Eine große Rarität ist wieder aufgetaucht
Das Goldene Ehrenzeichen für Hebammen des Herzogtums Anhalt, gestiftet im Januar 1906
Robert Gotzmann | Ausgabe 4-2022 | Geschichte
Hebamme ist einer der ältesten Frauenberufe der Welt. In seiner langen Geschichte wurde er jedoch ununterbrochen angegriffen, unterdrückt und instrumentalisiert – aber immer auch bewundert, mythologisiert, gefürchtet. Von der Antike bis ins 19. Jahrhundert hinein war es Brauch, dass nur Frauen Hebammen werden konnten, die selbst schon geboren hatten, ihres Alters wegen aber selbst nicht mehr schwanger werden konnten. Damit sollte sichergestellt werden, dass Hebammen jederzeit zur Verfügung standen und durch ihre eigene Geburtserfahrung befähigt waren, Geburtshilfe zu leisten.
Ende des 18. Jahrhunderts bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es durch die dominierende Männerwelt – hauptsächlich durch führende, aufgeklärte Ärzte – erste Bestrebungen, dies zu deren Gunsten zu verändern. Durch die Schaffung von Gesetzen und Verordnungen, von sogenannten „Lehr-Instituten für Hebammen“, die Einführung von Kliniken bzw. Entbindungsanstalten etc. wollte man die Geburtshilfe nach wissenschaftlichen Maßstäben gestalten, zentralisieren und unter Kontrolle bringen.
Auch im Herzogtum Anhalt (1863 – 1918), in Zerbst, gab es bis 1872 ein sogenanntes „Lehrinstitut für Hebammen“, das mit der dortigen Entbindungsstation verbunden war. Hier „… wird der Unterricht alljährlich in einem Kursus von Anfang Oktober bis Ende März ertheilt, an deren Ende eine Prüfung abzulegen war“.[1] Ab 1872 mussten die angehenden Hebammen des Herzogtums Anhalt zum „Lehrinstitut für Hebammen“ nach Leipzig, was durch einen Regierungsvertrag mit der Königlichen Sächsischen Staatsregierung festgelegt wurde.[2]
Durch derartige Verträge und Verordnungen (wie z. B. die Hebammenverordnung ab 1. Januar 1871 im Herzogtum Anhalt) wurde der Beruf der Hebamme mit der Zeit immer weiter zurückgedrängt. So ist es nicht verwunderlich, dass bei einer derartigen Entwicklung heute nur noch wenige von Hebammen unterstützte Geburten im eigenen Heim stattfinden.
Allgemein lässt sich feststellen, dass Frauen, im Gegensatz zu Männern, im Auszeichnungswesen früher wenig oder kaum Berücksichtigung fanden, um ihnen für ihre hervorragenden Leistungen zu danken bzw. diese zu würdigen. Dies wird bei dem Frauenberuf der Hebamme überaus deutlich; denn es gab für Hebammen während des Deutschen Kaiserreichs in nur vier Staaten eine staatliche Anerkennung und Würdigung (Großherzogtum Baden, Oktober 1884; Herzogtum Anhalt, 1. Januar 1906; Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, 2. April 1908; Großherzogtum Sachsen-Weimar, 6. Januar 1914).
Umso erstaunlicher ist es, dass durch Herzog Leopold Friedrich II. von Anhalt am 1. Januar 1906 ein Ehrenzeichen für Hebammen in Gold gestiftet und durch seine Gemahlin, Herzogin Marie von Anhalt, an die Hebammen verliehen wurde. Dieses Ehrenzeichen wurde relativ selten vergeben, nämlich genau 87 mal. Es ist damit eine der seltensten staatlichen Auszeichnungen im Deutschen Kaiserreich überhaupt, woraus sich die extreme Seltenheit dieser Dekoration erklärt.
Eine Mitschuld daran trägt wohl auch § 5 der „Verordnung betreffend die Stiftung eines Ehrenzeichens für Hebammen“[3]. Dieser Paragraf besagt, dass das Ehrenzeichen nach dem Tode bei den ehelichen Nachkommen verbleibt. Laut Verleihungsliste, welche dem Autor vorliegt, waren jedoch 62 von 87 der beliehenen Hebammen ledig, so dass in diesen Fällen laut Verordnung das Ehrenzeichen zurückzugeben war. Wie viele Ehrenzeichen der Verordnung gemäß tatsächlich zurückgeben wurden, lässt sich aus heutiger Sicht nicht mehr klären. Auch die Wirren des Ersten und Zweiten Weltkrieges trugen wohl zu seiner heutigen Seltenheit bei.
Die Verleihungen fanden vom 29. Januar 1906 bis zum 27. Juli 1918 statt. Nach dieser Zeit verschwand die Auszeichnung wie vom Erdboden verschluckt. Sie ist in der heutigen Geschichtsschreibung nahezu unbekannt. Sämtliche Archive des ehemaligen Herzogtums, vor allem das Hauptarchiv in Dessau, wurden im März 1945 durch die alliierten Bombenangriffe vollkommen zerstört. Das macht archivalische Recherchen zur vorliegenden Auszeichnung fast unmöglich.
