Die Grube „Einheit“ bei Elbingerode

von Horst Scheffler und Friedhart Knolle | Ausgabe 2-2017 | Natur und Umwelt

Schluckloch im Karst, über das die Trinkwasserversorgung Rübelands durch belastetes Oberflächenwasser stark beeinträchtigt wurde; Foto: H. Scheffler
Über Jahre hinweg sammelte sich Eisenschlamm in einer leeren Rolle an – bis er dann in die Strecke durchbrach: Foto: H. Scheffler
Im Ort Rübeland beginnt mit dem Einlauf des kontaminierten Mühlenbachs die Verunreinigung der Bode; Foto: H. Scheffler
Die Kauentreppe von der 1. Sohle ist während des Versuchsanstaus nicht mehr zu befahren, das Wasser aber nicht sichtbar verunreinigt; Foto: W. Schilling
Hydrogeologie und Management der sauren Grubenwässer

Die Grube „Einheit“ im Harz prägte und bestimmte das Leben der Menschen rund um Elbingerode über einen langen Zeitraum. Es war das einzige Bergwerk in der ehemaligen DDR, in dem Pyrit (Schwefelkies) abgebaut wurde, ein Eisenerz, das durch vulkanische Aktivitäten vor über 350 Millionen Jahren entstand. Obwohl das Bergwerk für die Volkswirtschaft der DDR von großer Bedeutung war, musste die Grube 1990 geschlossen werden, da sie unter den neuen Bedingungen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten konnte. Von 1992 bis 2015 wurde sie, mit Unterbrechungen, als Besucherbergwerk genutzt und firmierte während dieser Zeit wieder unter ihrem historischen Namen „Drei Kronen & Ehrt“.

Bergbau, das heißt der Aufschluss von Wertstoffen unter der Erde, hatte immer mit dem Element zu kämpfen, das unter Tage fast überall vorkommt – dem Grundwasser. Der Bergbau im Raum Elbingerode – Rübeland stand allerdings vor einem noch größeren Problem. Denn das umgebende Gebirge ist teilweise aus wasserlöslichem Kalk beschaffen, der die Entstehung von Höhlen befördert, die das Wasser noch schneller weiter leiten und zu einer großen Gefahr für den Bergbau werden können. Außerdem verwittert Pyrit im Kontakt mit Wasser recht schnell, wobei Schwefelsäure entsteht – ein Problem für Mensch und Umwelt.

Viele Sachsen-Anhalter und andere Gäste haben schon einmal die Rübeländer Tropfsteinhöhlen besucht und dabei die typischen Kennzeichen von Karst selbst gesehen, d.h. die geologischen Erscheinungen, die entstehen, wenn sich Kalk löst. Die Fachleute nennen es die „Verkarstung des Kalks“. Aber auch andere leicht wasser- bzw. säurelösliche Gesteine wie Anhydrit, Dolomit, Gips und Steinsalz können verkarsten.

Ähnlich ist es auch in Elbingerode. Im obertägigen Gelände rings um das Grubengebäude fallen viele kleine und große Karsterscheinungen ins Auge. Dazu gehören Erdfälle und Dolinen, das heißt trichterförmige Senken als Zeugen der Kalkauflösung, die als Zug in einem Tälchen nördlich des Galgenbergs ausgebildet sind, sowie Karstquellen. Eine besondere Karst-Attraktion stellt der Blaue See an der Bundesstraße 27 dar. Kennzeichnend ist aber auch das plötzliche Verschwinden von Gewässern, wie es mehrfach im Mühlentalbach unterhalb Elbingerodes und bei der alten Dorflage Erdfelde beobachtet werden kann.

Die als touristische Geotope vermarkteten Rübeländer Schauhöhlen sind allerdings als flachgründiger Karst oberhalb des Karstwasserspiegels ganz anders zu bewerten als der Tiefenkarst, auf den der Bergbau in einer Tiefe von 300 Metern unter Talniveau der Bode traf. Die Bedeutung dieses Karsttyps und die Gefährlichkeit seiner unbestimmbaren Wasserführung liegen darin, dass der Kalkstein zwar nur etwa 20 Prozent der bergmännisch aufgeschlossenen Gesteine ausmachte, aber rund 80 Prozent der zufließenden Grubenwässer spendete.

