Pionier einer nachhaltigen Forstwirtschaft – zum 300. Geburtstag von Hans Dietrich von Zanthier (1717–1778)

von Walter Müller | Ausgabe 3-2017 | Geschichte

Titelblatt der Handschrift „Compendium der Sätze, so bey dem Forstwesen Vorfallen...“ von Zanthier, Ilsenburg Januar 1776, ULB Halle, Ms A 356
Bisher einzig bekanntes Porträt (Scherenschnitt) von Zanthier aus dem Forst-Archiv zur Erweiterung der Forst- und Jagd-Wissenschaft und der Forst- und Jagdliteratur, hrsg. v. Gottfried von Moser, Bd. 9 (1790); Aus:  G. v. Moser, Forst-Archiv, Bd. 9 (1790)

Heute spricht alle Welt von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung. Politiker rund um den Globus fordern ein Umdenken für die Zukunft, damit unsere Nachkommen ebenfalls die Chance besitzen, ihre Bedürfnisse auf der Erde zu befriedigen und ihren eigenen Lebensstil zu wählen. In aller Munde ist heute die Erkenntnis: „Es ist gewiß, daß kein Mensch bloß für sich, sondern auch für andere und für die Nachkommenschaft leben muß“. Kaum aber einer weiß, dass dieser Satz von Hans Dietrich von Zanthier, Vater der Idee nachhaltiger Entwicklung in der Forstwirtschaft und um 1765 Begründer der ersten Forstakademie der Welt in Ilsenburg im Harz, stammt.

Der 300. Geburtstag des gräflich-stolbergischen Oberforst- und Jägermeisters Hans Dietrich von Zanthier [1] bietet Gelegenheit, sich kurz mit seinem Leben und Wirken zu beschäftigen und sein Lebenswerk zu würdigen. Bereits im 18. Jahrhundert forderte dieser, die Natur so zu nutzen, dass sie Zeit findet, sich zu regenerieren. Daher lehrte er in Ilsenburg in der von ihm begründeten Forst­akademie seinen aus vielen Ländern kommenden Schülern „daß in einem Revier jährlich nicht mehr gehauen werde, als die Natur wieder hervorbringe.“ [2] Dies war die Zeit, in der die Forstwirtschaft begann sich zur Forstwissenschaft zu entwickeln.

Geboren wurde Hans Dietrich von Zanthier am 17. September 1717 in Salzfurtkapelle (seit 2004 ein Ortsteil von Zörbig) als jüngstes von acht Kindern des kursächsischen Land- und Kreissteuereinnehmers Heinrich Dietrich von Zanthier (1676 – 1729), Gutsherr auf Salzfurt, Kapelle und Thalheim, und dessen erster Ehefrau Christine Anna Eleonore von Bodenhausen (1683 – 1718) aus dem Hause Görzig. Bereits früh verlor er beide Elternteile (mit 17 Wochen die Mutter und als elfjähriger Knabe den Vater). Seit dem Tod des Vaters wuchs er gemeinsam mit seinem Vetter von Bodenhausen im Herrenhaus in Burgkemnitz bei Bitterfeld auf. Schon im Alter von 15 Jahren wurde Zanthier 1732 Leibpage des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel und absolvierte eine Jägerlehre. Ab 1734 ging er als Jagdpage bei dem bedeutenden Forstmann Johann Georg von Langen (1699 – 1776) in Blankenburg in die Lehre. Im Jahr 1737 begleitete der zwanzigjährige Hans Dietrich von Zanthier von Langen nach Norwegen, um dort im Auftrag des Königs Christian VI. von Dänemark (1699 – 1746) Bergbau und Forstwesen zu fördern. Zanthier erlernte bei seinem Lehrer Vermessung, Einteilung, Kartierung und Abschätzung von Wäldern und deren planmäßige Nutzung. Seit 1740 war er Holzförster und königlich-dänischer Landjunker. Nach dem Tod Christians VI. am 6. August 1746 wurde er mit seinem Lehrer Johann Georg von Langen entlassen. Danach wirkten beide an der Einrichtung und Vermessung der Forsten im braunschweigischen Weserdistrikt mit. Am 1. Januar (Amtseinführung am 9. 1.) 1747 berief Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode (1691 – 1771) Hans Dietrich von Zanthier zum Forst- und Jagdmeister in der Grafschaft Hohnstein mit Dienstsitz in Sophienhof. Für die Grafschaft Wernigerode war die Regierungszeit des Grafen Christian Ernst von 1710 – 1771 eine Zeit aufsteigender Entwicklung. Mit seinem ältesten Sohn Graf Heinrich-Ernst (1716 – 1778) stellte Christian Ernst die Haushaltung der Wernigerödischen-Hohnsteinischen Forsten auf eine ganz neue Grundlage, wozu er vor allem Hans Dietrich Zanthier zur praktischen Umsetzung der bereits von dessen Lehrer Johann Georg von Langen erstellten Grundsätze zur Bewirtschaftung der Forsten benötigte. Daher wurde Zanthier schon reichlich ein Jahr später, am 3. August 1748, zum Oberforst- und Jägermeister mit der Oberaufsicht für den gesamten Wernigeröder und Hohensteinischen Forstbesitz ernannt. Zuvor war seit dem Spätmittelalter in den Harzer Forsten Raubbau betrieben worden. Vor allem der Bergbau hatte Unmengen von Holz in seinen Gruben und Hochöfen verschlungen sowie die zahlreichen
Sägemühlen an allen Flussläufen die Waldbestände stark reduziert. Bis in das 18. Jahrhundert war eine geordnete Forstwirtschaft so gut wie unbekannt. Erst am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde ein rasch zunehmender Mangel an Holz bemerkbar.

