Vom Gasspeicher zum Wissensspeicher – das neue Planetarium Halle (Saale)

Dirk Schlesier und Katrin Keym | Ausgabe 4-2021 | Kulturlandschaft | Natur und Umwelt

Planetarium Halle im Bau, Innenansicht. Foto: Thomas Ziegler / Stadt Halle (Saale).
Modell des neuen Planetariums. Stadt Halle (Saale) / RKW Architektur +

Planetariumsneubau in Halle an der Saale

In Halle (Saale) wird auf der grünen Salineinsel ein neues Planetarium gebaut: unmittelbar neben einem Erholungsgebiet und doch nur wenige Gehminuten vom Zentrum von Sachsen-Anhalts größter Stadt entfernt. Der Ersatzneubau für das 2013 durch Hochwasser zerstörte Raumflug-Planetarium auf der Peißnitzinsel zwischen hallescher Alt- und Neustadt wird aus Flutmitteln des Landes finanziert. Damit erhält Halle, wie vor der Flut, wieder das größte Planetarium in Sachsen-Anhalt. Das neue Planetarium soll eine große Strahlkraft weit über die Stadtgrenze hinaus entfalten.

Dass es bereits während seiner Entstehung deutschlandweit und sogar international Aufmerksamkeit erhält, liegt nicht zuletzt an seiner einmaligen Verbindung von historischer Bausubstanz und moderner Technik.

 

Eine Brücke zwischen „alt und neu“

Die denkmalgeschützte Ziegelsteinfassade des ehemaligen Gasometers am halleschen Holzplatz, der 1889 errichtet wurde und bis 1972 in Betrieb war, bildet die äußere Hülle des einzigartigen Neubau-Projekts. In dem 16 Meter hohen Rondell mit einem Durchmesser von 30 Metern sind drei Geschosse in Betonbauweise entstanden – eine besondere architektonische Herausforderung, mussten doch jede Wand und jedes Bauelement präzise der vorgegebenen runden Ausgangsform angepasst werden.

Die inneren Betonzylinder folgen in ihrer Form jeweils dem historischen Mauerbestand. Über dem Eingangsportal wird der Schriftzug „RAUMFLUG-PLANETARIUM“ des ehemaligen Planetariums angebracht, um hier eine Brücke zwischen „alt und neu“ zu schlagen.

Das neue Planetarium im alten Gasometer ist gemäß den Himmelsrichtungen orientiert: der Eingangsbereich mit Empfang, Ticketkasse und Astro-Shop befindet sich genau im Norden, das Café im Süden – mit sonniger Außenterrasse. Die Zugänge zum großen Sternsaal weisen nach Osten, Süden und Westen. Wesentliche Gebäudemerkmale wie die beiden Treppenhäuser sind spiegelsymmetrisch angeordnet, und das gesamte Planetarium ist barrierefrei über einen Aufzug zu erreichen. Das Foyer erinnert mit seinen über sieben Meter hohen Decken und begehbaren Metallstegen an die ehemals industrielle Nutzung des Gebäudes. Die weiten Glasflächen der neuen Fenster bringen Licht in das Gemäuer und gewähren einen großzügigen Blick in die ursprüngliche Gebäudestruktur.

 

Sternsaal, Beobachtungsterrasse und Sternwarte

Eine weitere Besonderheit des Baus besteht darin, dass das neue Planetarium Sternsaal, Beobachtungsterrasse und Sternwarte in einem Gebäude vereint. Dadurch wird es möglich sein, sowohl virtuell (im Sternsaal) als auch real (auf der Dachterrasse) in die Sterne zu schauen. Das hat Seltenheitswert und ist besonders für die astronomische Bildungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern von großer Bedeutung. Der Sternsaal bildet das Herzstück des Planetariums. Ausgestattet mit einer 12 Meter großen Halbkugel als Projektionsfläche und mit modernster audio-visueller Technik wird der Saal über 100 Gast-Kosmonautinnen und -Kosmonauten Platz bieten. Sechs Zeiss Velvet-LED-Projektoren im Verbund mit dem zentralen Sternprojektor Skymaster ZKP4 zeigen schattenfrei hochaufgelöste Ganzkuppelbilder. Ein Soundsystem mit mehr als 60 umlaufend angeordneten Lautsprechern sorgt für modernen, spacigen Klang. So wird der Sternsaal für Jung und Alt zum Weltraumkreuzer auf spektakulären Reisen durch ferne Galaxien.

Über dem Sternsaal befindet sich eine besondere Dachkonstruktion, welche als begehbare Terrasse und Beobachtungsplattform dient. Die Haustechnik des Planetariums ist gleichfalls auf dem Dach installiert und von außen nicht sichtbar; allein die Sternwarte wird die Attika überragen. Sternwarte und Teleskop werden an die Verhältnisse einer Großstadt angepasst, so dass astronomisches Arbeiten sowohl für die breite Öffentlichkeit und für Schulen als auch für die Wissenschaft möglich ist. Denn Astronomie ist in Sachsen-Anhalt ein eigenständiges Schulfach und wird auch an der halleschen Martin-Luther-Universität gelehrt.

