Die Wechselkröte – Lurch des Jahres 2022
Marcel Seyring | Ausgabe 4-2022 | Natur und Umwelt
Merkmale
Die Wechselkröte – Bufotes viridis – gehört innerhalb der Gruppe der Lurche zu den Echten Kröten. Sie ist durch ein sehr auffälliges Zeichnungsmuster auf der Körperoberfläche gekennzeichnet, welches aus dunkel-/olivgrünen bis bräunlichen Flecken auf weißlich-cremefarbenem Untergrund besteht. Aufgrund dieses gründominierten Zeichnungsmusters wird sie im deutschsprachigen Raum mitunter auch „Grüne Kröte“ genannt. Im Vergleich zu den übrigen in Deutschland vorkommenden Kröten ist sie mit einer Kopf-Rumpflänge von 45 – 90 mm (Männchen) bzw. 55 – 100 mm (Weibchen) verhältnismäßig groß. Die Bauchseite ist überwiegend weißlich bis grau gefärbt und weist nur vereinzelte, grüne oder graue Flecken auf. An den Flanken besitzt sie kleine rötliche Warzen. Neben der Kopf-Rumpflänge unterscheiden sich beide Geschlechter vor allem durch das deutlich kontrastreichere Zeichnungsmuster der Weibchen und dem Vorhandensein einer kehlständigen, leicht violett gefärbten Schallblase sowie den zur Paarungszeit sichtbaren Paarungsschwielen bei den Männchen.
Verbreitung
Die Wechselkröte ist eine kontinentale Steppenart mit südosteuropäischer Verbreitung. Das Hauptverbreitungsgebiet der in Deutschland vorkommenden Nominatform Bufotes viridis viridis erstreckt sich über Mittel- und Osteuropa von Deutschland bis zum Ural und wird im Norden weitgehend durch die Ostseeküste begrenzt. Im Süden reichen die Vorkommen der Art über Nordostitalien und den Balkan bis zur Insel Kreta. Vom Hauptverbreitungsgebiet isoliertere Vorkommensbereiche befinden sich zudem in Nordostfrankreich, in Dänemark sowie in Südschweden.
Innerhalb Deutschlands zeigt die Art drei deutliche Verbreitungsschwerpunkte im Nordostteil in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen, im Einzugsbereich des Rheins im Südwesten sowie in Bayern. Im atlantisch geprägten Nordwesten des Landes fehlt die Art hingegen weitgehend. In Sachsen-Anhalt kommt die Art bis auf den nordwestlichen Teil, den Harz sowie den Vorfläming und den Fläming nahezu in allen Landesteilen vor. Deutliche Verbreitungsschwerpunkte zeigen sich dabei in den Acker- und Tagebaugebieten in der Mitte und im Süden des Landes. Nahezu alle ihre Vorkommen im Land (ca. 97 %) liegen dabei im Tiefland unterhalb der 200-m-Höhenlinie.
Lebensraum
Die Wechselkröte ist als typischer Kulturfolger zu bezeichnen und besiedelt vorrangig offene und trocken-warme Rohbodenlandschaften mit gut grabbaren Böden. Geschlossene Waldgebiete werden von der Art weitgehend gemieden. Innerhalb dieses Spektrums besiedelt die Art eine Vielzahl an Habitaten, wobei sie eine deutliche Präferenz für Abbaustandorte (Sand-, Kies-, Lehm-, Tongruben, Steinbrüche, Tagebaue), Truppenübungsplätze, Brachflächen sowie Ackergebiete und Siedlungsräume hat. Auch hinsichtlich der von ihr besiedelten Laichgewässer zeigt sich ein breites Spektrum von kleinen, temporären Tümpeln bis hin zu größeren, dauerhaft wasserführenden Gewässern (Seen, Altwasser, Teiche). Dabei werden temporäre, flache, voll besonnte und sich schnell erwärmende Gewässertypen (Tümpel, Ackernassstellen) jedoch deutlich bevorzugt. Abbaustandorte bieten sowohl hinsichtlich der bevorzugten Landlebensräume als auch in Bezug auf die Laichgewässer ideale Lebensbedingungen für die Art und sind daher von besonderer Bedeutung. Als Tagesverstecke nutzt die Wechselkröte u. a. selbstgegrabene Höhlen, Nagerbaue sowie Verstecke unter Steinen, Brettern und im Mauerwerk. Im Winter sucht sie frostfreie Quartiere auf, die den Tagesverstecken ähneln können. Daneben werden auch häufig Gebäude im Siedlungsraum (Keller, Bunker, Ställe etc.) zur Überwinterung genutzt.
