Baum und Blume des Jahres 2022

Die Gewöhnliche Buche und die Einbeere

Eberhard Große | Ausgabe 1-2022 | Natur und Umwelt

Ein Buchenwald. Foto: Eberhard Große.
Die Gewöhnliche Buche. Foto: Eckhard Willing.
Gewöhnliche Buche (Fagus sylvatica L.) Zeichnung: Ch. Stephan (Böhlitz-Ehrenberg) |—| 1 cm-Maßstab  |— — —| Zuordnungslinie   ♂ männlich ♀ weiblich Zeichnungen aus Jäger, E. J., Müller, F., Ritz, C., Welk, E. u. Wesche, K. (Hrsg.): Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Bd. 3. Gefäßpflanzen: Atlasband. 12., neu bearb. u. erw. Aufl. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013. Der Abdruck wurde freundlicherweise von den Herausgebern gestatte
Rasterkarte der Gewöhnlichen Buche. Auszug aus der Datenbank Blütenpflanzen, Teil Sachsen-Anhalt. – Die Datenbank im Landesamt für Umweltschutz hat freundlicherweise den Abdruck erlaubt.
Rasterkarte der Einbeere. Auszug aus der Datenbank Blütenpflanzen, Teil Sachsen-Anhalt. – Die Datenbank im Landesamt für Umweltschutz hat freundlicherweise den Abdruck erlaubt.
Einbeere. Foto: Michael Bulau.
Einbeere (Paris quadrifolia L.) – Zeichnung: Ch. Stephan (Böhlitz-Ehrenberg) |—| 1 cm-Maßstab  ►Hinweis auf wichtige Merkmale + Schnittstellen zusammengehörender Teile Zeichnungen aus Jäger, E. J., Müller, F., Ritz, C., Welk, E. u. Wesche, K. (Hrsg.): Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland.

Die Gewöhnliche Buche

In Deutschland kommen von der Pflanzenfamilie Buchengewächse (Fagaceae DUMORT.) neben der im Folgenden beschriebenen Gewöhnlichen Buche oder auch Rot-Buche (Fagus sylvatica L.) spontan noch diverse Arten von Eichen (Quercus spec.) sowie die Ess-Kastanie (Castanea sativa Mill.) vor. – Die Nomenklatur der deutschen und wissenschaftlichen Namen richtet sich nach JÄGER [8]. – Aus etymologischer Sicht wird die Herkunft des deutschen Namens von dem althochdeutschen buohha und dem mittelhochdeutschen Wort buoche abgeleitet (vgl. [9] S. 45). Er „ist verwandt mit lat. fagus ‚Buche‘ und griech. phegos ‚Eiche‘, [aber] die semantischen Unterschiede hängen damit zusammen, dass in indogermanischer Zeit Buchen nur in wenigen Gebieten wuchsen und die Bezeichnung in anderen Landstrichen auch für andere Bäume verwendet wurde; eine Verwandtschaft zu → Buch ist [deshalb im Gegensatz zur bisherigen Auffassung] auszuschließen“ [7]. Auf die rötliche Farbe des Kernholzes nimmt der zweite Artname „Rot-Buche“ Bezug [5].

Die Gewöhnliche Buche ist ein sommergrüner Laubbaum, der um 40 m hoch und im Durchschnitt zwischen 120 und 160 Jahre alt wird. Sie hat ein Herzwurzelsystem [1]. Im Bestandsschluss besitzt sie einen geraden, im Ø rundlichen Stamm mit glatter, im Alter silbergrauer Rinde, die oft sog. „Rindenknollen“ sowie „Chinesenbärte“ aufweist. Während im Freistand der Laubbaum tief beastet ist, ist im Bestand die hoch angesetzte Krone im Alter abgewölbt. Die wechselständig in zwei Zeilen angeordneten, gestielten Laubblätter haben eine dunkelgrüne, glänzende Ober- und eine hellere Unterseite. Ihre elliptisch-eiförmige, von 5 – 8 cm lange und vorn zugespitzte Fläche ist ganzrandig oder leicht buchtig gekerbt. Während die Blätter in der Jugend weiche Haare und lange Wimpern tragen, sind sie im Alter fast kahl. Bei der einhäusigen Art erscheinen im April bis Mai mit der Belaubung auch die getrenntgeschlechtigen Blütenstände. Die kugligen ♂ Blüten hängen an langen, weichen Stielen. Immer 2 ♀ Blüten stehen „in aufrechten, gestielten Köpfchen, mit rötlichen Narben“ zusammen ([1] S. 147) in einer vierklappigen Hülle. Nach erfolgter Windbestäubung und anschließender Befruchtung entwickeln sich in der verholzenden und zur Reife öffnenden Hülle (= Fruchtbecher) 2 leicht giftige, dreikantige Nüsse, die ölhaltigen Bucheckern. Diese werden von Eichhörnchen oder Mäusen als Wintervorrat gesammelt und versteckt. Die liegen gebliebenen Nüsse können später austreiben (= Versteck- und Verlustausbreitung [8]).