Astronomische Bildung wird in Halle also großgeschrieben. Die kosmischen Ein- und Ausblicke der hauseigenen Sternwarte können zudem in die Kuppel des Sternsaals übertragen werden und sind dort für eine große Personenzahl in Echtzeit zu erleben.

Das neue Planetarium erlaubt es, alle aktuellen Ereignisse in der Astronomie und Raumfahrt zu begleiten, Live-Bilder vom Mars zu zeigen und die nächsten Flüge deutscher Astronautinnen und Astronauten zu verfolgen. Halle ist immer mittendrin! Abgesehen vom Blick in die Sterne kann man auch umgekehrt aus der Weltraumperspektive die Schönheit und Einmaligkeit unseres Planeten im Universum betrachten.

 

Raum für Kultur und Begegnung

Neben der erlebnisreichen Wissensvermittlung entsteht mit dem Planetarium Halle auch ein Welten-Raum für Kultur und Begegnung. Im Foyer werden alte und neue Kunstwerke mit Bezug zu kosmischen Erscheinungen zu bestaunen sein. Bilder des 1931 in Leningrad geborenen prämierten russischen Architekten und wissenschaftlich-fantastischen Künstlers Andrej Konstantinowitsch Sokolow, die aus dem Peißnitz-Planetarium gerettet und aufgearbeitet werden konnten, stehen Werken von Marc Fromm oder der modernen Installation „As far as the eye can see“ des halleschen Burg-Künstlers Etienne-Dietzel gegenüber, der 2019 den Wettbewerb Kunst am Bau gewann.

Darüber hinaus wird das Planetarium Halle zur Bühne für kulturelle Veranstaltungsformate aller Art und ein besonderer Ort für Konzerte, Lesungen, Kleinkunst, Live-Streams, aber auch Kindergeburtstage, private Feiern, Hochzeiten unter dem Sternenzelt, wissenschaftliche Tagungen, Workshops und Firmen-Events. Sternsaal, Seminarraum und Hörsaal verwandeln sich in fliegende Klassenzimmer.

Mädchen und Jungen werden gleichermaßen gefördert, Freude an naturwissenschaftlichen Fragestellungen und Zusammenhängen zu entwickeln. Die Bibliothek hält astronomische Bücher für jede Altersgruppe bereit. So wird das Planetarium zu einer erlebnisreichen Begegnungsstätte für alle Generationen von Kindergarten- und Schulkindern über Studierende, Wissenschaftler und Familien bis hin zum Volkshochschul-Seniorenkurs. Gerade in der Bildungsarbeit kann das neue Planetarium an die erfolgreiche Arbeit des Raumflug-Planetariums auf der Peißnitz anknüpfen und diese auf dem aktuellsten Stand der Technik fortsetzen.

 

Netzwerk und Kooperation

Das Planetarium Halle (Saale) ist bereits jetzt ein wichtiger Netzwerkpartner in einer großen astronomischen Community und beteiligt sich an der Erstellung von neuen Planetariumsprogrammen. Aufgrund seiner modernen Technik muss es sich jedoch nicht auf das Thema Astronomie beschränken. So kann etwa auch eine Reise in die Tiefsee oder in das Innere des menschlichen Körpers durch die 360-Grad-Projektion anschaulich vermittelt werden. Für einen innovativen Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiestandort wie die Stadt Halle ist ein solches Forum der Wissenskommunikation ein großer Gewinn.

Neben der Zusammenarbeit mit anderen Planetarien, mit Sternwarten, Astronomievereinen, Schulen und Universitäten kooperiert das Planetarium Halle mit vielen weiteren Einrichtungen der regionalen Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturlandschaft.

Bereits jetzt finden gemeinsame Veranstaltungen statt etwa mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte, dem Mitteldeutschen Multimediazentrum, der Stiftung Händelhaus, dem Puppentheater Halle, den Franckeschen Stiftungen oder der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Mit dem Bau des neuen Planetariums können sich die Hallenserinnen und Hallenser auf ein weiteres Highlight in ihrer Stadt freuen: einen Ort, der Vergangenheit und Zukunft, Wissen und Kultur verbindet. Einen Ort, so vielfältig wie der Sternhimmel. Einen Ort für alle.*

 

*Informationen zum Baufortschritt und zu Veranstaltungen können auf der Vorab-Internetseite des Planetariums unter http://www.planetarium-halle.de aktuell verfolgt werden. Bis zur Eröffnung des Planetariums Halle (Saale) im zweiten Quartal 2022 finden Sie dort auch die digitalen Aufzeichnungen einiger Folgen der beliebten „Halleschen Sternstunden“ sowie des Richtfestes vom 27. Oktober 2020.