einer großen Hauptorgel auf der Westempore wieder stärker ins Bewusstsein. Jedoch war die Domgemeinde mit einem großen Orgel-Neubauprojekt völlig überfordert. So gründeten einige Verbündete vor 25 Jahren am Martinstag 1997 die Aktion Neue Domorgeln Magdeburg e. V. und aktivierten viele Spender und Stifter. Am Ende wurde dieser Verein nicht nur Unterstützer, sondern sogar Auftraggeber für den Bau von zwei neuen Orgeln!

Der Plan sah für die Westempore des Domes eine große sinfonische Orgel vor. Das Instrument sollte nicht ausschließlich dem französischen Stil verpflichtet, sondern auch für Einflüsse aus anderen romantischen Orgelbautraditionen offen sein. Dank vieler Stifter und Spender sowie großzügiger Unterstützung aus öffentlicher Hand (EU im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung [EFRE], Lotto-Toto, Stadt Magdeburg, Volksbank Magdeburg) konnte der Verein im Jahr 2003 nach Ausschreibung den Vertrag mit der Firma Alexander Schuke Orgelbau Potsdam (jetzt Werder/Havel) unterzeichnen. Die Orgel verfügt über 92 Register auf 4 Manualen und Pedal. Ihre einfache, aber majestätische Erscheinung und ihr raumausfüllender und warmer Klang hat seit ihrer Einweihung am 18. Mai 2008 viel Zustimmung gefunden.

 

2011: Ein Juwel im Remter

Nach dem Abbau der Remterorgel und einer Raumsanierung war der Weg offen für einen Neubau. Ein neuer Orgel-Standort wurde im Durchgang zwischen Remter und der sich anschließenden Marienkapelle gefunden. Die Finanzierung wurde erneut ermöglicht durch viele private Spenden sowie Mittel des Konjunkturprogramms II der Bundesrepublik Deutschland. Nach Ausschreibung vergab der Verein den Auftrag an Glatter-Götz Orgelbau (Aach-Linz) mit Rosales Organ Services (Los Angeles). Die Orgel wurde am 8. Oktober 2011 eingeweiht. Sie verfügt über einen Doppelprospekt, mit dem Hauptwerk auf der Remterseite und dem Hinterwerk, das schwellbar ist, zur Marienkapelle hin. Klanglich hat die Orgel eine ganz eigene Persönlichkeit. Sie ist prädestiniert für barocke Literatur und ganz besonders für frühromantische Musik. Ihre rein mechanische Traktur ist überaus präzise, leichtgängig und fein. Der sehr edle Prospekt wurde vom Architekten Graham Tristram (Edinburgh) entworfen.

 

Ab 2017: Wir sanieren unser „paradiesisches Weltkulturerbe“

„Ich wünsche mir als letzten Schritt der bisher so erfolgreichen Erneuerung der Orgellandschaft an unserem Dom die Sanierung der Paradiesorgel“, sagte Kirchenmusikdirektor und Domorganist Barry Jordan und gab den Startschuss mit einem Benefizkonzert zu seinem 60. Geburtstag im Dezember 2017. Der Verein, der mittlerweile den Namen in Domorgeln Magdeburg e. V. geändert hat, fühlt sich erneut angespornt durch die UNESCO, die 2017 die „Tradition von Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland“ zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt hat. Es sind bereits 40.000 EUR private Spenden eingegangen, benötigt werden mehr als 500.000 EUR. Mehrere Register wurden bereits baulich verbessert oder neu gebaut. Im Zuge einer anstehenden Bausanierung des Hohen Chores ist es geplant, der Orgel ein neues qualitätvolles Gehäuse bei gleichem Design zu geben und sie mit neuen Prospektpfeifen zu versehen. Hierfür sucht der Domorgeln Magdeburg e. V. weitere Spender, Stifter und Förderer!

 

Mehr Informationen auf https://www.aktion-neue-domorgeln-magdeburg.de/