Sanierung und Erweiterung des Geläutes des Doms zu Magdeburg

Ein Projekt des Domglocken Magdeburg e. V.

Rainer Kuhn, Johannes Sattler, Martin Helmut Groß, Andreas Schumann | Ausgabe 1-2022 | Bürgerschaftliches Engagement

Glockenprojekt. sußmann & sußmann, architekten und ingenieure.
Vernissage der Domglockenentwürfe mit Gert Weber. Foto: Isabel Tönniges.
Der Vorstand des Domglocken Vereins. Foto: Michael Otto.
Feierliche Spendenübergabe der Ostdeutschen Sparkassenstiftung. Foto: Christina Bendings.
Dom zu Magdeburg. Foto: Gotthard Demmel.

Magdeburg und der Dom im europäischen Kontext

Magdeburg war bis zu seiner Zerstörung 1631 eine der größten und bedeutendsten Städte des Reiches und der Dom ein ebenso bedeutender Kirchenbau. Die Stadt wurde noch in der Weimarer Republik im Zusammenhang mit dem „Neuen Bauen“ mit New York verglichen. Nach der zweiten Zerstörung 1945 wird, auch durch ein Projekt wie es im Folgenden beschrieben wird, versucht, mit bürgerschaftlichem Engagement Magdeburg seinen Rang und seine Würde wiederzugeben. Der Magdeburger Dom St. Mauritius und Katharina ist die erste und damit älteste und bedeutendste gotische Kathedrale Deutschlands. Sie ist die Grablege Kaiser Ottos des Großen und seiner ersten Gemahlin, Aedgith von Wessex (Königin Editha). In ottonischer Zeit bestand hier eine Doppelkirchenanlage mit einer Südkirche im Bereich des heutigen Domes und einer Nordkirche im Bereich des benachbarten Domplatzes. Der Bau des gotischen Domes wurde 1207 oder 1209 begonnen, im Jahre 1363 geweiht und 1520 mit der Vollendung des Westwerkes – einschließlich der beiden über 100 m hohen Türme – vollendet. Damit ist der Magdeburger Dom eine der wenigen gotischen Kathedralen auf deutschem Boden, die noch im Mittelalter fertiggestellt wurden. Dies stellt in Kombination mit dem frühen Baubeginn ein Alleinstellungsmerkmal dar.

 

Die Glockentradition am Magdeburger Dom

»… und alle clocken velen sunder ein cleine.« [… und alle Glocken fielen außer eine kleine.], so berichtet uns die Magdeburger Schöppenchronik zum Dombrand, der am 20. April des Jahres 1207, dem Karfreitag, die alte Magdeburger Kathedrale heimsuchte. Es fielen also, wie wir lesen, alle Glocken außer einer kleinen herunter. Eine genaue Anzahl der Glocken ist daraus nicht abzulesen, wir können nur sagen, dass eine oben blieb und mehrere herunterfielen. Man darf für den gotischen Neubau, auch nach entsprechen Befunden im Nordost-Turm (Durchführungslöcher für Glockenseile), mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer größeren Anzahl an Glocken, als die vier (von denen derzeit nur drei zu läuten sind) heutiger Zeit, ausgehen. Dieser bedeutenden Kathedrale wieder eine ebenso bedeutende Stimme nach außen zu geben, war die Intention, die zum im Weiteren beschriebenen Glockenprojekt und zur Gründung des Domglockenvereins führte.

 

Von der Idee bis zur Vereinsgründung

Am 23. Februar 2015 trafen sich die Initiatoren des Projektes Dr. Mathias Reuner und Martin Groß mit dem Glockensachverständigen der Kirche in Mitteldeutschland, Christoph Schulz, um zu sondieren, inwieweit ein insgesamt 10-stimmiges Kathedral­geläut, mit einer c⁰-Glocke als Basis, sinnvoll und machbar wäre. Auf einer ersten Expertensitzung am 30. März 2015, an der außer den Vorgenannten noch der Glockensachverständige Andreas Philipp und der damalige Domprediger Giselher Quast teilnahmen, wurde das Konzept dahingehend verändert, dass das neue Geläut nun insgesamt 12 Glocken umfassen sollte mit einer d⁰-Glocke als Basis. Erstmals wurde öffentlich zu Spenden durch den Dom­prediger Quast im Juli 2016 für die Reparatur der DOMINICA aufgerufen, als er in den Ruhestand verabschiedet wurde.In Weiterführung des Projektes wurden im April und September 2017 umfangreiche Schwingungsmessungen an beiden Türmen durchgeführt, deren Auswertung die Machbarkeit des Projektes ergab.