Die Gewöhnliche Buche ist ein Element „des mitteleuropäischen Laubwaldes“ ([11] S. 49). Ihr Gesamtareal erstreckt sich im Westen vom Atlantik von Nordspanien und Frankreich bis nach Polen im Osten sowie im Süden von der Apenninen- und Balkan-Halbinsel bis nach Südskandinavien (vgl. [11] Karte 120 d). Mit der Errichtung des europäischen Schutzgebietssystems „NATURA 2000“ wurden neben anderen auch einige Gesellschaften von Buchenwäldern als Lebensraumtypen verbindlich unter europäischen Schutz gestellt. Nun interessiert uns, wie ist diese Baumart in unserem Bundesland verbreitet. Nach der Verbreitungskarte von Sachsen-Anhalt mit dem Grundraster von Messtischblatt-Quadranten ist dieser Schatten tolerierende und gegenüber Staunässe empfindliche Laubbaum allgemein verbreitet. Nur im Mitteldeutschen Trockengebiet tritt er zerstreut auf. Er wächst in frischen Laub- und Nadelmischwäldern sowie in Buchenwäldern (vgl. [8] S. 486). Jetzt ergibt sich die Frage: Was sind die Kriterien für die Wahl zum Baum des Jahres? Und warum wurde die Gewöhnliche Buche nach 1990 nun zum zweiten Mal ausgewählt? Gründe für die Wahl einer Art zum Baum des Jahres können die Gefährdung der Bestände, die Seltenheit der Art, bei ihr auftretende Baumkrankheiten, ihre Bedeutung für den Menschen oder jetzt aktuell Probleme infolge des Klimawandels sein [5]. Die Bestandsaufnahme der abgebildeten Verbreitungskarte für Sachsen-Anhalt zeigt die Funde ab 1992. Allerdings sind diese Fundangaben derzeit teilweise nicht mehr zutreffend, da durch die Hitze und Trockenheit der letzten Jahre (zumindest) ältere Buchenbestände sehr gelitten haben. Beobachtungen an junge Buchen lassen vermuten, dass sich diese wahrscheinlich an den Klimawandel anpassen können (vgl. [5]).

Das Buchenholz wird u. a. für Möbel, Parkett, Span- und Faserplatten oder als Brennholz verwendet. Aus ihm wird auch Holzkohle gewonnen. Aus der Rinde der Zweige wird eine Abkochung innerlich als Fieber senkendes Heilmittel angewendet (vgl. [12] S. 249). Die Verwendung von Buchenteer gegen Husten (Fagusan Lösung) wird wegen vermuteter krebserregender Wirkung nicht mehr empfohlen [6].

 