Der verkarstete Kalkstein über und neben den Erzkörpern musste bergmännisch immer wieder erschlossen werden. Für die Erzförderung aus der Grube „Einheit“ bestand also nicht nur das Problem, die Position der abbauwürdigen Vorkommen im Raum und ihre Erzgehalte zutreffend vorauszusagen. Notgedrungen war es ebenso wichtig, den Karsterscheinungen des Kalksteins große Aufmerksamkeit zu widmen und die Hydrogeologie des Grubengebäudes genau zu kennen. Diese Notwendigkeit zeigte sich auch im Verhältnis von Erz- zu Wasserförderung, die zwischen 1 : 1 und mehr als 1 : 10, im Jahresmittel um 1 : 6 lag.

Nach jahrzehntelangen Messungen der Wetterdaten sowie der Grubenwasserförderung errechnete sich das Einzugsgebiet des wie ein großer Tiefbrunnen wirkenden Grubengebäudes: Bei bis zu 4 Millionen Kubikmetern jährlichem Zulauf ergeben sich circa 10 Quadratkilometer. Es umfasste damit etwa das Gebiet, in dem der Kalkstein im Zentralteil des Elbingeröder Komplexes oberflächig ansteht.

Die Karsthohlräume füllten sich hauptsächlich durch tauenden Schnee. Besonders große Zulaufmengen lieferten stets solche Witterungssituationen, in denen auf gering gefrorenem Boden erst größere Schneemengen fielen und nach plötzlichem Wärmeeinbruch der Schneefall in Regen überging. Das ließ die Grube regelrecht überlaufen.

Die Verkarstung im Bereich der Grube erfolgt hauptsächlich auf zwei großen tektonischen Störungszonen, wie es die Rübeländer Schauhöhlen exemplarisch demonstrieren. Es besteht eine weitreichende unterirdische Vernetzung. Insgesamt veränderte der Eisen­erzabbau das regionale Wasserregime von Anbeginn sukzessive, aber grundlegend. Die nach Norden unter eine Abraumhalde der Kalkwerke vorgetriebene Bergeversorgungsstrecke auf der 2. Sohle beispielsweise entwässerte das Vorfeld des darüber betriebenen Kalksteinbruchs. Zwischen 1977 und 1988 liefen hier 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich ins Grubengebäude. Als wegen Überflutungsgefahr der Grube das Dammtor 1988 geschlossen werden musste, standen die Großbagger im darüber liegenden Tagebau nach kurzer Zeit bis zu ihren Achsen im Wasser. Das stellte die Kalksteinproduktion vor arge Probleme. Neben diesem Sperrwerk gab es noch zwei weitere Dammtore, die die grubenseitige Erzproduktion für den Fall von Wassereinbrüchen zu sichern hatten: Auf der 7. und 13. Sohle unter dem Kalksteinbruch von Rübeland existierte je ein weiteres derartiges Absperrbauwerk, das aus der Versorgungsnot heraus im eigenen Betrieb gefertigt wurde.

Einzelne in das Grubengebäude entwässernde Karsthohlräume waren mit Wasserdämmen abgeriegelt, um über zusätzlichen Stauraum für rund 1.400 Kubikmeter Wasser  verfügen zu können. Manchmal stand die Produktion jedoch trotzdem still, weil vorrangig die Pumpen arbeiten mussten. Wie alle Karstwasserzuläufe waren auch diese pH-neutral und eisenfrei, aber calciumhaltig. Um nicht die speziell in den Tauperioden anfallenden großen Wassermengen mit den schwefelsauren und eisenhaltigen Grubenwässern zu verunreinigen, fasste man etwa ab 1975 die ergiebigsten Karstwasseraustritte gesondert und führte sie getrennten Wasserhaltungen zu. So konnten sie ohne eine weitere Behandlung direkt in die Bode fließen oder wurden für die betriebliche Brauchwasserversorgung genutzt.

