Wer war Wilhelm Traugott Krug? Sollte man ihn kennen?
Isabella Weber | Ausgabe 2-2022 | Geschichte
Diese Frage möchte ich gleich zu Beginn mit einem JA! beantworten. Während meiner Beschäftigung mit dieser Persönlichkeit wurde mir immer deutlicher, dass man heute durchaus sehr viel von ihm lernen kann. Er war in seinem Denken und dem daraus folgenden Handeln seiner Zeit weit voraus.
Dieser Eindruck bestätigte sich, als ich die Sätze von Professor Doktor Uwe Backes, dem stellvertretenden Direktor des Hannah-Arendt-Institutes in Dresden, las. Er schreibt: „Straßen und Plätze sollten nach Krug benannt werden, jedes Schulkind sollte ihn – zumindest in Sachsen – kennenlernen, und in der politischen Bildung müsste er gebührende Würdigung erfahren. Gerade weil der Verfassungsstaat in Deutschland historisch schwächer verwurzelt ist als in Frankreich, Großbritannien, der Schweiz, oder den Vereinigten Staaten von Amerika, verdienen diejenigen Deutschen, die traditionsbildend gewirkt haben, besondere Achtung und Anerkennung.“[1]
Krug wurde am 22. Juni 1770 in dem kleinen Dörfchen Radis bei Kemberg geboren. Sein Vater Johann Christian Krug war Pächter des Rittergutes. Gern hätte er studiert, aber das Geld reichte nicht. 10 Kinder vervollständigten die Familie, vier verstarben in ihren ersten Lebensjahren. Der Vater wollte wenigstens einem seiner Söhne ein Studium ermöglichen. Die Wahl fiel auf Wilhelm Traugott.
Da der Schulunterricht in der Dorfschule unzureichend war, wurden die Krugschen Kinder von einem Hauslehrer des Barons von Bodenhausen unterrichtet. Im Alter von zehn Jahren besuchte Wilhelm Traugott dann die Stadtschule in Gräfenhainichen. Die Familie des hiesigen Superintendenten Hofmann, ein Freund seines Vaters, nahm ihn als Gast während dieser Schulzeit auf.
1782 bekam Krug als 12-Jähriger eine Freistelle durch die Vermittlung des Barons und des Hauslehrers in der Fürstenschule Pforta. Nach Abschluss der Schule ging er 1788 nach Wittenberg, um Theologie zu studieren. Sein Studium setzte er ab 1792 in Jena und ab 1794 Göttingen fort.
Während seiner Jenaer Studienzeit stieß Krug auf Kants Philosophie, die er als Quelle der Weisheit sah und schrieb deshalb: „Ich dachte also: Du musst an die Quelle selbst gehn! Nach Königsberg musst du! Dort thront der erste Weltweise deiner Zeit; zu dessen Füßen musst du dich setzen!“[2]
Zurück in Wittenberg habilitierte er sich im Alter von 24 Jahren und wurde Adjunkt der philosophischen Fakultät.[3] Er erkrankte schwer an Nervenfieber. Nach einem nächsten Rückfall verließ er Wittenberg und ging über verschiedene Stationen (1801 Berlin) 1802 nach Frankfurt / Oder an die Viadrina. Dort wurde er angestellt als selbstständiger Lehrer der Philosophie.
Im Jahr 1804 heiratete er Wilhelmine von Zenge, die ehemalige Verlobte von Heinrich von Kleist. Gemeinsam hatten sie vier Söhne. Im gleichen Jahr wurde er zum Nachfolger des großen Philosophen Immanuel Kant in Königsberg berufen. Das raue Seeklima setzte seinem geschwächten Körper zu, auch seine Frau erkrankte. Als ihn 1809 ein Ruf an die Universität Leipzig erreichte, nahm er das Angebot an.[4]
Als Rektor rief er 1813 Studenten zum Kampf gegen Frankreich auf. Nach der Schlacht bei Leipzig gab er sein Lehramt auf, trat als Freiwilliger in ein reitendes Jäger-Corps ein und kämpfte mit um die Befreiung der Festung Mainz am Rhein von den Franzosen. Nach dem abgeschlossenen Friedensvertrag mit Frankreich im Jahr 1814 nahm er Abschied von der Armee, kehrte nach Leipzig zurück und trat das Lehramt sofort wieder an.
Hervorzuheben ist auf alle Fälle sein Einsatz für die Universität. Er gilt als Reform-Rektor in einer großen Umbruchszeit. Die 400 Jahre alte Nationenverfassung der Universität mit ihrem mittelalterlichen Gliederungsprinzip wurde durch seine Initiative abgelöst.
