Bräuche und Feste in der Altmark
Antonia Beran | Ausgabe 3-2022 | Lebendiges Kulturerbe | Rezensionen
Hartmut Bock: „Vergodendeel un Hochtied“ Bräuche und Feste in der Altmark.
Mit Beiträgen von Jochen Alexander Hofmann und Norbert Lazay
Museen des Altmarkkreises Salzwedel, Verlag Beier & Beran, Langenweißbach u. Salzwedel 2021. 2. Auflage 2022 (Schriften zur Regionalgeschichte der Museen des Altmarkkreises Salzwedel, Band 16)
495 S., durchgehend illustriert, zwei Karten, Klappbroschur
29,90 €
ISBN 978-3-95741-170-9
Ob Ostern oder Weihnachten, Einschulung oder Hochzeit – Jahreslauf und Lebenszyklus bieten viele Anlässe für Feste und Feiern und gehen einher mit typischen Bräuchen. Wie wir diese gestalten, hängt häufig mit regionalen Traditionen zusammen. Für die Altmark liegt nun das ultimative Nachschlagewerk von Hartmut Bock, dem unermüdlichen Sammler und Heimatforscher aus Jübar, vor. (s. a. J. A. Hofmann: Bräuche und Brauchsammler in der Altmark. In: Sachsen-Anhalt-Journal 4/2020). Das Buch umfasst rund 500 Seiten und ist bereits in zweiter Auflage in der Reihe der Museen des Altmarkkreises Salzwedel erschienen.
Im ersten Teil des Buches gibt der Autor einen beschreibenden Überblick über die gelebten Bräuche und Feste im Jahres- und im Lebenslauf und ihren Wandel von ihrer ersten Erwähnung bis in die Gegenwart. Die Lebenserinnerungen der 92jährigen Ida Bubke, geboren 1896, erhielten einen eigenen Abschnitt. Der Leser erhält darin einen guten Einblick in die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts und gleichzeitig in die Praxis, mit der Hartmut Bock seine Gewährspersonen befragt. Das Kapitel „Bräuche und Feste in Gladigau auf der Altmärkischen Höhe“, verfasst von Norbert Lazay, ergänzt die Darstellung um die östlich an das hauptsächliche Untersuchungsgebiet angrenzende Region im Landkreis Stendal.
Im zweiten Teil, der gut zwei Drittel des Buches umfasst, legt Hartmut Bock seine umfangreiche Quellensammlung vor. Diese folgt der Systematik des ersten Teils. Von der ältesten literarischen Quelle aus dem frühen 19. Jahrhundert bis zu den jüngsten Umfragen sind die Zitate wiederum chronologisch geordnet. Der Leser findet hier gedruckte wie ungedruckte Beschreibungen aus dem Archiv des Autors aus mehr als 60 Jahren Sammeltätigkeit sowie bisher unveröffentlichte Handschriften aus Museen und Archiven vor. Eingeflossen sind auch die Ergebnisse einer Fragebogenaktion in den ehemaligen Kreisen Salzwedel und Klötze aus dem Jahr 1985 sowie von Schülern der POS Stöckheim durchgeführte Interviews. So erfährt man aus direkter Quelle, wie dies und das auf den Dörfern der westlichen Altmark begangen wurde. Und nicht nur das.
Hartmut Bock begegnete immer wieder besonderen Handlungen, die nicht direkt zu den Festtagsbräuchen gehörten, aber von eini gen Gewährsleuten regelmäßig praktiziert wurden. Ihnen ist ein eigener Abschnitt über den Aberglauben, „Hönerglob’n wovon de Haon nix wett“, gewidmet.
Dem Quellenteil vorangestellt sind einige volkskundlich-kulturwissenschaftliche Anmerkungen zum Phänomen „Brauch“ von Jochen Alexander Hofmann. Der Volkskundler und Leiter der Museen des Altmarkkreises Salzwedel erläutert darin die forschungsgeschichtliche Diskussion und gibt wichtige Hinweise für eine quellenkritische Betrachtung von „Sitten und Gebräuchen“. Die auf dem Lande gepflegten Bräuche waren tatsächlich nie statisch. Wie die Lebensumstände der Menschen unterliegen auch sie einem Wandel.
Der durchgehend mit Fotos illustrierte Text wird durch einen 60 Seiten umfassenden Bildtafelteil ergänzt. Orientierung und leichten Zugang gibt bereits das sieben Seiten umfassende Inhaltsverzeichnis. Den mit dem Jahreslauf verbundenen Bräuchen und denen des Lebenslaufs sind Ordnungszahlen zugewiesen. Diese Ordnungszahlen gliedern sowohl den ersten als auch den zweiten Teil. Durch die fehlende Trennung von Lichtmess und Fastnacht im Quellenteil ist das System der Ordnungszahlen leider nicht ganz kongruent.
Zwei Karten im Innendeckel geben die regionale Verbreitung von Bräuchen in den Altkreisen Salzwedel und Klötze (Ergebnis der Fragebogenaktion im Jahr 1985) anschaulich wieder. Ein Ortsregister schließt das Buch ab.
Das vorliegende Werk vereint historisch überlieferte und gegenwärtig gelebte Festkultur im Lebenszyklus und im Jahreslauf im Norden Sachsen-Anhalts. Ob Klasbur, Fasselaobend und Vergodendeel oder Kinddöp, Hochtied und Bigraft – Hartmut Bock lässt uns an der vielfältigen Festkultur der westlichen Altmärker teilhaben.
Die reich bebilderte und lesenswerte Sammlung ist für alle interessant, die sich für lebendiges Kulturerbe, seine Dokumentation und Erforschung interessieren.