Die Verkarstung stellte auch ein Sicherheitsproblem für die Bergleute dar. Um den plötzlichen Einbruch von Standwässern aus dem Kalkstein zu vermeiden, musste beim bergmännischen Vortrieb von Stollen und Strecken im Gebirge Vorsicht walten, wenn unvermutet weißes Bohrmehl anfiel, d. h. Kalkstein anstand oder ein erhöhter Wasserzulauf im Bohrloch ankam. Dann wurde mit Hilfe von Vorbohrlöchern geprüft, ob es Probleme durch Karstwasser geben würde. Traten größere Mengen Wasser aus diesen Bohrungen aus, wurden sie vorübergehend abgesperrt und der Druckanstieg in der Zeit sowie die Ablaufmenge vor und nach dem Stau ermittelt. So konnte über das Volumen und die Ausbildung der Hohlräume annähernd auf den bestehenden Gefährdungsgrad durch das Karstwasser geschlossen werden. Das Problem konnte dann meistens durch die Entwässerung des Karsthohlraums gelöst werden. Neu angetroffene Zuläufe ließ man in der Regel frei auslaufen und die untertägigen Bohrungen blieben offen stehen.

Einen bedeutenden Nebeneffekt der chaotischen Zuläufe und sporadischen Ausspülung brauner Restseen in allen Ecken der Grube erzielten die chemischen Prozesse, die bei der Vermischung der Gewässer vonstatten gingen. Durch die Verwitterung des Pyrits entstehen schwefelsaure Eisenlösungen, das Klarwasser aus dem Kalkstein bringt Calcium-Ionen. Reagieren beide miteinander, entstehen weiße Gipspartikel und braunes Eisenhydroxid – der berüchtigte Eisenschlamm. Dieser lagerte sich unerwünscht in den Pumpensümpfen sowie Rohrleitungen ab und behinderte auf Dauer den Normalbetrieb. War die Kläranlage nun mit der anfallenden Wassermenge überfordert, lief das ungeklärte Abwasser über – eine „braune Bode“ und Fischsterben waren die Folge.

Die sauren Grubenwässer entstehen durch die Pyritverwitterung bis heute. Welche Umweltprobleme durch diese Sauerwässer aus den oberen Bergwerkssohlen zukünftig entstehen werden, ist unklar und wird weiter untersucht.

Soweit möglich, erfolgte über eine gewisse Zeitspanne auch im Bett des Mühlentalbachs unterhalb Elbingerodes zeitgleich mit der Verwahrung eine Abdichtung der Bachsohle, damit kein Bachwasser mehr unterirdisch verschwindet. Anwendung fanden sowohl PUR-Schaum als auch Ökovliesfolie zur Ansiedlung einer natürlichen Bachflora, um die nachweislich über den Karst in die Grube entwässernden Klüfte abzudichten. Denn jeder Frischwasserzulauf führt wieder zur Pyritverwitterung und letztlich zum Entstehen von kritischen Sauerwässern.

Es wird eine Aufgabe für die begutachtenden Experten bleiben, die Entwicklung der Wasserproblematik zu verfolgen und im Meinungsstreit Lösungen zu finden.

Diese Ausführungen zum Wasserhaushalt sind redigierter und gekürzter Teil einer Gesamtdarstellung der 1990 aufgegebenen Erzgrube „Einheit“ und letztendlich der eigentliche Schlüssel für die Schließung eines bedeutsamen Denkmals der Industriekultur in Deutschland. Das Besucherbergwerk „Drei Kronen & Ehrt“, damals errichtet auf der Stollensohle, musste nach fast 20jährigem Betrieb und insgesamt mehr als 500.000 Besuchern 2015 aus Umweltschutzgründen schließen.

Das Buch

Schilling, Wolfgang (Herausgeber): Grube Einheit – Goldener Schatz im Harz. – 320 S., ca. 550 Abb., Selbstverlag, Blankenburg 2016, ISBN 978-3-935971-85-0