Krug schaute auch auf die Lebensverhältnisse der Studenten und stieß dabei auf viele Missstände. 1829 schaffte er unübersehbare positive Veränderungen, ohne viele Worte zu machen. Er schrieb: „Ich, der Unterzeichnete, der den größten Teil meiner geistigen Bildung den Universitäten Wittenberg und Leipzig verdanke, in dem ich auf denselben viele Jahre meines Lebens teil als Lernender und Lehrender, zugebracht habe, … ich habe beschlossen, dass den beiden Universitäten Leipzig und Halle-Wittenberg in Gemeinschaft, so dass auf jede die Hälfte kommt, ein vom Honorare für meine schriftstellerischen Arbeiten erspartes Kapital von zehntausend Talern in königlich preußischen vierprozentigen Staatschuldscheinen zu überlassen und von den Zinsen dieses Kapitals, welches dermalen 400 Taler betragen hat, eine Stiftung auf ewige Zeiten zum Besten jener beiden Universitäten und der Jünglinge, welche künftig auf denselben studieren werden, zu machen“.[5] Das Geld dafür nahm der als Vielschreiber verschriene Krug von seinen zahlreichen Honoraren.
Krug war ein Verfechter von politischer und religiöser Freiheit. In seinem Schreiben “Über die bürgerliche Gleichstellung aller Religionsparteien in christlichen Staaten“[6] widerlegt Krug 1832 alle Einwände gegen die Emanzipation der Juden und fordert gleiche staatsbürgerliche Rechte und Pflichten für alle. Auf die Universität bezogen heißt das, dass die Studenten nach ihrem Leistungsvermögen immatrikuliert werden sollen und nicht nach ihrer religiösen Herkunft – eine Festlegung, die es bis dahin nicht gab. Krug hielt in dieser Zeit auch philosophische Vorlesungen für Gebildete beiderlei Geschlechts. Das war revolutionär, denn studieren durften Frauen an dieser Universität offiziell erst ab 1854!
Im Jahr 1831 legte er sein Rektorat an der Universität nieder. Die Leitung der Universität wählte ihn 1833 wieder zu ihrem Abgeordneten für den Landtag in Dresden. Dieses Mandat hatte er schon einmal inne. Dort war er bis zu seinem Tode als liberaler Deputierter tätig. Nach einem erfolg- und arbeitsreichen Leben lässt er sich im Alter von 64 Jahren in den Ruhestand versetzten.
Nachdem ihm die Theologische Fakultät bereits 1830 die Ehrendoktorwürde verliehen hatte, ernannte ihn Leipzig 1841 anlässlich seines 50-jährigen Doktorjubiläums zum Ehrenbürger und die Juristische Fakultät zum Doktor juris utriusque. Seit 1840 war Krug auch Träger des Ritterkreuzes des Königlich Griechischen Erlöser-Ordens.[7]
Am 12. Januar 1842 verstarb er in Leipzig. Sein Grabstein hat bis heute seinen Platz auf dem Alten Johannesfriedhof. Sein umfassendes Werk ist in der Allgemeinen Deutschen Biographie, Bd. 17, Leipzig 1883, auf den Seiten 220-222; in einschlägigen philosophischen Bibliotheken in englischer, italienischer, spanischer Sprache, im Salomon-Steinheim-Institut sowie auch in der Jewish Encyclopedia von 1906 zu finden.
Anmerkungen
[1] Uwe Backes: Der Philosoph Wilhelm Traugott Krug: Seine Stellung im vormärzlichen Liberalismus und sein Wirken für die Judenemanzipation in Sachsen, in: Bausteine einer jüdischen Geschichte der Universität Leipzig (Leipziger Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur Bd. IV), hrsg. Stephan Wendehorst, Leipzig 2006, S. 483 – 504.
[2] „Krug’s Lebensreise. In 6 Stazionen von ihm selbst beschrieben. Nebst Franz-Volkmar Reinhards Briefen an den Verfasser“. Neue verbesserte und vermehrte Ausgabe. Leipzig Baumgartner’s Buchhandlung 1842.
[3] Holz, Friedbert, „Krug, Wilhelm Traugott“ in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 114 – 115 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11884704X. html#ndbcontent (17. 5. 2022).
[4] Wolfgang Flügel, Wilhelm Traugott Krug, in: Sachsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. Online-Ausgabe: http://www.isgv.de/saebi/ (13. 5. 2022).
[5] Urkundliche Nachricht von einer Schenkung und Stiftung für die Universitäten Leipzig und Halle-Wittenberg nebst einigen Erläuterungen, Zusätzen und Vorschlägen. In: Wilhelm Traugott Krug: Enzyklopädische und vermischte Schriften, zweiter Band. Leipzig, Georg Wigand, 1845.
[6] Wilhelm Traugott Krug: „Kritische Geschichte öffentlicher Verhandlungen über die bürgerliche Gleichstellung aller Religionsparteien in christlichen Staaten: Auch ein Beitrag zur Geschichte des konstituzionalen Lebens in Deutschland und zur Verständigung über Henotismus und Indifferentismus“. Leipzig, C.E. Kollmann, 1837.
[7] Wolfgang Flügel, Wilhelm Traugott Krug, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. Online-Ausgabe: http://www.isgv.de/saebi/ (13. 5. 2022).