Holz, Jagd, Zeidlerei, Landwirtschaft, Naherholung: Die vielfältige Nutzung des Waldes in Sachsen-Anhalt

Seit Jahrhunderten ist die Beziehung zwischen Mensch und Wald in Sachsen-Anhalt auch eine wirtschaftliche: Sei es als Lieferant für den Baustoff Holz oder Futtermittel für die Landwirtschaft, als Weidegrund, Jagdrevier oder Naherholungsgebiet - ohne Wald ging (und geht) gar nichts.

Bernd Bendix | Ausgabe 1-2023 | Kulturlandschaft | Natur und Umwelt

Forstnutzungen im 18. Jahrhundert, In: Beck, Johann Jodocus: „Tractatus de Jurisdictione Forestali, Von der Forstlichen Obrigkeit, Forst-Gerechtigkeit und Wildbann“, Nürnberg: Christoph Riegel, 1733. Archiv Bendix.
Schweinehirt im Wald mit Stab und Knotenpeitsche, Bayerische Staatsbibliothek München, Res/2 Phyt. 25, fol. CCCCXV recto, aus Bock, Hieronymus: Kreüterbuch. Darinn Underscheidt, Namen unnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken unnd Beumen, sampt ihren Früchten, so inn Deütschen Landen wachsen. Strassburg: Josias Rihel 1556.

Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein war das Holz als Brenn- und Werkstoff aus den Wäldern in Mitteleuropa eine unentbehrliche Rohstoffquelle. Das war auch im Landschaftsraum des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt nicht anders. Holz war notwendig für den Bau von Massiv- und Fachwerkbauten, zur Herstellung von Acker-, Garten-, Hausgerätschaften, Fahrzeugen und Zäunen. Um Erze schmelzen zu können waren hohe Temperaturen erforderlich, die nur mit Holzkohle erreicht werden konnten. Diese Holzkohle lieferten die Köhler aus dem Verschwelen von Buchenholz. Auch für die Schmiede war Holzkohle zur Verarbeitung von Eisen nötig. Teer- und Pechsieder sowie Glashütten hatten ebenfalls großen Brennholzbedarf. Die stetig steigende Bevölkerung in Städten und Dörfern verbrauchte in ihren Haushaltungen von jeher Unmengen von Holz für Haus und Hof. Salinen, Kalk- und Ziegelbrennereien mussten kontinuierlich mit Holz versorgt werden. Der Bergbau war unter Tage ohne Holzverbauung nicht möglich. Auch die meisten Handwerkerberufe benötigten Holz für ihre Produktion. Beispielhaft dafür sind Tischler, Drechsler, Böttcher und Bäcker zu nennen. Mahl-, Öl-, Säge-, Papier- und Walkmühlen, die zwar durch Wasser- und Windkraft betrieben wurden, bestanden aber in ihren maschinellen Anlagen hauptsächlich aus Holz, die starkem Verschleiß unterlagen und deshalb ebenfalls viel Holz benötigten. Ohne den Lieferanten „Wald“ ging Jahrhunderte lang gar nichts!

 

Der “freie” Wald wurde zum “gemeinen” Wald

Nach dem Abschluss der Völkerwanderung kam es im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt zur Sesshaftigkeit slawischer und germanischer Stämme. Sie sahen sich einer großen Waldfläche gegenüber; freier Wald und freie Waldnutzung waren naturgemäß die Folge. Mit zunehmender Siedlungsdichte wurde jedoch die Nutzung des Waldes durch jedermann ein begrenztes Recht. Der „freie Wald“ wurde zum „gemeinen Wald“. Bei dieser nun gemeinschaftlichen Nutzungsform schwanden in Deutschland zunehmend die Waldvorräte und Rodungen verminderten die Waldfläche. Holzverknappungen initiierten damit ab dem frühen Mittelalter erste lokale Weistümer und Waldordnungen, die wahllosen Holznutzungen Grenzen setzten sollten. Die Inhalte dieser forstlichen Regelungen waren ab dem 16. Jahrhundert dann schon auf Walderhaltung und schonende Waldbehandlung ausgerichtet. Durch das Aufkommen der hoheitlichen wie wirtschaftlichen landesherrlichen Gewalt regelten die jeweiligen Landesherren etwa ab 1500 in ihren Flächenstaaten, also auch im Bereich des heutigen Sachsen-Anhalt, mit Forstordnungen die Nutzungen im Wald und legten damit die Grundlagen der heutigen Forstwirtschaft.

