Friedrich Zollinger – Baumeister der Moderne

John Palatini | Ausgabe 3-2022

Friedrich Zollinger. Baumeister der Moderne.

Hg. von John Palatini und Christine Schlott für den Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. | Mit Fotografien von Matthias Behne
Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, Band 72 
Halle (Saale) 2022 | ISBN: 978-3-949093-02-9 | 15,– €

 

Friedrich Zollinger (1880 – 1945), Architekt und Stadtplaner, wurde im Dezember 1918 als Stadtbaurat nach Merseburg berufen. In einer Zeit akuter Wohnungsnot brachte er an seiner neuen Wirkungsstätte zwei innovative Verfahren zur Anwendungsreife, die schnell als Zollbau Bekanntheit erlangten. Dabei handelte es sich um ein Schüttbetonverfahren unter Einsatz wiederverwendbarer Schalungsteile sowie eine aus kurzen Holzbrettern zusammengesetzte Dachkonstruktion.

Zollingers Prämissen hießen Kostensenkung und zügiger Baufortschritt durch Standardisierung, Materialeffizienz, Vorfertigung und leichte Montage. In kürzester Zeit entstanden in Merseburg, aber auch in zahlreichen anderen Städten Deutschlands sowie weltweit in Zollbauweise ausgeführte Wohnhäuser, Groß- und Hallenbauten sowie Kirchen.

Zollingers Leistungen in Merseburg, aber auch die Verbreitung des Zollbaus weit über die Stadt hinaus, stellen sich in der Rückschau als bedeutender Beitrag zum sozialen Wohnungsbau dar. Dabei ist insbesondere die von ihm entwickelte Dachkonstruktion eine ingenieurtechnische Meisterleistung, die bis heute zu faszinieren vermag und die als gewichtiger Beitrag zum Bauen in der Moderne Anerkennung verdient.

Das nun vorliegende Buch ist Ergebnis einer Tagung, die 2019 in Merseburg stattfand und Leben und Wirken Friedrich Zollingers zum Thema hatte. Die Publikation geht weit über die Tagung hinaus und vereint Beiträge zahlreicher Autorinnen und Autoren zu ganz verschiedenen Themen. Neben einer biografischen (Jan Stenzel, Kulturhistorisches Museum Merseburg) und einer technologischen Annäherung an Zollinger (unter anderem John Palatini, LHB, und Charlotte Baistow, Gießen) und einer Würdigung seiner Bedeutung für Merseburg (Karin Heise, Kulturhistorisches Museum Merseburg), werden auch aktuelle innovative Forschungen zum Lamellendach Zollingers beleuchtet (Alexander Stahr et al., HTWK Leipzig). Zudem werden verschiedene Bauwerke vorgestellt, die Friedrich Zollinger in Merseburg selbst verantwortete, und solche, die in Zollbauweise andernorts, vorzugsweise auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts, entstanden (z. B. Mathias Köhler, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Christian Marlow, LHB, Peter Michalek, Halle, u. a.). Dazu zählen Wohngebiete, z. B. in Halle und Magdeburg, aber auch Turnhallen, Kirchen sowie das Dickhäuterhaus im Leipziger Zoo.

Zu den Texten und zahlreichen historischen Abbildungen treten in diesem Band die Fotografien von Matthias Behne. Sie zeigen Zollingers Merseburger Häuser der 1920er Jahre in ihrem gegenwärtigen, oftmals liebevoll renovierten Zustand.

Diese Publikation wurde möglich durch zahlreiche Förderer und Unterstützer, darunter das Land Sachsen-Anhalt, die Stadt Merseburg, der Merseburger Altstadtverein e. V. und das Kulturhistorischen Museum Schloss Merseburg, das zudem zahlreiche Reproduktionen und wichtige Textbeiträge beisteuerte.

Die vorliegende Publikation entstand in der Zuversicht, den prominenteren Kapiteln einer im Ganzen noch zu schreibenden Architekturgeschichte der Moderne in Sachsen-Anhalt eine weitere, vielleicht weniger bekannte, dafür in ihrer Wirkung kaum zu unterschätzende Facette hinzufügen zu können.