Da sich der Domförderverein, der schon eine Vielzahl von Bau- und Restaurierungsprojekten am Dom verwirklicht hatte, mit diesem Großprojekt überfordert sah, wurde, wie schon bei der umfassenden Sanierung der Domorgellandschaft, beschlossen, einen eigenständigen Verein zu gründen. Und so fanden sich am 10. März  2018 auf Einladung von Martin Groß etwa dreißig Glockenenthusiasten in der Großen Sakristei des Domes zusammen. Nach zweistündiger Aussprache wurde der „Domglocken Magdeburg e. V.“ gegründet und ein Vorstand gewählt, der auch gleich seine Arbeit aufnahm.

 

Konkretisierung des Projektes als erste Aufgabe des Domglockenvereins

Als die mit der Vereinsgründung notwendigen Anmelde- und Registrierungsarbeiten erledigt waren, konnte der Vorstand daran gehen, das riesige Projekt durch Aufteilung in mehrere Abschnitte handhabbarer und den Finanzbedarf konkreter zu machen:

  1. Reparatur der DOMINICA
  2. Umbau des Nordturmes durch Einbau einer zweiten Glockenstuhl­ebene, auf der ein Doppelglockenstuhl für DOMINICA und APOSTOLICA errichtet wird. Neuguss einer 6 Tonnen schweren g⁰,0-Glocke, die im historischen Glockenstuhl neben der OSANNA hängen soll.
  3. Ausbau des Südturms, der seit Jahrhunderten keine Glocken getragen hat. Dafür muss der Fahrstuhl bis auf Höhe der Glockenkammer des Nordturms zurückgebaut und zwei Ebenen für 7 neue Glocken eingebaut werden. Ein Glockenstuhl auf der unteren Ebene wird die größte Glocke Mitteldeutschlands, einen Neuguss von 14 Tonnen mit dem Schlagton d⁰, tragen und die Ebene darüber trägt 6 kleinere neu zu gießende Glocken mit den Schlagtönen d′, e’, fis′, g′, a′ und h′.

 

Die Dominica-Reparatur, ein erster Erfolg für den Verein

Schon im Juli 2018 lag dem Verein das Angebot des Glockenschweißwerkes Lachenmeyer aus Nördlingen vor. Die Summe von gut 20.000 Euro schien überschaubar und so wurde die Reparatur für Anfang 2020 geplant. Da war es doch ein Schreck, als es hieß: „Lachenmeyer arbeitet nur noch bis Herbst 2019!“. Da die Spendenmittel ausreichten, wurde es mit Unterstützung der „Kulturstiftung Sachsen-Anhalt“, des Architekturbüros Sußmann und mehreren Fachfirmen geschafft, die Glocke am 5. Juni 2019 aus dem Turm zu heben und nach Nördlingen zu schaffen. Nach erfolgter Reparatur und Prüfung durch den Glockensachverständigen konnte die DOMINICA am 5. Oktober in einem festlichen Rahmen der Domgemeinde und der Magdeburger Bevölkerung im Dom präsentiert werden. Dort harrt sie im Nordseitenschiff des Domes bis zur Fertigstellung ihres neuen Glockenstuhles im Nordturm, dass sie wieder klingen kann.

 

Vereinsarbeit und bürgerschaftliches Engagement

Die Arbeit des Domglocken Magdeburg e. V. wäre ohne ein umfassendes bürgerschaftliches Engagement undenkbar. Das drückt sich unter anderem in der überwältigenden Spendenbereitschaft aus. Von 420 namentlich bekannten und vielen anonym gebliebenen Spendern wurden bislang mehr als 362.000 € gespendet. Darunter sind Menschen aller Schichten aus Ost- und Westdeutschland, von der Rentnerin bis zum Universitätsprofessor, von der Chorsängerin bis zum Fußball-Fan. Nicht zuletzt unsere 185 Vereinsmitglieder tragen mit ihrem jährlichen Vereinsbeitrag (12 €) und etlichen Zusatzspenden zum bisherigen und, wie wir hoffen, zukünftigen Erfolg bei. Die Vereinsarbeit läuft kontinuierlich, aber einige Höhepunkte sollen doch benannt werden;