Der spätere Hof- und Oberjägermeister Johann Georg von Langen (1699 – 1776) wirkte im Harz als Forstmeister für die Blankenburger Forsten sehr erfolgreich. Das am 8. April 1726 im Fürstentum Blankenburg erlassene „erneuerte“ Forst-Reglement trägt seine Handschrift. Es bezieht sich hauptsächlich auf die Nadelholzbestände und deren ungeregelte Hauungen mit ihren nachteiligen Folgen für die dortigen Forsten. Seine organisatorischen Bemühungen zur Holzeinsparung gipfelten in der Verwendung von Torf als Brennstoff für die Harzer Hüttenwerke. Der Kammerrat Johann Andreas Cramer (1710 – 1777) war im Harz für das Berg- und Hüttenwesen zuständig. Er war besorgt über den drohenden Holzmangel durch den hohen Verbrauch der Bergwerke, Erzhütten und Köhlereien. Zum Wohle der Harzer Wälder wirkte im 18. Jahrhundert auch der Oberforst- und Jägermeister Hans Dietrich von Zanthier (1717 – 1778) mit großem Einsatz. Er löste die damals üblichen regellosen Holznutzungen gemäß seines Grundsatzes ab, dass die Forsten und nicht der Holzbedarf die Nutzung zu bestimmen hat und verwies ausdrücklich auf eine notwendige forstliche Planung, um entsprechend auf notwendige Holzsortimente hin zu wirtschaften. Der Harzgeröder Forstkommissar Johann Jacob Büchting (1729 – 1799) entwickelte dann Vorstellungen und Modelle für eine Verbesserung der Wertschöpfung beim Holzverkauf und reduzierte die Selbstwerbung von Holz.

 

Nutzung des Waldes durch den Menschen schadete dem Ökosystem

Neben der Holznutzung versorgte der Wald die bäuerliche Bevölkerung mit Laub- und Nadelstreu für die Stallhaltung ihrer Viehbestände und war unverzichtbar als Lieferant von Eicheln und Bucheckern zur Schweinemast. Auch in der Vegetationszeit trieben die Bauern Rinder, Pferde und Schafe in meist großer Zahl „in die Waldweide“. Alle diese Nutzungsformen waren dem Ökosystem „Wald“ schädlich. Die Streuentnahme veränderte die Bodenqualität und damit das gesunde Wachstum der Bäume. Beim Weideeintrieb waren Fraßschäden an der Naturverjüngung, an der Aussaat oder der Pflanzung unvermeidlich. Zudem wurden ganze Bestände aufgelichtet, damit die Bodenflora sich für die Beweidung besser ausbreitete. Für die Waldmast wurden auf der Fläche dazu nur wenige starke Bäume, so genannte „Masteichen und -buchen“, von der Fällung verschont, damit diese reichlich fruchten konnten. Dieser Art der Waldbehandlung traten die Forstbeamten energisch und oft auch mit harten Strafen entgegen. Im Jahre 1766 kam es in der Oberförsterei Pratau bei Wittenberg zu einem Rechtsstreit zwischen dem Hofjäger und Oberförster Johann Christoph Günther (1719 – 1790) und der Pratauer Gemeinde. Günther hatte nach der noch immer gültigen kursächsischen „Generalbestallung vor die Forst-Bedienten“ vom 20.Mai 1575 der Gemeinde verboten „in den jungen Gehauen und Geholtzen zu grasen“. Der Rechtsstreit zog sich bis 1778 hin und endete schließlich mit einem Kompromiss.