Lebensweise
Lebenszyklus
Das „Wechselkrötenjahr“ beginnt üblicherweise mit dem Einsetzen milderer Witterung, ca. Ende März eines Jahres. Die dämmerungs- und nachtaktiven Wechselkröten wandern meist im April zu den bevorzugten Laichgewässern. Bereits ab Anfang April können die ersten balzenden Männchen an den Gewässern festgestellt werden, wo sie mit ihrer kehlständigen Schallblase ein melodisches Trillern von sich geben. Die Hauptbalzzeit der Art erstreckt sich über einen vergleichsweise langen Zeitraum zwischen Ende April und Mitte Juni. Während dieser Zeit kommt es zur Verpaarung und Laichabgabe. Der Laich besteht aus einer ca. 3 – 4 m langen Laichschnur, die zwischen 5.000 und 10.000 Eier enthält.
Je nach Wassertemperatur können die Kaulquappen bereits nach wenigen Tagen schlüpfen. Die Entwicklung der Larven dauert ca. 8 bis 10 Wochen und wird mit der Metamorphose beendet. Je nach Zeitpunkt der Laichabgabe und Entwicklungsdauer der Larven erfolgt zwischen Juni und August der Landgang der frisch umgewandelten Jungkröten. Diese zunächst tagaktiven Jungtiere sind ca. 10 – 16 mm groß und weisen bereits die für die Art typischen grünen Flecken auf der Oberseite auf. Bis zur einsetzenden Winterruhe im Oktober/November wachsen die Jungkröten zu einer Größe von bis zu 45 mm heran. Die Geschlechtsreife der Männchen setzt mit einem Alter von 2 bis 3 Jahren ein. Weibchen werden im 3. Lebensjahr geschlechtsreif und nehmen am Fortpflanzungsgeschehen teil.
Ernährung
Die Wechselkröte ernährt sich wie viele andere Krötenarten überwiegend von bodenbewohnenden Insekten (Käfer, Käferlarven, Ameisen) und Spinnentieren. Daneben gehören mitunter auch Schnecken und Regenwürmer zum Beutespektrum der erwachsenen Tiere. Die Jungkröten ernähren sich von deutlich kleineren Beutetieren, wie Springschwänzen, Milben und Pflanzenläusen. Die Ernährung der Kaulquappen erfolgt omnivor[1], wobei hauptsächlich Algen und verrottendes Material (z. B. Pflanzenreste, verendete Tiere) gefressen werden.
Feinde
Das Spektrum der Fressfeinde ähnelt sehr jenem anderer Amphibienarten. Der Laich und die Kaulquappen werden häufig durch Fische, Wasserinsekten (Wanzen, Käferlarven, Libellenlarven), Egel und Vögel gefressen. Die von der Art bevorzugten temporären Laichgewässer zeichnen sich u. a. durch eine geringe Dichte an Fressfeinden (Wasserinsekten, Fische) aus, wodurch das Mortalitätsrisiko der aquatischen Stadien in diesen Gewässern reduziert ist. Für Jungkröten und erwachsene Individuen gelten vor allem Vögel, Ringelnattern und Säugetiere (Waschbär, Mink) als Fressfeinde.
Gefährdung und Schutz
Die Hauptgefährdungsursache für die Wechselkröte liegt vor allem im Verlust geeigneter Lebensräume und Laichgewässer, der häufig durch Nutzungsintensivierungen bzw. -änderungen der besiedelten Flächen verursacht wird. Besonders hervorzuheben ist dabei auch der sukzessionsbedingte Verlust an offenen, rohbodenreichen Lebensräumen und temporären Gewässern in Abbaugebieten, wo vielerorts die Schwerpunktvorkommen der Wechselkröte liegen. Auch die Wiedernutzbarmachung solcher Gebiete nach der Abbautätigkeit durch Aufforstung, Verfüllung, Flutung, oder Bebauung stellen vielerorts eine starke Gefährdung der Populationen dar. Daneben wirken sich zunehmend auch die wiederkehrenden Dürreperioden, in deren Folge insbesondere die von der Art bevorzugten Temporärgewässer frühzeitig austrocknen und verschwinden, negativ auf die hiesigen Wechselkrötenpopulationen aus.