Nach über 113 Jahren konnte der Autor die hier abgebildete Auszeichnung mit viel Glück in einem hervorragenden Zustand ausfindig machen und der Öffentlichkeit mit Zustimmung des Besitzers, der unbekannt bleiben möchte, präsentieren. Diese Auszeichnung wurde am 10. November 1906 an eine Hebamme aus Harzgerode verliehen! Lediglich das dazugehörige grüne Samthalsband fehlt.
Das hier vorliegende „Ehrenzeichen für Hebammen“ des Herzogtums Anhalt ist ein aus 585er Gold hohlgearbeitetes lateinisches Kreuz, das mit einer ebenfalls hohlgearbeiteten, aus dem gleichen Material bestehenden Herzogskrone über ein bewegliches Scharnier am oberen Kreuzarm verbunden ist. Die Krone kann bis zu ca. 90 Grad nach hinten umgeklappt werden.
Die Rückseite des Hebammen-Kreuzes ist schlichtweg glattgolden, auf der Vorderseite ist im oberen Kreuzarm sowie auf den horizontalen Kreuzarmen die Zweckinschrift „FÜR TREUE IM BERUF“ eingraviert. Das Ehrenzeichen ist ca. 81,35 mm hoch und ca. 41,07 mm breit. Das Gewicht beträgt ca. 12 Gramm. Die hier abgebildete Urkunde weist eine Höhe von 450 mm sowie eine Breite von 340 mm auf.
Ein großes Rätsel findet sich auf der Rückseite der Herzogskrone, wo sich bei genauem Hinschauen eine sogenannte „Punze“ rechts neben dem Bandbügel erkennen lässt. Bis zum heutigen Tag konnte nicht geklärt werden, welcher Hersteller sich hinter dieser markanten Punze verbirgt. Es ist eine schematische Form zu erkennen, welche an ein 3-blättriges Kleeblatt erinnert. Um welches Zeichen / Symbol es sich neben dem Goldstempel „585“ tatsächlich handelt, kann mit Bestimmtheit nicht gesagt werden. Zum heutigen Zeitpunkt sind offiziell nur zwei Exemplare des Ehrenzeichens für Hebammen des Herzogtums Anhalt bekannt. Es gibt nur diese „Nachweise“ für die Existenz der Auszeichnung: Zum einen das hier vorgestellte Ehrenzeichen im Etui mit Urkunde, zum anderen ein ebenfalls goldenes Hebammenkreuz des Herzogtums Anhalt, welches sich im Landesmünzkabinett der staatlichen Galerie Moritzburg in Halle (Saale) befindet (jedoch ohne Etui und ohne Urkunde). Dieses Kreuz weist ebenfalls an gleicher Stelle die unbekannte „Punzierung“ auf.
Zur weiteren Erforschung und der vollständigen Aufklärung dieser äußerst seltenen Auszeichnung für Hebammen des Herzogtums Anhalt 1906 benötigt der Autor, der Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Ordenskunde – DGO ist, dringendst die Unterstützung der Leserinnen und Leser.
Folgende Fragen sind von großer Bedeutung und Wichtigkeit:
– Wer besitzt in einem Nachlass aus der Familie oder Verwandtschaft ebenfalls ein derartiges Ehrenzeichen mit oder ohne dazugehöriger Urkunde oder auch nur eine Urkunde?
– Wer besitzt Dokumente zur oben genannten Auszeichnung (wie z. B. ein Hebammenzeugnis, Schriftstücke aus der Zeit wie persönliche Briefe, die Sache betreffende Korrespondenz mit den damaligen Behörden oder anderweitige Anschreiben bzw. Schreiben, welche Aufschluss zum genannten Ehrenzeichen geben können oder könnten, usw.)?
– Wer kann zur dargestellten Punze Hinweise geben, wer hat so eine Punze schon einmal auf einem anderen Objekt festgestellt?
– Wer kann allgemeine Hinweise oder Informationen zum genannten Ehrenzeichen geben, welche dem Autor dienlich und nützlich sein könnten?
– Jede kleinste Information, jeder kleinste „Papierfetzen“ sind von enormer Bedeutung, besonders in Hinblick auf die Identifikation des Herstellers (siehe dargestellte „Punze“) dieser Auszeichnung sowie für die statistische Erhebung der noch heute existierenden Hebammen-Kreuze.
Antworten, Hinweise oder jegliche Informationen zur Sache senden Sie bitte an: journal@lhbsa.de (Die Hinweise werden dann an den Autor weitergeleitet.)
Alle Angaben, Hinweise oder Informationen werden strengstens vertraulich behandelt, werden nicht an „Dritte“ weitergegeben und werden ohne schriftliche Genehmigung nicht veröffentlicht!
Anmerkungen
[1] Johann Friedrich Melchert: Hof- und Staatshandbuch für das Herzogtum Anhalt, Dessau, 1867, Abschnitt C. „Medicinal-Verwaltung“, das „Hebammen-Lehr-Institut“, S. 226.
[2] Vgl. Johann Friedrich Melchert: Hof- und Staatshandbuch für das Herzogtum Anhalt, Dessau, 1876, Abschnitt IV. Medizinalverwaltung, C. Hebammen-Unterrichtswesen, S. 189.
[3] Vgl. Gesetz-Sammlung für das Herzogtum Anhalt – Dessau, den 3. Januar 1906 – Nr. 1231, S. 525–526.