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Zahlreiche Handwerker „ernährte“ der Wald in der Dübener Heide. In so genannten Weidenhegern pflanzten die Forstleute Weiden für die Korbmacher, die zu DDR-Zeiten aus den Weidenruten z. B. Körbe für Säureflaschen fertigten und an die Chemieindustrie lieferten. Muldenhauer kamen im Frühjahr regelmäßig aus Thüringen und fertigten aus frisch geschlagenem Espenholz Mulden, Backtröge und Schaufeln. Schindel- und Dachsplittmacher verarbeiteten möglichst astfreies Kiefernholz. Dieses wurde gespalten und so fertigten sie jährlich 20 Millionen Stück Dachsplitte, die Vorläufer heutiger Dachziegel. Eine wichtige Waldnebennutzung war seit Anfang des 19. Jahrhunderts auch die Gewinnung von Kiefernrohbalsam – dem so genannte „Harz“, woraus durch Destillation Kolophonium und Terpentinöl gewonnen wurde. Um das Harz zu gewinnen, wurden mittels eines Spezialhobels über 80 Jahre alte Kiefern fischgrätenartig angeschnitten und mit einer senkrecht geritzten „Tropfrinne“ versehen, aus der dann das Harz in ein Auffanggefäß floss. Erst zum Ende der DDR wurde die Harzgewinnung endgültig eingestellt. Noch bis nach dem II. Weltkrieg war auch das Sammeln von „Raff- und Leseholz“ eine beachtliche Einnahmequelle für die Forstreviere. Diese geringwertigen Holzreste waren in früherer Zeit oftmals die einzige Heizquelle der armen Heidebewohner in den Wintermonaten. Beerenobst und Pilze locken bis in unsere Zeit jährlich viele Menschen in die Wälder.

 

Zeidlerei, Jagd, Naherholung – der sachsen-anhaltische Wald wird auf vielfache Art genutzt

Schon im Mittelalter war das gewerbliche Sammeln von Honig wilder oder halbwilder Bienenvölker im Wald – die Zeidlerei – üblich. Dazu bestiegen die Zeidler ausgehöhlte Bäume, die die Bienen besetzt hatten, um ihnen den Honig zu entnehmen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts nutzen die Imker Bienenkörbe bzw. Magazinbeuten und fahren damit ihre Bienenvölker zur Baumblüte in die sachsen-anhaltischen Wälder von der Altmark bis zum Burgenland.

Auch die Jagd war und ist noch immer eine wichtige Waldnutzung, die in der Geschichte der Menschheit zweifellos schon seit frühesten Zeiten eine herausragende Rolle spielte. Zugleich stand die Jagd an der Wiege der menschlichen Kultur: Sozial- und Rechtsordnung, technischer Fortschritt und Handel wurden ebenso wie Sprache, bildende Kunst, Musik und Religion stark von der Jagd geprägt. Noch im Frühmittelalter diente die Jagd ausschließlich zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse an Nahrung und Kleidung sowie zum Schutz der Felder, der Tierherden und der Menschen selbst. Mit zunehmender Macht der Landesherren und deren Gefolgschaft verlor die Jagd jedoch an materiellem Wert und wurde mehr und mehr zum Vergnügen des Adels. Die Zeit der „freien Jagd“ für alle war vorbei. Große Waldgebiete wie die Colbitz-Letzlinger, die Annaburger und Dübener Heide wurden zu „kurfürstlichen Hofjagdgebieten“ erklärt und entsprechend mit Hege- oder Jagdsäulen gegenüber den Besitzungen des Landadels und der Dorffluren abgegrenzt. Mit Jagdmandaten wurden die Untertanen zu Jagdfronleistungen verpflichtet. Große Hofjagden verursachten starke Schäden auf den Feldern und in den bejagten Forstorten. So hielt in den ersten beiden Monaten des Jahres 1655 der Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen mit seinem Hofstaat in der Dübener Heide, im Waldgebiet bei Tornau und Söllichau, ein großes Jagdlager ab. Im Verlauf des 27. Januar wurden dabei 668 Schweine, über 200 Stück Rotwild, 52 Rehe, 2 Spießhirsche, 6 Füchse und 3 Wölfe erlegt!

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Eine nicht zu unterschätzende „Waldnutzung“ ist besonders in heutiger Zeit der Erholungswert von Waldspaziergängen. Die Ruhe im Wald, die hohe Sauerstoffsättigung und die Feuchtigkeit der Luft wirken zudem sehr positiv auf unsere Gesundheit. Dem Gutsbesitzer und Forstmann Heinrich von Salisch (1846 – 1920) ist es maßgeblich zu verdanken, dass er neben den kommerziellen Interessen innerhalb der Forstwirtschaft auch ästhetische und landespflegerische Grundwerte aufgezeigt hat. Sein Hauptwerk „Forstästhetik“ erschien 1885, in dem er „die Lehre von der Schönheit des Wirtschaftswaldes“ definiert hat. Damit befruchtete er auch die Landschaftsarchitektur und wirkt bis in unsere heutige Zeit.