Die Wechselkröte genießt nach den Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes und der Bundesartenschutzverordnung in Deutschland den höchsten Schutzstatus und ist „streng geschützt“. Sie unterliegt aufgrund ihrer Listung im Anhang IV der Fauna Flora-Habitatrichtlinie (sog. FFH-Richtlinie) zudem auch dem europäischen Artenschutzrecht und darf weder gefangen, verletzt oder getötet werden. Auch ihre Lebensstätten dürfen nicht beschädigt oder zerstört werden. In der Roten Liste der Lurche und Kriechtiere Sachsen-Anhalts wird sie in der Kategorie 2 („stark gefährdet“) geführt.
Besonderheiten
Die Wechselkröte besiedelt ähnlich wie die Kreuzkröte (Epidalea calamita) bevorzugt offene Rohbodenstandorte in Abbaugebieten. Beide Arten gelten als sogenannte Pionierbesiedler, also Arten, die neu entstandene Rohbodenhabitate in kürzester Zeit neu besiedeln können. Als Pionierbesiedler sind sie besonders wanderfreudig und können im Vergleich zu anderen Amphibien deutlich größere Wanderungsstrecken von bis zu zehn Kilometern im Jahresverlauf zurücklegen. Da sie in Abbaugebieten oftmals in denselben Temporärgewässern gleichzeitig balzen, kommt es zwischen beiden Arten häufiger zu Fehlpaarungen, in deren Folge überlebensfähige Tiere (sog. Bastarde) entstehen können. Diese tragen die Eigenschaften beider Elternarten und sind nicht fortpflanzungsfähig.
Beobachtungsmöglichkeiten
Da die Wechselkröte außerhalb der Fortpflanzungszeit meist nachtaktiv und versteckt lebt, sind Begegnungen mit ihr verhältnismäßig selten. Gute Beobachtungsmöglichkeiten bieten sich vor allem zur Fortpflanzungszeit im April und Mai in feucht-warmen Nächten von Sonnenuntergang bis Mitternacht im Bereich der Fortpflanzungsgewässer. Dort kann mit etwas Glück das melodische Trillern der balzenden Männchen, die auch bei vorsichtiger Annährung mit der Taschenlampe gut beobachtet werden können, vernommen werden. Habitate mit flachen Rohbodentümpeln oder Ackernassstellen eignen sich besonders gut für solche Beobachtungen, da diese meist wenig Deckung aufweisen und die Tiere gut zu sehen sind.
Beobachtungen der Wechselkröte und anderer Reptilien und Amphibien können jederzeit gern an den Landesarbeitskreis Feldherpetologie Sachsen-Anhalt gesendet werden (info@lak-feldherpetologie.de). Alle Meldungen werden dort in einer landesweiten Datenbank gesammelt, um einen aktuellen Überblick zu den Beständen zu erhalten und bei Bedarf Schutzmaßnahmen zu veranlassen.
Dank
Ich danke Axel Schonert, Henning Dittmer und dem Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt für die Bereitstellung der Fotos und Abbildungen.
Literatur
Große, W.-R. & M. Seyring: Wechselkröte – Bufotes viridis (Laurenti, 1768), in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, (2015), S. 443 – 468.
Große, W.-R., Meyer, F. & M. Seyring: Rote Listen Sachsen-Anhalt. 13/14. Lurche (Amphibia) und Kriechtiere (Amphibia), in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 1 (2020), S. 345–355.
Günther, R. & R. Podloucky: Wechselkröte – Bufo viridis Laurenti, 1768, – in: Günther, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Jena 1996, S. 322– 343.
Podloucky, R. & M. Vences: Die Wechselkröte (Bufotes viridis) – Lurch des Jahres 2022, in: Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT), (2020).
Anmerkung
[1] Ernährung sowohl von tierischer als auch von pflanzlicher Kost.