Die Einbeere

In Deutschland kommt von der zur Pflanzenfamilie Germergewächse (Melanthiaceae BORKH.) bloß die Gattung Einbeere (Paris L.) mit nur einer Art, der Vierblättrigen Einbeere (Paris quadrifolia L.) vor. Deshalb heißt diese Art bei JÄGER ([8] S. 149) lediglich Einbeere. Derweil die Herkunft des wissenschaftlichen Gattungsnamens noch nicht geklärt werden konnte, beziehen sich der lat. Artname ebenso wie seine deutsche Übersetzung auf den morphologischen Bau des Krautes (vgl. [2]). Diese mehrjährige krautige Erdpflanze (= Geophyt) besitzt einen ausläuferartig waagerecht kriechenden Bodenspross (= Rhizom), an dessen „Achseln von Niederblättern“ [4] je ein um 20 – 30 cm hoher, aufrechter, einfacher, kahler Stängel wächst. An diesem entspringen an einem Quirl meist 4 ungestielte, gekreuzte, „elliptisch-lanzettlich, netzadrig[e]“, ganzrandige Laubblätter ([8] S. 149). An seiner Spitze trägt der Stängel nur eine radiärsymmetrische, zwittrige Blüte. Diese besteht (meist) aus je 4 äußeren hellgrünen lanzettlichen und 4 inneren gelbgrünen schmaleren Perigonblättern. Die 8 Staubblätter sind „über die Staubbeutel hinaus grannenartig verlängert“ ([3] S. 699). In der Mitte befindet sich ein oberständiger Fruchtknoten. Nach erfolgter Insektenbestäubung im Mai bis Juni entwickelt sich von Juli bis September eine blauschwarz glänzende, vielsamige Beere mit einem Ø von etwa 1 cm. Es findet Verdauungsverbreitung statt.

Nach MEUSEL / JÄGER / WEINERT (Karte 100 b) erstreckt sich das Areal der Einbeere von West nach Ost in einem breiten Streifen von der Atlantikküste Frankreichs und Britanniens bis nach Sibirien und von der Apenninen- und Balkan-Halbinsel im Süden bis nach Lappland im Norden. In Sachsen-Anhalt tritt die giftige Art schwerpunktmäßig in den Landkreisen Altmark, Börde, Harz und Burgenland sowie im Gebiet der Elbe auf. Von den in der Rasterkarte von Sachsen-Anhalt festgestellten Fundorten sind rund ein Viertel aller Angaben nicht mehr vorhanden. In Brandenburg und Sachsen steht sie bereits in der Roten Liste der gefährdeten Pflanzenarten ([10] S. 102). Sie wächst nach ([8] S. 149) in frischen bis sickerfeuchten Laubmisch- (besonders in Auen-) und Nadelmischwäldern sowie in Gebüschen auf humosen, an Nährstoffen reichen Böden. In der Vergangenheit wurde die Einbeere zum Heilen von diversen Infektionskrankheiten eingesetzt, wovon aber wegen der enthaltenen Saponine und Glykoside dringend abgeraten werden muss [4].

 

Literatur:
[1] Amann, G.: Bäume und Sträucher des Waldes. Melsungen 1976. 231 S.
[2] Genaust, H.: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3., vollst. überarb. Aufl. Hamburg 2005. 701 S.
[3] Haeupler, H. u. Muer, T. (Hrsg.): Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Stuttgart 2000. 759 S.
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Einbeere – letzter Zugriff: 08. 12. 2021
[5] https://www.google.com/search?dient=firefox-b-d&q=Gründe+Für+Wahl+zum++Baum+des+Jahres+ – letzter Zugriff: 08.12.2021
[6] https://www.vorsichtgesund/glossary/buche-fagus-sylvatica – letzter Zugriff: 08. 12. 2021 

[7] https://www.wissen.de/wortherkunft/buche – letzter Zugriff: 08. 12. 2021. 
[8] Jäger, E. J. (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit zahlreichen Fachleuten: Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 20., neu bearb. u. erw. Aufl. Heidelberg 2011, 920 S. S. 148 – 149 u. 485 – 487. 
[9] Kluge, F.: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 4., verb. Aufl. Straßburg 1889. 453 S. 
[10] Korneck, D., Schnittler, M u. Vollmer, I.: Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyten et Spermatophyten) Deutschlands. – In: Schr.-R. f. Vegetationskunde H. 28 Bonn-Bad Godesberg 1996. S. 21 – 187. 
[11] Meusel, H., Jäger, E. u. Weinert, E. (Hrsg.): Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora. Bd. I Jena 1965. Text 583 S., Karten S. 7 – S. 258. 
[12] Wurzer, W.: Die große Enzyklopädie der Heilpflanzen. Ihre Anwendung und Heilkraft. Klagenfurt 1994. 736 S.
Zeichnungen aus Jäger, E. J., Müller, F., Ritz, C., Welk, E. u. Wesche, K. (Hrsg.): Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Bd. 3. Gefäßpflanzen: Atlasband. 12., neu bearb. u. erw. Aufl. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013.