Dienstsitz von Zanthier wurde nun der Waldhof bei Ilsenburg. Hier gründete er zwischen 1763 und 1765 die erste forstwirtschaftliche Lehranstalt im europäischen Raum. Er führte die Arbeit seines Lehrers Johann Georg von Langen fort, richtete Forsten ein und stellte Betriebspläne auf. Seine Aufgabe bestand in der Erfassung und Bewirtschaftung der Waldbestände der Familie von Stolberg-Wernigerode und vor allem deren Ertragserhöhung. In seiner langjährigen erfolgreichen Tätigkeit entwickelten sich die Wälder zu ertragreichen Beständen, was für andere Waldbesitzer zum Vorbild wurde. Um die jahrhundertelang misshandelten Forsten des Harzes durch systematische Pflege und Aufforstung wieder in „Normalzustand“ zu versetzen, veranschlagte von Zanthier etwa 160 Jahre.

Als Leiter der von ihm begründeten Forstlehranstalt (Meisterschule) war Zanthier auch wissenschaftlich tätig und verfasste vor allem in seinem letzten Lebensjahrzehnt zahlreiche Schriften zur Forstwirtschaft. Den Hauptgrund für den überwiegend schlechten Zustand der deutschen Wälder sah Zanthier in der meist fehlenden forstlichen Sachkunde. Daher engagierte er sich für die nachhaltige Nutzung und die Holzerneuerung wofür er umfassende Rentabilitätsberechnungen und Planungen durchführte. Der von dem Freiberger Berghauptmann Hannß Carl von Carlowitz (1645 –1714) 1713 erstmals verwendete Begriff der Nachhaltigkeit erfuhr durch Zanthier eine umfassende Konkretisierung durch forstliche Planung und Rentabilitätsberechnungen. Im Jahre 1772 erschien zum ersten Male sein „Forstkalender oder Verrichtungen, die einem Forstmann in jedem Monat des Jahres vorzüglich obliegen“. Zur Ausbildung an der Forstakademie in Ilsenburg gehörten solche Fächer wie standortgerechte Holzwahl, Vermessung und Kartierung, Forstschutz und Forstnutzung sowie Forstwissenschaft. Die Ausbildung war dabei gekennzeichnet durch die enge Verbindung von Theorie und Praxis. Am Vormittag wurden theoretische Vorlesungen gehalten; am Nachmittag folgten praktische Demonstrationen im Wald. Ein Teil seiner zunächst handschriftlich verfassten Arbeiten wurde erst nach seinem Tod aus dem Nachlass gedruckt. Zum Beispiel das im Januar 1776 in Ilsenburg abgeschlossene „Compendium derer Sätze, so bey dem Forstwesen Vorfallen, und als Principia regulativa angesehen werden können, es falle auch Vor was da wolle, sowohl in Betrieb der Forsten selbst, als auch solche nach den besten und Vortheilhaftesten Einkommen und Intereße gemäs betreiben zu können“.[3]

Das Hauptwirkungsfeld von Zanthier war die Grafschaft Stolberg-Wernigerode, seine Ausstrahlung reichte jedoch über Deutschland hinaus. Bereits seine Zeitgenossen erkannten seine Leistungen und würdigten diese. 1776 wurde Hans Dietrich Zanthier von der berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde zum Ehrenmitglied ernannt. Schon der Königlich-Preußische Geheime Forstrat Carl Wilhelm Hennert (1739 – 1800), der reichlich zwanzig Jahre nach von Zanthiers Tod dessen Abhandlungen mit Zusätzen und Anmerkungen neu herausgab, stellte fest: „Man kann dem V. [gemeint ist von Zanthier – W.M.] nicht den Ruhm versagen, daß er der erste gewesen ist, welcher den Grund zu einer vernünftigen Forsteintheilung gelegt hat.“[4] Die Verdienste von Zanthier sind umso höher einzuschätzen, „als er ohne eigentliche wissenschaftliche Vorbildung und – abgesehen von gelegentlicher Ratseinholung bei seinem geliebten Lehrer v. Langen – alles aus sich heraus neu geschaffen hat. Er war durchaus ein Mann der Praxis…“[5]

Geheiratet hat Hans Dietrich von Zanthier am 22. Februar 1751 die am 3. August 1720 auf Gut Benzingerode geborene Louise Sophie Albertina von Schierstedt, ehemalige Hofmeisterin der Prinzessin von Braunschweig. Diese ist am 1. Juni 1789 in Ilsenburg gestorben. Aus der Ehe gingen vier Söhne und vier Töchter hervor. Sein am 6. Mai 1752 geborener Sohn Christian Ernst, gestorben am 11. November 1793 wurde hessischer Oberforstmeister und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters.