  • Im Juli und November 2018 besuchten wir ein schon vollendetes Glockenprojekt im Paderborner Dom mit einer 13-Tonnen-
    e⁰-Glocke
  • Zwei Fan-Clubs des 1. FCM spendeten öffentlich für die Domglocken, deren Geläut jedes Heimspiel eröffnet
  • im Dezember 2018 gründete sich der Domglocken-Fachbeirat mit 3 Glockensachverständigen und Vertretern des Vereins, der Domgemeinde und der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
  • Die Dombläser gaben zum Jahresausklang 2018 ein Benefizkonzert zugunsten des Vereins
  • Zu Jahresbeginn 2019 hatte der Verein prominenten Besuch: Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und Katrin Budde, Vorsitzende des Kultur-Ausschusses des Bundestages
  • Im März 2019 überreichten die Magdeburger Service-Clubs auf ihrem jährlich stattfindenden Ball dem Verein eine Spende von 10.000 €
  • Im Jahr 2020 behinderten die Corona-Maßnahmen massiv die Vereinsarbeit. Der Vorstand stellte seine Treffen konsequent auf „online“ um
  • Im Juli 2020 wurden durch die Fa. Pro-Bell aus Bayern Messungen an den historischen Glocken vorgenommen. Die Kosten von 6.000 € übernahm der Verein
  • Der letzte „Orgelpunkt“ 2020, eine überregional bekannte Veranstaltungsreihe mit herausragenden Organisten, wurde vom Verein gefördert. Als Besonderheit durfte in diesem Konzert die Glocke OSANNA „mitspielen“
  • Im Jahr 2021 konnte unser Projekt durch Beiträge in der FAZ und im Deutschlandfunk überregional auch einem größeren Publikum bekannt gemacht werden

 

Namenssuche und -findung für die neuen Glocken; die Glockenzier

Schon im Laufe des Jahres 2020 zeichnete sich ein hohes Spendenaufkommen ab, so dass die Planungen für das Neue Domgeläute konkreter werden konnten. Zuerst sollte es darum gehen, den neuen Glocken Namen und Sprüche zu geben. Einige (traditionelle) Vorschläge waren schon beim Verein eingegangen. Die beiden Domprediger, Jörg Uhle-Wettler und Landesbischof Friedrich Kramer, überraschten dann mit einem speziell protestantischen Konzept, bei dem die Glocken ihre Namen als Botschaften ins Land tragen. Diese lauten von groß nach klein (die neuen Glocken sind fett gedruckt):

CREDAMUS (glaubt)
OSANNA (lobt)
AMEMUS (liebt)
APOSTOLICA (vergebt)
DOMINICA (schaut hin)
CANTEMUS (singt)
BENEDICAMUS (segnet)
QUERAMUR (klagt)
DUBITEMUS (zweifelt)
RESISTAMUS (widersteht)
SPEREMUS (hofft)
ORATE (betet)

 

Diese Namen wurden auf einer Pressekonferenz des Landesbischofs am 3. Februar 2021 öffentlich bekannt gemacht und bilden jetzt die Grundlage für die künstlerische Gestaltung der neuen Glocken. Dafür wurde im April 2021 ein „beschränkter Realisierungswettbewerb“ ausgelobt, zu dem 2 Künstlerinnen und 2 Künstler eingeladen wurden. Die Ergebnisse wurden Anfang September durch ein Entscheidungs-Kuratorium bewertet. Der Siegerentwurf des Künstlers Gert Weber wurde auf einer Vernissage im Dom durch den Verein der Öffentlichkeit präsentiert.

 

Fördermittel für den Guss der Amemus und Ausblick auf 2022 und 2023

Am 1. Juli 2021 wurden dem Verein die für den Guss der AMEMUS beantragten Fördermittel durch Vertreter der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Sparkasse MagdeBurg in einer Feierstunde im Dom überreicht. Sie decken maßgeblich die Gusskosten von ca. 200.000 € für die Glocke, so dass deren Guss schon 2022 in der Gießerei Bachert erfolgen kann. Da der Verein seit seiner Gründung außerdem schon über 300.000 € an privaten Spenden erhalten hat, ist, bis auf die 14-Tonnen Glocke CREDAMUS, auch die Finanzierung des Gusses der weiteren sechs Glocken bis 2023 gesichert. Ein großes Ziel für das laufende Jahr sieht der Verein darin, dass die Mitgliederzahl von jetzt 185 auf dann über 200 anstiege.

Treten Sie dem Verein für 12 € / Jahr bei!

Im Jahr 2023 soll der Ausbau des Nordturmes fertiggestellt sein und 5 Glocken klingen.

 

Mehr Informationen auf domglocken-magdeburg.de