Gestorben ist Hans Dietrich von Zanthier mit 61 Jahren am 30. November 1778 in Wernigerode. Noch im gleichen Jahr wurde auch die von ihm begründete und weitestgehend allein betriebene Forstakademie in Ilsenburg geschlossen. Die Eröffnung der ersten deutschen regulären „Forstakademie“ fand 1816 durch den Forstwissenschaftler Heinrich Cotta (1763 – 1844) in Tharandt bei Dresden statt. In Preußen wurde erst 1821 in Berlin eine staatliche Forstakademie gegründet. Im Journal für das Forst- und Jagd­wesen, Band 1, Heft 1 (1790) erschien als unveränderter Nachdruck aus den „Schriften der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde“ [6] die Biographie Zanthiers mit einem Titelkupfer. Der dort dargestellte Forstmann, der Anweisungen bei der Eichelsaat erteilt, zeigt gewisse Ähnlichkeiten mit Hans Dietrich von Zanthier. Daher dürfte es sich mit relativ großer Wahrscheinlichkeit um ein Altersbildnis von ihm handeln.

Ekkehard Schwartz fasste Zanthiers Verdienste als einer der bedeutenden Pioniere der deutschen Forstwissenschaft folgendermaßen zusammen: „ZANTHIERS wissenschaftliche Bemühungen entsprachen den Bedürfnissen seiner Zeit und den Verhältnissen. Mit auf eigenen Erfahrungen und Versuchen beruhenden Fachkenntnissen suchte er den Wissensstand seiner Berufskollegen zu fördern. Zanthier verkörpert dabei den Wissensstand eines ‚Holzgerechten Jägers‘ mit dem eines ‚Kameralisten‘. So ist er als ein erster Vertreter der aufkeimenden Forstwissenschaft im 18. Jahrhundert anzusehen“.[7]

Heute erinnern im Harz u. a. noch die am 6. September 1864 vom Harzer Forstverein gepflanzte „Zanthier-Eiche“ unter dem Ilsestein mit dem später ergänzten Gedenkstein (Zanthier-Platz), das Denkmal in Sophienhof im Hohnsteiner Forst bei Nordhausen sowie der Zanthierpark am Waldhof bei Ilsenburg mit dem am 14. August 1955 errichteten Gedenkstein mit einer gusseisernen Erinnerungstafel an den bedeutenden Forstwirt. 1967 wurde der 250. Geburtstag von Zanthier mit zahlreichen Veranstaltungen im Nordharz würdig begangen.

Der Höhepunkt zu den zahlreichen Feierlichkeiten im 300. Geburtsjahr von Hans Dietrich Zanthier bildet zweifelsfrei der Festakt am 23. September 2017 im Dormitorium des ehemaligen Klosters Ilsenburg.

 

 

[1] Die ältere Literatur und die Quellen zum Leben und Werk von Zanthier sind weitestgehend vollständig zusammengestellt bei Schwartz, Ekkehard: Auf den Spuren des Oberforst- und Jägermeisters Hans Dietrich von Zanthier, 2. erw. Aufl., Oberwinter 2004.

[2] Zitiert nach Schwartz, Ekkehard: Auf den Spuren des Oberforst- und Jägermeisters Hans Dietrich von Zanthier, Wernigerode 1967, S. 45.

[3] ULB, Abt. Sondersammlungen, Ms A 356. Im Druck 1785 erschienen in: Döbel, Heinrich Wilhelm: Neueröffnete Jägerpraktik, oder der wohlgeübte und erfahrne Jäger; worinn eine vollständige Anweisung zur ganzen hohen und niedern Jagdwissenschaft enthalten ist, T. 1, Leipzig, 4. verbesserte in Forstsachen und mit den linneischen Benennungen der Thiere und Holzungen vermehrte Aufl. 1785, S. 99 – 158.

[4] Hennert, Carl Wilhelm (Hrsg.): Abhandlungen über das theoretische und praktische Forstwesen, 2. Sammlung: Hans Dietrich von Zanthier, Berlin 1799, S. 33.

[5] Grosse, Walther: Hans Dietrich von Zanthier. In: Mitteldeutsche Lebensbilder, hrsg. v. d. Hist. Komm. für die Provinz Sachsen u. Anhalt, Bd. 3: Lebensbilder des 18. und 19. Jahrhunderts, Magdeburg 1928, S. 15.

[6] Vgl. Schriften der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde, hrsg. v. Friedrich Wilhelm Otto, Bd. 1 (1780), S.412 –415 („Kurze Lebensgeschichte des Herrn von Zanthier“).

[7] Schwartz, Ekkehard: Auf den Spuren des Oberforst- und Jägermeisters Hans Dietrich von Zanthier (wie Anm. 1), S. 68.